Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?
Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?
Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
eine Farbe Spieler konzentriert, in diesem Fall auf die roten mit dem schwarzen<br />
Schriftzug. Man muss nicht unbedingt wissen, was sie genau machen auf diesem<br />
matschigen Grün. Nur mitfiebern.<br />
Ich glaube, sie haben sogar gewonnen. Trotz der Sache mit dem Eigengoal.<br />
Sie haben gewonnen? Nein, WIR haben gewonnen. Ich mit – die ich auf fliegende<br />
Bälle mit Panik reagiere, zusammenzucke, den Kopf einziehe, manchmal zur Seite<br />
springe – ich habe mitgewonnen.<br />
84<br />
Ich glaube, ich war in der dritten Klasse, als mir zum ersten Mal die gesellschaftliche<br />
Bedeutung des Fussballspiels aufging. An einem dieser Nachmittage, an denen meine<br />
sogenannt beste Freundin plötzlich beschloss, ich hätte nicht neben ihr, sondern<br />
drei Meter hinter ihr den Heimweg anzutreten. So etwas passierte immer wieder<br />
mal. So trottete ich im sicheren Abstand hinter ihr her, an Wiesen, Kreuzungen,<br />
Unterführungen, Überbauungen <strong>vor</strong>bei, es kam mir nicht in den Sinn, sie zu überholen,<br />
oder abzukürzen oder einen ganz anderen Weg zu gehen. Brav hielt ich den<br />
<strong>vor</strong>geschriebenen Abstand ein und hoffte, dass ich mich so wieder in ihre Gnade<br />
schmeichelte. Das konnte funktionieren oder auch nicht – ich würde es erst am<br />
nächsten Morgen wissen, wenn ich an ihrer Türe klingelte.<br />
Dann kamen wir am Fussballfeld <strong>vor</strong>bei. «Unsere» Buben spielten gegen die der<br />
Parallelklasse. Irgendjemand rief etwas, und ich blieb stehen, lehnte mich an den<br />
85<br />
Maschendraht, gab <strong>vor</strong>, zuzuschauen. Das Mädchen zog weiter und war bald aus<br />
meinem Blickfeld verschwunden. Und dann schaute ich wirklich zu: Das waren dieselben<br />
Buben, die sich auf dem Schulweg verprügelten, ineinander verkeilt die Hänge<br />
herunterkugelten, die sich mit überschlagenden Stimmen Schimpfworte nachriefen,<br />
die sie nicht verstanden. Und dann zusammen Fussball spielten. Zusammen<br />
gegen die anderen.<br />
chen. In dem Kämpfe leise ausgetragen wurden, zischend, oder nur mit Blicken, mit<br />
Schweigen. In dem die Regeln täglich änderten. Das der Willkür der paar coolen,<br />
allgemein beliebten Mädchen ausgeliefert war.<br />
In diesem einen Augenblick wollte ich ein Bub sein. Wollte ich Fussball spielen.<br />
Dann flog ein Ball in meine Richtung, und ich zuckte zurück. Der Ball prallte gegen<br />
den Maschendraht.<br />
Das schreibt Johanna Aeschbach aus Basel, Patentochter und angehende Spitzensportlerin:<br />
«Das beste am Fussball ist natürlich, seinen Lieblingsspieler im Stadion<br />
«Dann geht sie ins Fussball ...»<br />
sehen zu dürfen. Meiner ist Zidane. Schön ist es, ein Tor zu schiessen. Am Hallen-<br />
Später – mit dem Leben als Mädchen so weit versöhnt – waren es die WM-Bars,<br />
turnier habe ich von der Mittellinie aus ein Tor geschossen. Eine Geschichte: Ein<br />
in denen wir uns trafen und die eigentlich nur aus einem Wohnzimmer bestanden<br />
Mädchen ist nicht sportlich. Sie hat Probleme in ihrer Klasse. Dann geht sie ins<br />
und sechs oder sieben aufeinander gestapelten Fernsehern. Damals kannte ich den<br />
Fussball. Sie kriegt da neue Freundinnen und ist im Tor nicht schlecht, weil nicht so<br />
Trick, mich auf eine Trikotfarbe zu konzentrieren, noch nicht und langweilte mich<br />
viel Mädchen Fussball spielen. Und Mädchen klüger spielen als Buben und weniger<br />
halb zu Tode. Dafür erinnere ich mich an langwierige Dramen, flüsternd in der<br />
grob.»<br />
Küche ausdiskutiert oder im Bad <strong>vor</strong> dem Spiegel, um das Spiel nicht zu stören.<br />
Die Buben waren nicht mehr Buben, sie waren eine Mannschaft. Das Fussballfeld<br />
Hoffnungsvolle junge Frauen, die sich zweieinhalb Stunden lang zurechtgemacht<br />
war der Boden, auf dem sie sich immer wieder fanden. Auf dem sie einiges sicherer<br />
hatten, weil dieser oder jener eventuell auftauchen würde. Und wenn wir da so<br />
standen als wir. Und dann waren sie wieder Buben, und dann wieder eine Mann-<br />
standen oder sassen, ein Dosenbier (das wir nicht mochten) in der Hand, unbequem<br />
schaft. Das schien mir doch deutlich weniger kompliziert als ein Leben als Mäd-<br />
auf Absätzen schwankend und absolut unbeachtet, überfiel es mich wieder, dieses<br />
Olympe 21/05