Deutsch-russische Geschäftsbeziehungen: Analyse ... - antropov.de

Spiel sehr lange, bis man den Chef erreicht. Warum nicht einfach einen Kalender führen,
den auch die Sekretärin kennt“ (R5: 132-138) 53 .
Hinzu kommt, dass die deutschen Befragten von sich aus auf diese Schwierigkeiten
bei der Zusammenarbeit mit den Russen hingewiesen haben. Damit hat sich ihr eher
starker Drang zur Terminierung bekräftigt. Seitens der Russen mangelt es weniger an
der Einsicht, dass Pläne wichtig sind, sondern die Einhaltung der erstellten Pläne wird
durch das unsichere Umfeld behindert (z.B. R4: 98-99) (siehe dazu Abs. 3.2.1). Auf der
russischen Seite wird diese tatsächliche Inkompatibilität bei der Zeitauffassung bestätigt:
„Das sind die Fremden, sie können uns und unser Land nicht verstehen. Sie wollen ihr
Risiko minimieren durch einen Vertrag, durch einen detaillierten Plan. Wie kann ich denen
aber einen Plan vorstellen, wenn ich nicht weiß, was abends passiert Der Chef ruft an
und schon ist mein Plan ein anderer. Die Deutschen könnten mit ihren Plänen in Russland
geschäftlich nicht überleben, weil sie nicht anpassungsfähig sind. In Russland ist alles
unsicher, man muss sich den Gegebenheiten anpassen. Das ist eine Kunst und nicht
reines Chaos, wie ein deutscher Kollege bemerkt hat“ (R2: 84-91).
Unter diesen Umständen kann statt von ihrem „schwachen Drang zur Terminierung“
besser von ihrem „starken Drang zur (zeitbezogenen) Flexibilität“ gesprochen werden.
Die Pläne gelten als „grobe Orientierung“, der Befragte R3 meinte sogar, dass es unklug
wäre, wegen der strengen Einhaltung der Pläne sich bietende Chancen zu verpassen
(47).
In der Aussage eines Befragten (D1: 67-70) findet sich eine Bestätigung der etwas
fatalistischeren Einstellung der Russen (siehe Abs. 3.2), die durch das Sprichwort „der
Mensch denkt und Gott lenkt“ zum Ausdruck gebracht wurde. Daher fiel es der befragten
Person schwer, den eigenen Tagesablauf zu terminieren. So sind die Ergebnisse in
hohem Maße theoriekonform.
7.2 Unterschiede im geschäftsbezogenen Rollenverständnis als Quelle
der Missverständnisse
Von 33 Äußerungen bestätigende zwölf die Unterschiede im geschäftsbezogenem Rollenverständnis
von Deutschen und Russen. Bei weiteren zwölf handelte es sich sogar
um antizipierte Missverständnisse. In neun Fällen wurden Missverständnisse geäußert.
53 Im Russischen gibt es kein Äquivalent für das Wort „Termin“. Wenn es sich um ein geplantes
Treffen mit Mitarbeitern auf gleicher Hierarchieebene handelt, wird dafür der Ausdruck «У нас
встреча в ... » benutzt, der in etwa „wir haben um …Uhr ein Treffen“ bedeutet. Wenn aber
einer dem anderen gegenüber weisungsbefugt ist, benutzt man den Ausdruck «Мне
назначено» („mir wurde verordnet um … Uhr“) (Anm. d. Autorin).
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