Deutsch-russische Geschäftsbeziehungen: Analyse ... - antropov.de
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1) Ausübung von Macht durch <strong>de</strong>n Vorgesetzten<br />
Für die Überprüfung dieser Kategorie war die Zusammensetzung <strong>de</strong>r Stichprobe von<br />
ausschlaggeben<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung. Außer<strong>de</strong>m liegt die Vermutung nahe, dass <strong>de</strong>r Aspekt<br />
<strong>de</strong>r sozialen Erwünschtheit das Ergebnis beeinflusst hat. Damit ist möglicherweise zu<br />
erklären, dass es sich nur bei zwei aus zehn Aussagen um ein Missverständnis han<strong>de</strong>lte.<br />
Die kulturellen Unterschie<strong>de</strong>, die diese <strong>Analyse</strong>kategorie unterstellt, wur<strong>de</strong>n von<br />
<strong>de</strong>n restlichen acht Befragten bestätigt:<br />
„Unser <strong>russische</strong>r Generaldirektor trug immer einen dunklen Na<strong>de</strong>lstreifenanzug. Und<br />
wenn er durch die Produktionshalle lief, hat er mit seinem Verhalten natürlich gezeigt,<br />
dass er <strong>de</strong>r Boss im La<strong>de</strong>n ist, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er, so wie ich ihn<br />
kannte, zu einem <strong>de</strong>r Mitarbeiter „Hallo, wie geht es <strong>de</strong>iner Frau“ sagen wür<strong>de</strong>, er wür<strong>de</strong><br />
auch bestimmt nie mit <strong>de</strong>r Putzfrau re<strong>de</strong>n. Ich mache das immer. Bei uns ist es an<strong>de</strong>rs,<br />
klar mache ich das (D4: 69-74).“<br />
Dass die auf Ungleichheit basierte Interaktionsweise (wie die erhöhte Stimme und die<br />
abwerten<strong>de</strong>n Blicke <strong>de</strong>s Chefs) zwischen <strong>de</strong>n Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten in<br />
Russland kein Einzelfall ist, wur<strong>de</strong> durch die Aussagen <strong>de</strong>r Russen, aber auch die <strong>de</strong>r<br />
<strong>Deutsch</strong>en (z.B. D2: 75-76) bestätigt. Nach <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>s Befragten R2, <strong>de</strong>r selber<br />
in <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>s Vorgesetzten auftritt, heißt es sogar:<br />
„Ein Chef in Russland darf so ziemlich alles, die Mitarbeiter sind ja von ihm abhängig. Die<br />
Frage ist, inwiefern er das ausnützt. Das ist je<strong>de</strong>m selbst überlassen. Ist ja auch eine<br />
Charaktersache“ (113-115).<br />
Die <strong>Deutsch</strong>en wür<strong>de</strong>n diese Umgangsformen nicht tolerieren, <strong>de</strong>r Befragte D5 war<br />
sogar „geschockt“ (41). Eine mögliche Erklärung dafür, dass es nur selten zu einer<br />
Eskalation kam, kann die Aussage <strong>de</strong>s Befragten R1 liefern:<br />
„Gegenüber <strong>de</strong>n <strong>Deutsch</strong>en benehmen sie sich ja nicht so, wie sie zu ihren Mitarbeitern<br />
sind. Aber das kriegen die <strong>Deutsch</strong>en sehr wohl mit. Weil die <strong>Deutsch</strong>en meistens die<br />
Vorgesetzten <strong>de</strong>r Russen sind, gibt es weniger Konfliktfälle, aber im umgekehrten Fall<br />
wären die Probleme natürlich sofort da. Ich <strong>de</strong>nke nicht, dass die <strong>Deutsch</strong>en ein unhöfliches<br />
Verhalten <strong>de</strong>s Chefs tolerieren wür<strong>de</strong>n“ (R1: 179-183).<br />
Diese Aussage ist eine von mehreren, die zeigt, dass sich die <strong>de</strong>utsch-<strong>russische</strong>n Beziehungen<br />
im Rahmen einer Interkultur (siehe 2.1 sowie 3.1.3.4) abspielen. Von acht<br />
Befragten konnten sich sieben vorstellen, dass sich ohne eine bestimmte Anpassungsbereitschaft<br />
auf diesem Gebiet Missverständnisse ergeben wür<strong>de</strong>n. Durch die Aussage<br />
<strong>de</strong>s Befragten D3 wur<strong>de</strong> lediglich ein kultureller Unterschied <strong>de</strong>utlich. Inwiefern die<br />
Anpassungsfähigkeit- und -bereitschaft das Missverständnispotenzial min<strong>de</strong>rn kann,<br />
wur<strong>de</strong> nicht untersucht.<br />
2) Entscheidungsspielraum <strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />
Aus <strong>de</strong>n oben genannten Grün<strong>de</strong>n schrumpfte die Gesamtmenge <strong>de</strong>r missverständnisträchtigen<br />
Aussagen in dieser Kategorie auf sechs zusammen: Zwei Missverständnis-<br />
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