Report_Issue 1/2009 - Jubiläum/ 20 Jahre Mauerfall
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„Unsere<br />
Sammlungs strategie<br />
sehen wir auch<br />
als politisches<br />
Statement“<br />
Antje Mayer: Seit wann sammelt die Erste Bank<br />
Kunst?<br />
Boris Marte: Die Erste Bank und ihre zentral-<br />
und osteuropäischen Tochterbanken blicken<br />
auf eine sehr lange Tradition des Kunstsammelns<br />
und der Kunstförderung zurück. Unsere<br />
Sammlung entsprach nicht mehr den aktuellen<br />
Tendenzen der Kunstproduktion und damit<br />
auch nicht mehr den internationalen Kunstmarktkriterien.<br />
Deswegen haben wir sie vor<br />
zwei <strong>Jahre</strong>n von Rainer Fuchs, dem stellvertretenden<br />
Direktor und wissenschaftlichen Leiter<br />
des MUMOK, evaluieren lassen. Auf Basis seiner<br />
gründlichen und durchaus kritischen Studie<br />
haben sich die Partnerbanken in Zentral- und<br />
Osteuropa entschieden, ihre Sammlungsaktivitäten<br />
– auf Basis einer gemeinsamen Strategie<br />
– zu konzentrieren. Wir haben sozusagen einen<br />
gänzlich neuen Anfang gewagt.<br />
Nach welchen Kriterien sammelt die Erste Bank Kunst?<br />
Als Bank konzentrieren wir uns geschäftlich auf die zentral- und osteuropäische<br />
Region. Sie ist in Bezug auf die kunsthistorische Aufarbeitung<br />
und auf einen funktionierenden Kunstmarkt ein immer noch unbeschriebenes<br />
Blatt. Aus diesem Bedürfnis heraus haben wir die neue<br />
Sammlungspolitik entwickelt. Das heißt, Kunstgeschichten teilweise neu<br />
zu formulieren und damit den westeuropäischen Kunstkanon zu hinterfragen.<br />
Dazu bieten wir eine professionelle Konservierung, Forschung<br />
und Präsentation von progressiver Kunst seit den sechziger <strong>Jahre</strong>n bis<br />
heute an. Die Kunst, die wir sammeln, kommt aus einem geopolitischen<br />
Raum, in dem sie selten die Möglichkeit hat, in einem internationalen<br />
Kontext dargestellt zu werden. Außerdem soll die Sammlung, und das ist<br />
einmalig, eine Plattform des Dialogs werden, also vital Themen bearbeiten,<br />
die für die Identitätsbildung der Region wichtig sind.<br />
86<br />
Ein Gespräch mit Boris Marte, Sponsoring-Leiter der Erste Bank bis<br />
<strong>20</strong>08, anlässlich der ersten Ausstellung der Kunstsammlung der Erste<br />
Bank Group im März <strong>20</strong>06 – im Museum Moderner Kunst Stiftung<br />
Ludwig Wien (MUMOK) und in den tranzit workshops in Bratislava.<br />
— Antje Mayer im Gespräch mit Boris Marte —<br />
Eine junge Sammlung demnach, mit der die<br />
Erste Bank verhältnismäßig früh an die Öffentlichkeit<br />
geht. Ein Wagnis?<br />
Was im MUMOK gezeigt wird – das ist uns wichtig,<br />
hervorzuheben –, sind die ersten Schritte<br />
unserer neuen Sammlungsaktivitäten. Einzelne<br />
Werke deuten eine Richtung an, durch das<br />
Erratische, das Besondere, das sie mitbringen.<br />
Die Ausstellung ist mehr eine Andeutung einer<br />
Zukunft als bereits die Realität einer Sammlung.<br />
Das MUMOK hat uns zu dieser Ausstellung<br />
eingeladen. Nach einer langen Diskussion<br />
mit dem Kunstbeirat haben wir sehr gerne angenommen.<br />
Großes Aber: Uns war wichtig, dass<br />
von Anfang an die Internationalität und das<br />
grenzüberschreitende Element unserer Sammlungspolitik<br />
zum Ausdruck kommen. Deswegen<br />
haben wir uns entschlossen, die Ausstellung an<br />
zwei Standorten zur gleichen Zeit stattfinden zu<br />
lassen, in den tranzit workshops in Bratislava<br />
und eben in Wien. Es ging uns dabei um mehr<br />
als nur um Symbolik, sondern um das Aufspannen<br />
eines Kontakts zwischen zwei Städten, der<br />
noch viel zu wenig gelebt wird.<br />
Keine pure Anhäufung von Werten?<br />
Wir wollen schon eine international erfolgreiche Kollektion aufbauen,<br />
die einen Wert darstellt. Das ist der Erfolg von Sammlungen, dass die<br />
einzelnen Kunstwerke schon allein durch ihr Vorhandensein darin wertmäßig<br />
profitieren. Aber unsere Sammlung kann man nicht entkontextualisieren.<br />
Sie nehmen das Wort „Politik“ in Zusammenhang<br />
mit der Sammlung auffallend oft in den<br />
Mund. Warum?<br />
Insofern, als unser Sammlungsbudget nicht<br />
nur in den Ankauf fließt, sondern ein Teil der<br />
Mittel dafür verwendet wird, sie in Beziehung<br />
zur Region zu bringen, die dadurch wieder als<br />
kultureller Raum gespürt werden soll, dessen<br />
Wahrnehmung derzeit vor allem durch<br />
die Ökonomie bestimmt wird. Wir wollen bewusst<br />
einen Gegenpol dazu setzen. Unsere<br />
Sammlungsstrategie sehen wir schon auch<br />
als politisches Statement im Kampf gegen die<br />
Marginalisierung von Kunst und Kultur in den<br />
Transformationsgesellschaften und im Kampf<br />
gegen einen teilweise bereits aggressiven Nationalismus,<br />
der das Andere und das Vielfältige<br />
ausschließt.<br />
Das gesamte Interview ist im „<strong>Report</strong>“ im<br />
Mai <strong>20</strong>06 (online) erschienen.