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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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ihre Label bei einem breiten Publikum bekannt machen können. Ein grosses Publikum<br />

wird heute mit TV-Übertragungen erreicht, und die Werbung kommt besser<br />

an, wenn sie neben viel nackter Frauenhaut platziert werden kann. Deshalb haben<br />

Eishockeyanerinnen wenig Chancen auf grosse Sponsoren und Fernsehübertragungen,<br />

Eistänzerinnen hingegen können gut mithalten, ihre Turniere sind oft am TV zu<br />

sehen. Publikum und Sponsoren sind zufrieden.<br />

Im Iran ist es genau umgekehrt. Es gibt bei internationalen Turnieren keine iranischen<br />

Frauenteams in Fussball, Basketball oder Tennis. Der Grund: Iranische Männer<br />

dürfen keine iranischen Frauen in Shorts sehen. «Bei Spielen in Sportarten, in<br />

denen sie angemessen gekleidet sind, dürfen sie jedoch mitmachen», schreibt die<br />

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in ihrem März-Magazin.<br />

So dürfen iranische Frauen an internationalen Wettkämpfen in Karate, Schiessen,<br />

Skilaufen, Rudern und Kajak-Fahren teilnehmen. Ob Spitzensport im iranischen<br />

Fernsehen gezeigt oder von europäischen TV-Stationen übertragen wird, hängt <strong>vor</strong><br />

allem davon ab, was von den Frauen zu sehen ist, und nicht von deren Leistung.<br />

Allen Beispielen ist gemeinsam, dass <strong>Sportlerinnen</strong> auf ihre Sexualität reduziert<br />

werden. Leistungen und Fähigkeiten sind dagegen nicht wichtig.<br />

102 Zeigt her eure Muskeln!<br />

auch ohne bauchfreies Top Unterstützung. Dieser Wandel jedoch bedingt auch ei- 103<br />

Es hat sich dennoch etwas verändert in den vergangenen Jahren. Früher waren Frauen<br />

beinahe ausschliesslich in klassischen Sportarten zu sehen: Beim Eiskunstlauf<br />

oder beim Bodenturnen etwa wetteiferten junge feingliedrige Frauen. Nun dürfen<br />

Frauen auch einmal ihre Muskeln zeigen, wie es etwa Brandi Chastain beim WM-<br />

Sieg der US-Fussballerinnen tat. Auch die Beachvolleyball-Olympiasiegerinnen<br />

Kerry Walsh und Misty May (USA) können zwischen ihrer Bikini-Hose und dem<br />

Top mit einem ordentlichen Six-Pack aufwarten. Nach wie <strong>vor</strong> gilt aber: Die Frau ist<br />

schwächer als der Mann. Das lässt sich leicht nachprüfen. Männer rennen schneller,<br />

werfen weiter, springen höher als Frauen. Noch. Dass die Männer stärker sind, ist<br />

jedoch nicht naturgegeben, sondern das Ergebnis der Sozialisation. Das zeigt Colette<br />

Dowling in ihrem Buch «Hürdenlauf. Frauen, Sport und Gleichberechtigung». Im 19.<br />

Jahrhundert beispielsweise riet der Mediziner Thomas Emmet jungen Frauen, «das<br />

Jahr <strong>vor</strong> und zwei Jahre nach der Pubertät ruhend zu verbringen.» Er warnte, dass bei<br />

übertriebener sportlicher Betätigung die Genitalorgane zur Verkümmerung neigten.<br />

Frauen wurden so über die Jahre schwach gehalten. Untersuchungen zeigen, dass Eltern<br />

ihre Kleinkinder auch heute unterschiedlich behandeln. Knaben werden eher zu<br />

Sport animiert und unterstützt als Mädchen. Wenn ein Knabe herumtollt, läuft und<br />

rennt, ist er lebendig, ein Mädchen dagegen wird oft dazu angehalten, sich ruhiger zu<br />

verhalten und mit Puppen zu spielen. Ein Experiment im Rahmen einer Studie zeigt<br />

dies deutlich: Zwischen einem 2-jährigen Kind und dessen Eltern wurde eine kleine<br />

Olympe 21/05<br />

Mauer aus Kissen aufgebaut. Nun mussten die Eltern dafür sorgen, dass die Kinder<br />

die Mauer überwanden, um zu ihnen zu kommen. Die Jungen wurden von den Eltern<br />

ermutigt, darüberzuklettern, die Mädchen hingegen wurden über die Kissenmauer<br />

gehoben. So ist es nicht erstaunlich, dass sich die Muskeln der Knaben besser entwickeln.<br />

Der Junge wird kräftiger als das Mädchen. Es gibt Ausnahmen: 1973 siegte<br />

die Tennisspielerin Billie Jean King gegen Bobby Riggs. 30'000 ZuschauerInnen im<br />

Stadion und 50 Millionen am Fernsehen verfolgten dieses legendäre Spiel, welches<br />

den Time-Kommentator sich zur Aussage hinreissen liess: «Die Revolution im Frauensport<br />

ist im vollen Gange und krempelt alles um.»<br />

Gleich schnell rennen<br />

Bis die Frauen in allen Sportarten gleich leistungsfähig sind wie die Männer, wird<br />

es wohl trotzdem noch ein paar Jahre dauern. Wie andere Bereiche kann auch der<br />

Sport nicht isoliert betrachtet werden. Die Gleichberechtigung der Geschlechter<br />

im Sport hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel Erziehung, Förderung von<br />

Frauen und jungen Mädchen und auch von der Akzeptanz der starken, muskulösen<br />

und selbstbewussten Frauen in der Gesellschaft. Wird eine Sportlerin primär über<br />

ihre Fähigkeit wahrgenommen und nicht über die sexuelle Konnotation, findet sie<br />

nen Wandel der Kultur respektive der Gesellschaft. Was fürs Berufsleben gilt, zählt<br />

auch bei der Spitzensportlerin. Eine Managerin darf zwar in Bluse oder Jacke, aber<br />

nicht im bauchfreien Top <strong>vor</strong> ihren Verwaltungsrat treten. Sie muss, denn zuviel Sex-<br />

appeal stellt ihre Glaubwürdigkeit in Frage. Wenn sie also die als typisch weiblich<br />

überlieferten Werte wie schön, emotional und tugendhaft hinter sich lässt, hat sie bessere<br />

Chancen, Karriere zu machen. Die Sportlerin hingegen tut noch gut daran, ihren<br />

Körper zu zeigen und öffentlich gemeinsam mit ihrem Trainer aufzutreten. Wenn<br />

feministische Anliegen von der Gesellschaft aufgenommen und umgesetzt würden,<br />

käme auch der Ruf nach einem ausgeglichenen Sportprogramm am Fernsehen. Dann<br />

müssten die Sponsoren sich auch mit Eishockeyanerinnen auseinander setzen.<br />

lola turnt<br />

Im Breitensport ist die Gleichberechtigung erreicht. Mindestens was die Zahlen betrifft:<br />

Frauen rennen, schwimmen, tanzen, fahren Ski wie noch nie. Laut einer Umfrage<br />

des Zürcher Sportamtes ist der Anteil der Frauen an der sporttreibenden Bevölkerung<br />

gleich gross wie der Anteil der Männer. Frauen ab 40 sind sportlich aktiver<br />

als Männer im gleichen Alter. Allerdings unterscheiden sich die be<strong>vor</strong>zugten von<br />

Frauen respektive Männern betriebenen Sportarten: Hans spielt lieber Fussball und<br />

treibt anderen Wettkampfsport, Lola turnt, tanzt und geht ins Fitnesscenter. Fussball<br />

figuriert erst auf Platz 11 der unter Frauen beliebtesten Sportarten. Frauen nutzen die

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