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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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Im ersten Fall gibt die Sportlerin ihre Karriere auf, im zweiten wird das ganze<br />

Leben auf das System des Sports verengt: «Training, Schlafen, Essen – ich Basketballspielerin.»<br />

18 Als weitere Möglichkeit bietet sich an, die «Weiblichkeit»<br />

besonders zu betonen. Acht von zehn deutschen männlichen Fernsehzuschauern<br />

sehen sich Frauensport in erster Linie wegen der erotischen Ausstrahlung an<br />

und nicht wegen der Leistung. Dies ergab eine Ted-Umfrage unter Zuschauern<br />

des WDR-Sportmagazins 1996. 19 Diese Einsicht machten sich etwa australische<br />

und spanische Fussballerinnen zunutze, die sich hüllenlos ablichten liessen, um<br />

zu zeigen, «dass auch Fussballerinnen attraktiv aussehen können». Die Wirkung<br />

blieb nicht aus: «Bislang hat sich niemand für uns interessiert, jetzt rufen immer<br />

mehr Radio- und Fernsehstationen an.» 20<br />

Zwischen nichtexistenz und Skandal<br />

Auch Sportberichterstattung ist eine Männerdomäne – <strong>Sportlerinnen</strong> kommen darin<br />

wesentlich seltener <strong>vor</strong>. Da erstaunt es nicht, wenn Berichte über Partnerinnen<br />

von bekannten Sportlern einen grösseren Raum einnehmen als alle Artikel, die sich<br />

mit <strong>Sportlerinnen</strong> beschäftigen. 21 Während der Regionalsport bei Männern einen<br />

grossen Stellenwert hat, werden <strong>Sportlerinnen</strong> in der Regel erst dann ernst genom-<br />

112 men, wenn sie international erfolgreich sind. Zudem ist der Bezug zur weiblichen<br />

daran fragwürdig sein, wenn über 20-jährige Spielerinnen zusammenleben? Dass 113<br />

Geschlechterrolle oft Bestandteil der Berichterstattung: Aussehen, Alter, Familienstand<br />

und soziale Beziehungen von <strong>Sportlerinnen</strong> rücken häufig in den Vordergrund.<br />

22 Sportlich erfolgreiche Frauen sind akzeptiert, wenn sie <strong>vor</strong> allem «Weiblichkeit»<br />

ausstrahlen, was immer automatisch Heterosexualität einschliesst. Das macht<br />

sie heute auch zu guten Werbeträgerinnen. Umgekehrt sind lesbische <strong>Sportlerinnen</strong><br />

für Sponsoren offenbar wenig interessant. 23 Und die Medien berichten hauptsächlich<br />

dann über lesbische <strong>Sportlerinnen</strong>, wenn sie einen «Skandal» wittern. Ansonsten<br />

existieren Lesben nicht oder werden in der Öffentlichkeit zumindest nicht wahrgenommen.<br />

Das bringt die betroffenen <strong>Sportlerinnen</strong> in eine Zwickmühle: Sollen sie<br />

sich zu erkennen geben und riskieren, deswegen in die Schlagzeilen zu geraten, oder<br />

sich darauf berufen, ihre sexuelle Orientierung sei Privatsache? Besonders perfide<br />

wird es, wenn mit der Angst und dem Vorurteil operiert wird, lesbische <strong>Sportlerinnen</strong><br />

würden sich an junge Mädchen heranmachen. Dabei dürfte die Gefahr, dass ein<br />

Trainer seine jugendlichen Schutzbefohlenen missbraucht, wesentlich realer sein. 24<br />

Mitte der 1990er Jahre geriet ein Ostschweizer Frauenhandballklub in die Schlagzeilen<br />

25 : Ein Teil der Spielerinnen war lesbisch, einige Frauen wohnten zu zweit<br />

zusammen. Der Trainer spielte die Heteras im Team gegen die Lesben aus: Die<br />

«Sensiblen und Guten» gegen die «Harten und Schlechten», wie sich eine ehemalige<br />

Spielerin ausdrückt. Der Trainervertrag wurde nicht mehr verlängert, weil sein<br />

Führungs- und Trainingsstil umstritten war. Der Trainer lastete dies den lesbischen<br />

Olympe 21/05<br />

Spielerinnen an und brachte einen Teil des Teams dazu, den Klub zu verlassen.<br />

Und er ging an die Presse: Da war die Rede von «Abhängigkeiten», und Zeitungsberichte<br />

suggerierten, dass junge Handballerinnen gezielt psychologisch beeinflusst<br />

und «umgepolt» würden. Zweideutig wurde offen gelassen, «ob sich diese Verbindungen<br />

ebenfalls auf den körperlichen Bereich ausdehnten». Ein Artikel gipfelte in<br />

folgender Erkenntnis: «Lesben im Frauenhandball sind zwar nichts Neues, aber für<br />

solche Behauptungen auch den Beweis zu erbringen, ist in diesem Fall unmöglich.<br />

Doch derartige Wohngemeinschaften ... sind höchst fragwürdig.» 26 Nur: Was soll<br />

sie möglicherweise lesbisch sind? Und weshalb müsste das bewiesen werden? Nach<br />

der Logik des Schreibers wohl, weil von lesbischen Spielerinnen an sich eine Gefahr<br />

für junge Spielerinnen ausgeht, in «Abhängigkeiten» zu geraten und sexuelle<br />

Übergriffe erdulden zu müssen. Die betroffenen Handballerinnen blieben stumm<br />

und waren unfähig, sich zu wehren. «Wir wurden an die Öffentlichkeit gezerrt und<br />

waren ausgestellt wie auf dem Viehmarkt», erinnert sich eine Spielerin. Die damalige<br />

Präsidentin des Klubs sagt heute: «Was hätten wir damals machen können? Alles<br />

tönte nach Rechtfertigung, aber da gab es nichts zu rechtfertigen. Unsere Lebensführung<br />

ging die Presse nichts an. Heute würde ich anders reagieren, aber damals<br />

waren wir noch nicht so weit.» Und da war auch die allgegenwärtige Angst, der<br />

«Skandal» könnte negative Auswirkungen auf den Verein haben, der auf Sponsorengelder,<br />

Mitglieder und junge Spielerinnen angewiesen war. Diese Angst erwies<br />

sich im Nachhinein als unbegründet: Jedenfalls geht es dem Klub heute prächtig.<br />

Ein bekanntes Beispiel ist jenes des Frauenfussballteams Wettswil-Bonstetten: Der<br />

Vorstand löste das Frauenteam 1994 kurzerhand auf, weil einige Frauen lesbisch<br />

waren. Zur Begründung wurde angeführt, der Verein werde «ausgenützt für das<br />

Ausleben von abnormalen Veranlagungen». Es bestehe die Gefahr, dass dadurch<br />

«Minderjährige gefährdet sind» 27 . Das gesamte Team gelangte an die Öffentlichkeit<br />

und wehrte sich: Die Medien stürzten sich darauf, und für kurze Zeit sorgte der<br />

«Sex-Skandal» im Damenfussballklub für Schlagzeilen im In- und Ausland. Dabei

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