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Report_Issue 1/2009 - Jubiläum/ 20 Jahre Mauerfall

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„Studenten der Moskauer Lomonossow-Universität stellten<br />

mir neulich eine Inhaltsanalyse deutscher Zeitungen vor.<br />

Ergebnis: Russland kommt schlecht weg, Sport ausgenommen.<br />

Die Analyse ist zweifellos zutreffend. Noch schlechter<br />

als das Image Russlands ist allerdings das Bild Deutschlands<br />

in den deutschen Medien. Verheerend dürften die<br />

Images der Herren George W. Bush, Silvio Berlusconi und<br />

Nicolas Sarkozy ausfallen, um nur einige Namen zu nennen.<br />

Und geradezu vernichtend war das Medien-Image des Kanzlers<br />

der deutschen Einheit, Helmut Kohl.<br />

Warum ist das so? Weil es nicht unsere vordringliche Aufgabe<br />

ist, strahlende Bilder zu vermitteln; dafür gibt es PR-<br />

Stäbe in Regierungen, Unternehmen und Verbänden. Unsere<br />

Aufgabe ist es, darauf hinzuweisen, wenn etwas in Politik,<br />

Wirtschaft, Kultur oder Gesellschaft schiefzulaufen droht.<br />

Genau das ist nämlich die Funktion des ‚kritischen Journalismus‘,<br />

den alle so gern im Munde führen: Politiker, Unternehmer,<br />

Fußballtrainer, Theaterregisseure, die Atomlobby,<br />

Umweltaktivisten und viele andere. Nur wenn es um die<br />

jeweils eigenen Angelegenheiten geht, gilt dieses Plädoyer<br />

nicht mehr, da verlangt man ‚Erfolgsgeschichten‘.<br />

Aber müsse denn buchstäblich in jedem zweiten Artikel<br />

über Russland das ‚Klischee Korruption‘ vorkommen, fragten<br />

mich die jungen Moskauer Kollegen. ‚Wenn das ein<br />

Klischee ist, hat dann der neue Präsident und haben die<br />

Präsidenten vor ihm über Klischees gesprochen?‘, fragte ich<br />

26<br />

Korruption<br />

ist kein Klischee<br />

— Werner D’Inka —<br />

zurück. Ja, Korruption gibt es auch in Deutschland, beispielsweise<br />

in städtischen Bauämtern oder <strong>Jahre</strong> hindurch<br />

bei Siemens; darüber berichten wir ebenfalls. Dass für Universitätsdiplome<br />

Geld genommen und gezahlt wird oder<br />

dass Eltern ihren einzigen Sohn vom Wehrdienst freikaufen,<br />

ist allerdings kein Medienkonstrukt, sondern in vielen Ländern<br />

Osteuropas Alltagsrealität. Und wer jemals in eine russische<br />

oder ukrainische Verkehrskontrolle geraten ist, kennt<br />

die inoffiziellen Gebührensätze, vom Zoll ganz zu schweigen.<br />

Doch wo bleibt das Positive? Die namhaften Zeitungen oder<br />

Sender berichten durchaus über wirtschaftliche Erfolge,<br />

aber Wirtschaftsteile werden von Medienkritikern offenbar<br />

nicht gelesen.<br />

Dessen ungeachtet gäbe es sicher manches an der Berichterstattung<br />

über Osteuropa zu verbessern. In vielen Fällen ist<br />

sie – wie Auslandsberichterstattung überhaupt – notwendigerweise<br />

hauptstadtlastig. Zu wünschen wäre, dass die<br />

Korrespondenten mehr Zeit und Gelegenheit fänden, über<br />

Land zu fahren, doch das ist kein Vorwurf an die Kollegen,<br />

sondern eine Frage von Personal und Ressourcen, auch bei<br />

den großen Zeitungen und Sendeanstalten.“<br />

Werner D’Inka ist seit vielen <strong>Jahre</strong>n Redakteur bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, seit <strong>20</strong>05 gehört er auch<br />

dem Herausgebergremium an. Darüber hinaus engagiert er sich für russisch-deutsche Medienbeziehungen, ist<br />

ehrenamtlicher Kodirektor des „Freien Russisch-Deutschen Instituts für Publizistik“ an der Universität Rostow am<br />

Don und Beiratsmitglied des Netzwerks für Osteuropa-Berichterstattung „n-ost“.<br />

Erschienen im „<strong>Report</strong>“ im Oktober <strong>20</strong>08 (online)

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