„Die Geschichte der Gegenwartskunst in dieser Sammlung ist eine Geschichte von ‚Nachbarschaften‘“ Die fünf Mitglieder der internationalen Jury von „Kontakt. Die Kunstsammlung der Erste Group“ für zeitgenössische und moderne Kunst im Überblick: Silvia Eiblmayr, Jiří Ševčík, Branka Stipančić, Adam Szymczyk, Georg Schöllhammer. Jirˇí Ševčík „Ich erwarte mir, dass die Sammlung jene Lücke schließt, die in vielen musealen Sammlungen klafft: Sie soll verdrängte Bilder des Unterbewussten zeigen. Ich freue mich darauf, dass eine hohe Konzentration bedeutender künstlerischer Arbeiten aus Osteuropa zu sehen sein wird, die auf unterschiedlichen Realitäten, unterschiedlichen Erfahrungen und unterschiedlichen Zeiten basieren. Die Sammlung könnte auch das zeigen, was wir gar nicht voneinander wissen wollen. Und vor allem könnte sie insofern Impulse setzen, als sie neue Erfahrungen verarbeitet, die wir noch vor uns haben. Dadurch werden wir wohl etwas in unsere Erfahrung aufnehmen müssen, das sich erstaunlicherweise auch als unsere Realität erweist, und wir werden mit etwas umgehen lernen müssen, das so fremd gar nicht ist und doch nicht den anerkannten Standards entspricht.“ Jiří Ševčík war von 1962 bis 1965 u. a. Chefredakteur des Magazins „Architektura CSR“. Von 1966 bis 1989 lehrte er an der Prager Architekturfakultät am Institut für Theorie und Geschichte der Kunst und Architektur. Seit 1996 ist er als Vize-Direktor der Akademie der angewandten Künste in Prag tätig und seit 1997 außerdem Leiter des Forschungszentrums und Archivs für tschechische Kunst. Silvia Eiblmayr „Die Auseinandersetzung mit der Kunst der ehemals sozialistischen, jetzt postsozialistischen Länder war immer Teil meines kuratorischen Interesses, das sich auch in der Arbeit für den Aufbau der Sammlung niederschlägt. Dabei sollte eine Erfahrung, die man mit Ausstellungen immer wieder machen kann, auch zum Tragen kommen, nämlich dass künstlerische Arbeiten, die in ausgesuchte Kontexte oder in spezielle thematische Zusammenhänge gesetzt werden, ästhetisch produktiv werden und bisher nicht beachtete Bedeutungen freisetzen können. Die Sammlung soll durch gezielt hergestellte Querverbindungen einen hermeneutischen Beitrag zum historischen und aktuellen Verständnis und zur Interpretation der geistigen, kulturellen und politischen Felder bilden, die die beteiligten Länder miteinander teilen oder in denen sie sich voneinander unterscheiden.“ Silvia Eiblmayr ist Kunsthistorikerin. Von 1988 bis <strong>20</strong>04 arbeitete sie als Lektorin an der Akademie der bildenden Künste in Wien und u. a. an der Kunsthochschule für Medien Köln und an der Universität in Zürich. Von 1999–<strong>20</strong>08 war sie Direktorin der Galerie im Taxispalais, Innsbruck. <strong><strong>20</strong>09</strong> kuratierte sie zusammen mit VALIE EXPORT den Österreich-Pavillon bei der Biennale in Venedig. 88 Branka Stipančić „In vielen ost- und südosteuropäischen Ländern gibt es bekanntermaßen Sammlungen zeitgenössischer Kunst, die in Depots gehortet werden, weil die Museen über keine geeigneten Räumlichkeiten verfügen, um diese Werke der Öffentlichkeit zu zeigen. Man denke nur an die bemerkenswerte ArtEast Collection <strong>20</strong>00+ der Moderna Galerija in Ljubljana oder die Sammlung internationaler Kunst des Museums für zeitgenössische Kunst in Zagreb. Ich bin überzeugt, dass die Sammlung unterschiedliche, bis vor Kurzem eher isolierte Kulturräume verbinden und der Öffentlichkeit Arbeiten zeigen wird, die – aus rein nicht-künstlerischen Gründen – jahrelang unbeachtet geblieben sind. Ich zweifle nicht daran, dass die Sammlung den Dialog fördern und zu einem besseren Verständnis zeitgenössischer Kunst beitragen wird.“ Branka Stipančić ist Kunstkritikerin und freie Kuratorin, lebt und arbeitet in Zagreb (Kroatien). Sie war von 1983 bis 1993 Kuratorin am Museum für zeitgenössische Kunst in Zagreb und Direktorin des Soros Center für zeitgenössische Kunst in Zagreb von 1993 bis 1996. Georg Schöllhammer „Was mich an der Arbeit dieser Sammlung besonders interessiert, ist – neben der Hoffnung, mit ihr gewisse Ungleichgewichte in der Kunstgeschichtsschreibung der letzten Jahrzehnte ausgleichen helfen zu können – das Nachdenken über die Konsequenzen eines ‚global cultural flow‘. Die Sammlung wird thematisch etwas bündeln, um es dann wieder freizugeben und in verschiedenen Kontexten auch in der Herkunftsregion arbeiten zu lassen. Und das wird begleitet von Forschungsstipendien, Publikationen, einer Dokumentation von Kontextmaterial und einer wohl durchdachten Reihe von anderen Maßnahmen, die lokal Effekte haben sollen. Was in der gängigen Version des universalistischen Redens von der Globalisierung der Kunst und in vielen privaten Sammlungen unter den Tisch fällt, ist der Gründungsjury besonders wichtig: dass das Ethos von Lokalität eine Eigenheit des künstlerischen Lebens ist. Die Geschichte der Gegenwartskunst in dieser Sammlung als eine Geschichte von ‚Nachbarschaften‘, das heißt von mehr oder weniger isolierten und labilen Bezugssystemen, zu erzählen, das wäre unser Anspruch. Adam Szymczyk „Die Sammlung schlägt eine deutlich andere, neue Richtung ein, öffnet sich der Kunst aus Mittel- und Osteuropa. Der von ihr betrachtete geografische Raum ist nicht und darf auch nicht zu eng gesteckt sein. Das Hauptaugenmerk liegt auf Kunst, die bisher größtenteils der Aufmerksamkeit bedeutender privater und öffentlicher Sammlungen (in Westeuropa) entgangen ist. Wir sind überzeugt, dass die Sammlung einen wichtigen Beitrag für ein umfassenderes Verständnis der Ausdrucksformen in der zeitgenössischen Kunst der letzten 40 <strong>Jahre</strong> leisten kann. Viele Arbeiten, die gezeigt werden, sind in Westeuropa kaum bekannt, selbst in Expertenkreisen nicht. Die Sammlung wird somit auch einen wichtigen erzieherischen Aspekt haben und – so bleibt zu hoffen – so manches Dogma der jüngeren Kunstgeschichte neu definieren.“ Adam Szymczyk ist seit <strong>20</strong>03 Direktor der Kunsthalle Basel. Von 1994 bis 1995 war er kuratorischer Assistent für Film und Video am Zentrum für zeitgenössische Kunst in Warschau. Er war außerdem von 1997 bis <strong>20</strong>03 als Kurator für die Stiftung Galerie Foksal in Warschau tätig. In den vergangenen zehn <strong>Jahre</strong>n arbeitete er an Ausstellungen und Publikationen von und über Künstler wie Pawel Althamer, Douglas Gordon, Susan Hiller, Job Koelewijn, Edward Krasinski, Piotr Uklanski und Krzysztof Wodiczko. Wir hoffen, dadurch und darüber auch zu einer Geschichte von neuer Kunst als einer Technik, die Lokalität produziert, beitragen zu können. Gleichzeitig hoffen wir, dass eine solche Sichtweise es ermöglichen wird, zu erkennen, welchen Anteil bei der Produktion entsprechender Kategorien Künstler, Intellektuelle, Museumsleute, Galeristen, die lokale Politik und das soziale, mediale, ökonomische Spannungsfeld etc. innehaben. Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, über die nächsten <strong>Jahre</strong> mit dem Aufbau dieser Sammlung in diese Richtung zu arbeiten. Ich würde das – auch wenn das paradox klingen mag – als eine politische Aufgabe bezeichnen.“ Georg Schöllhammer ist Leiter von tranzit Österreich, Kulturjournalist und Kurator. Von 1988 bis 1994 schrieb er für die Tageszeitung „Der Standard“. Seit 1992 hält Schöllhammer als Gastprofessor Vorlesungen über die Theorie der Gegenwartskunst an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz. Er ist Chefredakteur und verantwortlicher Textchef bei „springerin – Hefte für Gegenwartskunst“ und war Herausgeber einer Publikationsreihe der „documenta 12“. Erschienen im „<strong>Report</strong>“ im April <strong>20</strong>05 (online)
Paweł Althamer „Kosmonauta 1“, 1995 Video Natalia LL „Słowo/Word“, 1971 12 SW-Fotografien 12 b/w photographs Šejla Kamerić „Bosnian Girl“, <strong>20</strong>03 Poster Július Koller „Idea“, 1975 schwarzer Filzstift auf Papier black felt-tip pen on paper 89
- Seite 1 und 2:
REPORT Magazine for Arts and Civil
- Seite 3 und 4:
Vorwort Editorial 20 JAHRE MAUERFAL
- Seite 5 und 6:
EUROPA EUROPE Eduard Steiner // Fjo
- Seite 7 und 8:
Eduard Steiner: What about Europe s
- Seite 9 und 10:
“It is only about your dream …
- Seite 11 und 12:
“These ridiculous visas belong ba
- Seite 13 und 14:
Olympischer Bär Das Bärchen Misch
- Seite 15 und 16:
HEY EUROPA Hey Europa, ich schreibe
- Seite 17 und 18:
„ Un s e r e Zukunft ist europäi
- Seite 19 und 20:
„ Our future is European!“ —
- Seite 21 und 22:
Diaprojektor Nach dem Krieg waren d
- Seite 23 und 24:
Analyse über das Land schreiben wo
- Seite 25 und 26:
for nine months. He had been instru
- Seite 27 und 28:
Corruption is not a cliché “Stud
- Seite 29 und 30:
Modell des Fernsehturms Das Holzmod
- Seite 31 und 32:
Jewgenija Albaz ist eine jener Jour
- Seite 33 und 34:
Jewgenija Albaz is one of those jou
- Seite 35 und 36:
Issue 01/2004 Artwork: Boris Missir
- Seite 37 und 38: Waffen der Revolution Die zwei Pist
- Seite 39 und 40: Homesick IS NO BORDER, NO BORDER, N
- Seite 41 und 42: Antje Mayer: Since 1989 Vienna has
- Seite 43 und 44: Manuela Hötzl: You say that with t
- Seite 45 und 46: How have the culture scenes in the
- Seite 47 und 48: „ BEI MIR GIBT ES ETWAS …“ Di
- Seite 49 und 50: 1 2 7 5 6 3 8 9 11 4 10
- Seite 51 und 52: was declared the fish day so as not
- Seite 53 und 54: Hase und Wolf Der Hase und der Wolf
- Seite 55 und 56: — Mircea Cărtărescu — In 1989
- Seite 57 und 58: Slovenia: Instructions for a Visito
- Seite 59 und 60: — Marjana Gaponenko — It began
- Seite 61 und 62: READING HISTORIES AND TELLING STORI
- Seite 63 und 64: Souvenir Raumtransporter „Progres
- Seite 65 und 66: the Manuela Hötzl: In the process
- Seite 67 und 68: DIE ZUNGE REICHT (WIRKLICH) WEITER
- Seite 69 und 70: SOZIALES SOCIAL ISSUES Martin Schen
- Seite 71 und 72: „Europa muss den Mut haben, sich
- Seite 73 und 74: Full in the world, full in faith Sv
- Seite 75 und 76: Migration researcher Michael Jandl
- Seite 77 und 78: Einkaufsnetz „Awoska“, Milchver
- Seite 79 und 80: “Eating is something political”
- Seite 81 und 82: „Das Wissen über traditionelle A
- Seite 83 und 84: Fischbesteck, Werbung für Seetang,
- Seite 85 und 86: Artwork: Július Koller 85
- Seite 87: “We also see our collecting strat
- Seite 91 und 92: “The history of contemporary art
- Seite 93 und 94: ZIT www.tranzit.org TRANZ 93
- Seite 95 und 96: TRANZIT PROGRAMME 2002-2009. EXHIBI
- Seite 97 und 98: Lenka Kohoutová, Július Koller, S
- Seite 99 und 100: THE TRANZIT PROGRAM AUTUMN / WINTER