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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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Zu dieser Ausgabe<br />

«Höher zu klettern als ein Kamerad, einen anderen unterzukriegen<br />

heisst: seine Überlegenheit über die ganze Welt zu bestätigen. Ein derartiges<br />

Draufgängertum ist dem Mädchen verwehrt. Kein Vertrauen<br />

mehr zu seinem Körper haben heisst, sein Selbstvertrauen verlieren.<br />

(…) Lasst die Frau nur schwimmen, Klettertouren machen, ein Flugzeug<br />

steuern, gegen die Elemente ankämpfen, Gefahren und Abenteuer<br />

bestehen, und sie wird <strong>vor</strong> der Welt die Furchtsamkeit, von der ich<br />

eben sprach, nicht empfinden.»<br />

Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht<br />

Die Olympe nimmt das UNO-Jahr des Sports und der Sporterziehung zum Anlass,<br />

einen kritischen Blick auf den Sport und die Sportberichterstattung zu werfen. Sport<br />

hat stark normativen Charakter und ist eine zentrale Instanz, was die Ausbildung<br />

der Geschlechtsidentität und die Reproduktion der Geschlechterordnung anbelangt.<br />

4 Im Sport sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern immer noch beträchtnikova<br />

ist der bestverdienende weibliche Tennisstar, obwohl sie keinen einzigen 5<br />

lich, überholte Rollenklischees halten sich hartnäckig. Dabei ist der Sport nicht<br />

nur Spiegel der Gesellschaft, sondern auch ein Ort, wo Geschlechter stereotypen<br />

gebildet und zementiert werden. Der Sport bildet das Verhältnis der Geschlechter<br />

nicht nur ab, sondern rechtfertigt es auch. Soziale Unterschiede werden auf biologische<br />

zurückgeführt, wie etwa die körperliche Überlegenheit des männlichen starken<br />

Geschlechts über das weibliche schwache. Heute, wo sich die Trainingsbedingungen<br />

der Frauen denjenigen der Männer angepasst haben, haben sich die Leistungsunterschiede<br />

zwischen den Geschlechtern signifikant verringert.<br />

Die Geschichte des Frauensports ist bewegt – von seinen Anfängen bis heute. Seit<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts kämpfen Frauen um das Recht auf sportliche Betätigung.<br />

Sport war und ist ein «grosser Trainingsplatz für die Aufholjagd der Frauen<br />

in ihrem Streben nach Gleichberechtigung» 1 . Wie sehr die Geschichte des Frauensports<br />

mit der Frauenemanzipation verknüpft ist, illustriert das folgende Beispiel:<br />

Ein Jahr nachdem in der Schweiz das Frauenstimmrecht eingeführt wurde, wurde<br />

auch das Mädchenturnen dem Bubenturnen gleichgestellt. Wenn Frauen Sport treiben<br />

wollten, konnten sie dies lange Zeit nur innerhalb des eng gesteckten Rahmens<br />

der Gesundheits<strong>vor</strong>sorge, nicht zuletzt im Hinblick auf eine künftige Mutterschaft,<br />

tun. Vom Wettkampf blieben sie weit bis ins 20. Jahrhundert ausgeschlossen. Doch<br />

inzwischen haben die Frauen rasant aufgeholt: Frauen und Männer treiben mittlerweile<br />

mit der selben Häufigkeit Sport. An der letzten Olympiade betrug der An-<br />

Olympe 21/05<br />

teil der <strong>Sportlerinnen</strong> über 40%. Die starke Zunahme von Frauen im Breiten- und<br />

Spitzensport in den letzten fünfzig Jahren wird als «die grösste Veränderung im<br />

Sportsystem» bezeichnet 2 .<br />

Doch obwohl Frauen sowohl als Akteurinnen als auch als Konsumentinnen beinahe<br />

alle Sportarten erobert haben und der Frauenanteil in Sportvereinen inzwischen<br />

über 40% beträgt, sind die Entscheidungsgremien im ehrenamtlichen wie im professionellen<br />

Bereich immer noch fest in Männerhand. Auf der Ebene von Trainern<br />

und Sportfunktionären sind Frauen nach wie <strong>vor</strong> sehr schlecht vertreten. Die Sportbeilagen<br />

der Tageszeitungen zeichnen ein ähnlich tristes Bild, was den Frauensport<br />

anbelangt. <strong>Sportlerinnen</strong> kommen in der Sportberichterstattung kaum <strong>vor</strong>. Medienauswertungen<br />

belegen, dass nur gerade knapp ein Zehntel aller Beiträge Frauensport<br />

thematisieren. Die traditionellen Männersportarten wie Fussball, Eishockey,<br />

Rad- und Motorsport stehen im Rampenlicht der nationalen und internationalen<br />

Sportberichterstattung, über Frauensportarten wird nur am Rand berichtet. In der<br />

Regionalsportberichterstattung sieht das Bild ähnlich aus.<br />

Wenn <strong>Sportlerinnen</strong> Eingang in die Medien finden, dann zudem meist nicht wegen<br />

ihrer sportlichen Leistungen. Spielerinnen wie Anna Kournikova zeigen, dass bei<br />

<strong>Sportlerinnen</strong> das Aussehen höher gewertet wird als der sportliche Erfolg. Kour-<br />

Turniersieg <strong>vor</strong>weisen kann. Neben den Medien und der Wirtschaft machen auch<br />

die Sportverbände Druck auf die <strong>Sportlerinnen</strong>, sich möglichst attraktiv zu präsentieren.<br />

Von einer echten Gleichstellung im Sport sind wir noch weit entfernt. Dies zeigt<br />

sich nicht zuletzt daran, wie schwer es auch heute noch für Frauen ist, in lukrative<br />

und prestigeträchtige Männersportarten einzudringen. Doch die Aufholjagd der<br />

Frauen geht weiter. Immer mehr Mädchen und Frauen dringen in eine der letzten<br />

Männersportbastionen ein: den Fussball. Erst kürzlich hat Fifa-Chef Sepp Blatter<br />

die Zukunft des Fussballs als weiblich bezeichnet. Im April dieses Jahres fand unter<br />

eben diesem Motto in Deutschland der erste Frauen- und Mädchen-Fussballkongress<br />

statt. Damit <strong>Sportlerinnen</strong> nicht nur in Bezug auf Teilnahme, sondern auch in<br />

Bezug auf gesellschaftliche Anerkennung, mediale Präsenz und öffentliche Gelder<br />

mit ihren Kollegen gleichziehen können, ist eine kritische Auseinandersetzung mit<br />

dem Sportgeschehen unabdingbar.<br />

Martina Buzzi, Sandra Meier, Anna Sax, Susi Wiederkehr<br />

1 Jutta Deiss, Frauen in Bewegung, http://www.frauen-aktiv.de/aktiv/9/seite3.php<br />

2 Markus Lamprecht, Hanspeter Stamm, Sport zwischen Kultur, Kult und Kommerz, Zürich 2002, S. 96.

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