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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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sah, wie sie im Ziel mit den Eltern ihren Sieg feierten, malte ich mir schon aus, wie<br />

das sein würde. Später. Wenn sie’s denn wirklich schaffen sollte.<br />

Doch der Weg dahin war weit. Und hart. Schon bald stellte sich die Frage, ob wir<br />

uns wirklich für eine Skikarriere unserer Tochter entscheiden sollten. Wir. Alle. Die<br />

ganze Familie. Martina musste bedingungslosen Einsatz versprechen, wir das Geld<br />

und die Zeit zur Verfügung stellen, der Bruder auf eine ähnliche Karriere verzichten<br />

(was ihm allerdings leicht fiel, weil er zwar gerne Ski fuhr, die nötige Disziplin<br />

für diese Art von Job aber nie aufgebracht hätte). Es folgten Familienkonferenzen,<br />

an denen Gordon seine Freude gehabt hätte, Diskussionen, Streitgespräche. Als<br />

Trainerin hatte ich immer wieder gesehen, wie Karrieren hoffnungsvoll begannen<br />

und dann scheiterten, wie Kinder zu Jugendlichen heranwuchsen, die plötzlich die<br />

Nase voll hatten – und dann zum Weitermachen gezwungen wurden, «weil wir ja<br />

schliesslich schon so viel investiert haben». Ein Ja zum Spitzensport kam für mich<br />

nur unter einer Bedingung in Frage: «Martina muss aufhören dürfen, wenn sie das<br />

will. Ohne Rücksicht darauf, wie viel das Ganze bis dahin gekostet hat.»<br />

Jahre später wurde das Versprechen eingelöst. Nach dem Gespräch im Badezimmer,<br />

nach vielen Telefonaten, Diskussionen. Sie durfte aufhören. Ohne Wenn und Aber.<br />

Dazwischen lagen intensive Jahre, Erfolge und Enttäuschungen, ein Familienleben,<br />

das sich fast ausschliesslich um FIS-Punkte und Rückstände, um Trainingsmethoden<br />

und Materialprobleme, um Vorbereitung auf und Verarbeitung von Skirennen<br />

drehte. Stundenplan, Ferien, Freitage und Familienfeste – alles wurde rund ums<br />

Skifahren organisiert. Kompromisslos. Ohne Pardon.<br />

Natürlich musste auch die passende Schule gesucht werden. Das Skigymnasium<br />

Stams sollte es sein. Ich fuhr mit Martina zur Aufnahmeprüfung nach Österreich,<br />

obschon uns <strong>vor</strong>her mitgeteilt worden war, dass in Engelberg ein Skigymnasium eröffnet<br />

werden sollte. Aber Stams war ungleich billiger – weil in Österreich der Staat<br />

für die Schule aufkommt und ausserdem war unsere Tochter für die Schule in Engelberg<br />

eigentlich ein Jahr zu alt. Sie schaffte die Aufnahmeprüfung ebenso wenig<br />

wie die meisten der anderen Schweizer Jugendlichen. Und besuchte wenig später<br />

mit ihnen die Sportmittelschule im Obwaldner Klosterdorf. Wie kurz darauf Fränzi<br />

Aufdenblatten und Silvan Zurbriggen. Noch heute bin ich nicht sicher, ob Maria und<br />

Konrad Staudinger – die in Stams die Aufnahmeprüfung beaufsichtigten und damals<br />

schon wussten, dass sie die Leitung der Schule in Engelberg übernehmen würden<br />

– bei der Selektion nicht doch ein wenig dafür sorgten, dass Engelberg genügend<br />

Schülerinnen und Schüler bekam … Zumal da<strong>vor</strong> die Schweizer Jugendlichen nie<br />

so schlecht abgeschnitten hatten, wie der Vater einer der Kandidatinnen süffisant<br />

feststellte. Aber natürlich war er auch Schweizer. Betroffener Vater. Parteiisch.<br />

Im Grunde spielte es auch gar keine Rolle. Staudingers gaben sich Mühe, lebten<br />

sich ein. Meine Tochter hatte Mühe. Mühe damit, nirgends mehr zu Hause zu sein,<br />

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Olympe 21/05

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