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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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en. Deren Initiationspfade sind mitunter länger und weniger geradlinig, sie können<br />

jedoch auch in den Fanblock führen. Die Biografien von weiblichen Fans, die seit<br />

Jahren ins Stadion gehen, ihren festen Platz und ihre Bezugsgruppe haben, sind in<br />

der Regel die Geschichten einer solchen gelungenen Assimilation: «Wir können uns<br />

genauso aufregen, mitbrüllen und Lieder singen wie die Jungs. Wir machen alles<br />

mit, wir grölen, wir freuen uns und springen rum, wenn ein Tor fällt, und stöhnen<br />

beim Fehlpass.»<br />

Frauen, die diesen Weg gehen, brauchen Ellenbogen, um sich durchzusetzen – im<br />

wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Zu den Regeln der «männlichen Grammatik»<br />

gehört zudem mitunter auch Akzeptanz oder sogar Unterstützung von sexistischen<br />

Diskriminierungen, die bei den gleichen Frauen ausserhalb des Fussballumfeldes<br />

auf mehr Protest stossen würden. Der Status, den sie erreichen, ist der eines<br />

Kumpels unter Kumpeln, eines anerkannten Fans im Boys' Club, dessen Geschlecht<br />

keine Rolle mehr spielt. Das traditionelle Fussball-Outfit – Jeans, XXL-Trikot, damit<br />

man gegebenenfalls noch einen dicken Pulli drunter tragen kann, und Vereinsschal<br />

– neutralisiert die Körperform und lässt äusserliche Geschlechtsdifferenzen<br />

zurücktreten.<br />

Die Angleichung in Erscheinung und Verhalten ist vielleicht auch ein Grund für das<br />

Untergehen weiblicher Fans in der vermeintlich männlichen Stadionmasse. Sie sind<br />

keine leicht bekleideten Sambatänzerinnen mit glitzerndem Kopfschmuck, sondern<br />

erst auf den zweiten Blick als Frauen oder Mädchen erkennbar. Es mag Unterschiede<br />

zwischen männlichen und weiblichen Fans geben (Frauen sind meist nicht sehr<br />

statistikinteressiert, sie trinken in der Regel weniger, ihre Kommentare sind eventuell<br />

etwas weniger aggressiv und dafür empathischer), aber die Gemeinsamkeiten<br />

überwiegen die Differenzen bei weitem.<br />

Diese Variante weiblichen Fanlebens orientiert sich an der <strong>vor</strong>gefundenen Fussballkultur,<br />

und die Frauen und Mädchen, die sie praktizieren, erleben sich selbst als<br />

vollwertige Mitglieder dieser Kultur. Sie gehen am Samstagnachmittag vielleicht als<br />

Frauen zu Hause los, im Stadion jedoch sind sie <strong>vor</strong> allem Fans.<br />

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fussball goes pop<br />

Für die Beziehung von Frauen zum Fussball ist jedoch nicht nur entscheidend, dass<br />

sie sich hier in eine Männerdomäne begeben. Männerfussball ist zudem ein Ereignis,<br />

in dessen Inszenierung die hegemonialen Blickkonstellationen potenziell verkehrt<br />

werden. Das wahrscheinlich am häufigsten abgebildete Motiv in unserer Kultur ist<br />

das einer spärlich bekleideten, attraktiven Frau, die dem männlichen Blick dargeboten<br />

wird. Sport – und natürlich insbesondere Fussball als europäischer National-<br />

und Männersport per se – durchbricht diese Regel. Man kann seinen Akteuren<br />

und Organisatoren nicht unterstellen, dass ein solches Rütteln am patriarchalen<br />

Olympe 21/05

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