Deutsch-russische Geschäftsbeziehungen: Analyse ... - antropov.de
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lich vom seinem Bildungsstand abzuleiten mit Sicherheit falsch. Das Verhalten <strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />
wird mit einer an<strong>de</strong>ren Antwort besser erklärt.<br />
Zu b): In unserem Fall ist diese Antwort nicht von <strong>de</strong>r Hand zu weisen. Die Zeiten <strong>de</strong>r<br />
harten Sanktionen, als die Untergeordneten aus Angst von lebensbedrohlichen Konsequenzen<br />
sich nicht getraut haben ihre Meinung zu äußern, gehören zwar <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
an, trotz<strong>de</strong>m können insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n früher staatlich geführten Unternehmen<br />
die gewohnten Verhaltensweisen bei <strong>de</strong>n Mitarbeitern tief verankert sein. Auch<br />
diese Erklärung wäre <strong>de</strong>nkbar: Die informellen Netzwerke sind im beruflichen Leben<br />
<strong>de</strong>r Russen extrem wichtig. Seit 20 Jahren im Betrieb hat <strong>de</strong>r ältere Mitarbeiter bestimmt<br />
einen großen Kreis nützlicher Bekanntschaften, <strong>de</strong>ren Ungunst sich keiner freiwillig<br />
zuziehen möchte. Aber mit dieser Antwort ist noch nicht ins Schwarze getroffen<br />
wor<strong>de</strong>n.<br />
Zu c): Dem Verhalten <strong>de</strong>r Russen liegt grundsätzlich ein an<strong>de</strong>res hierarchisches Denken<br />
zugrun<strong>de</strong>. Entscheidungen zu treffen ist ausschließlich die Sache <strong>de</strong>r Chefs. So<br />
glauben die Russen auch nicht daran, mit ihren Vorschlägen irgen<strong>de</strong>twas bewirken zu<br />
können. Die Kritik in <strong>russische</strong>n Betrieben nimmt <strong>de</strong>n Lauf nur von oben nach unten<br />
und nie umgekehrt. Auch rege Diskussionen „wie auf einer Augenhöhe“ mit <strong>de</strong>n Höherrangigen<br />
sind nicht üblich. Außer<strong>de</strong>m gilt das Unterbrechen (was im Diskutieren nach<br />
westlicher Art oft <strong>de</strong>r Fall ist) als sehr unhöflich. Hinzu kommt das stark ausgeprägte<br />
Solidaritätsgefühl. Der Wunsch nach Zugehörigkeit zum Kollektiv (im Russischen „Arbeitsgemeinschaft“)<br />
impliziert das stillschweigen<strong>de</strong> Selbstverständnis “wie die An<strong>de</strong>ren<br />
zu sein“ und „nicht aus <strong>de</strong>r Reihe zu tanzen“. Man wahrt in Russland viel stärker als in<br />
<strong>Deutsch</strong>land sein „Gesicht“. Die Russen (angenommen sie haben <strong>de</strong>n Vorschlag auch<br />
nicht für gut gehalten) wollten <strong>de</strong>n älteren Mitarbeiter nicht öffentlich blamieren, <strong>de</strong>nn<br />
das wäre passiert, wenn er in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit von einem jüngeren Kollegen berechtigt<br />
o<strong>de</strong>r unberechtigt kritisiert wor<strong>de</strong>n wäre. Daher ist diese Antwort richtig.<br />
Zu d): In <strong>de</strong>n Zeiten <strong>de</strong>r Mangelwirtschaft war es in <strong>de</strong>r Tat so, dass diejenigen, die<br />
<strong>de</strong>n Zugang zu <strong>de</strong>fizitären Waren o<strong>de</strong>r Information hatten, auch automatisch Macht<br />
hatten. Weil dies vor allem das Privileg <strong>de</strong>r Vertriebsseite (egal ob staatliche Angestellte<br />
o<strong>de</strong>r Verkäufer) war, ist somit eher ein Mangel an Kun<strong>de</strong>norientierung in <strong>russische</strong>n<br />
Unternehmen als das Nicht-wollen-zu-diskutieren zu erklären, <strong>de</strong>nn schließlich hätten<br />
ja alle von <strong>de</strong>r Diskussion profitiert. Daher ist diese Antwort falsch.<br />
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