Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?
Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?
Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?
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geschlechtsspezifische gesellschaftliche Grenzen überschreitet, muss mit Negationen<br />
der Weiblichkeit resp. Männlichkeit rechnen sowie Reduktionen der Persönlichkeit<br />
und andere Diffamierungen über sich ergehen lassen.<br />
Frauen waren diesem Prozess im Verlauf des 20. Jahrhunderts in besonderem<br />
Mass ausgesetzt, weil die meisten und wichtigsten gesellschaftlichen, politischen,<br />
wirtschaftlichen Schlüsselpositionen männlich besetzt waren und Teile eines patriarchalischen<br />
Systems bildeten. Davon zeugen die kämpferischen Vorstösse der<br />
ersten Radfahrerinnen, Studentinnen, Politikerinnen, Soldatinnen ... – und eben<br />
Fussballerinnen. Über eine Zeitspanne von hundert Jahren wurden drohende oder<br />
bereits vollstreckte Terrainüberschreitungen in den Medien durch sexistisches<br />
Vokabular kommentiert, das als Ultima Ratio immer wieder aus den Schubladen<br />
geholt wurde.<br />
Die Leistungen dieser Pionierinnen verdienen grosse Anerkennung und haben der<br />
heutigen Generation Türen gebaut und diese teilweise schon geöffnet. Der engagierte<br />
Feminismus hat Ansprüche formuliert und Forderungen in die Tat umgesetzt.<br />
Die feministische Sichtweise bildet m.E. einen aktiven und massgeblichen Teil der<br />
ganzheitlichen Genderforschung. Das Forschungsobjekt «Geschlecht» an und für<br />
sich ist jedoch ebenso geschlechtsneutral wie stricken, eine Lampe montieren oder<br />
76 Fussball spielen.<br />
77<br />
Kinderfussball<br />
Die Vermittlung einer geschlechtsneutralen Optik gegenüber jedem Ballspiel<br />
beginnt im schulischen Sportunterricht. Das spezifische Fachverständnis muss<br />
dabei schon bei der Ausbildung von Lehrern und <strong>vor</strong> allem Lehrerinnen einfliessen.<br />
Eine Sportlehrerin, welche einer Schulklasse beispielsweise einen sauber<br />
ausgeführten Fallrückzieher <strong>vor</strong>zeigen kann, hinterlässt einen bleibenden Eindruck<br />
bei Mädchen und Buben. Der Sportsoziologe Arnaud prägte den Begriff<br />
«Iso-Sexismus», der den historischen Trend der sportlichen Betätigung und der<br />
physischen Erziehung in Richtung einer zunehmenden Uniformität der männlichen<br />
und weiblichen Rollen beschreibt. 10<br />
Eine der grössten Errungenschaften des Schweizerischen Fussballverbandes<br />
(SFV) in Sachen Frauenfussballförderung ist m.E. die Einführung des Begriffs<br />
«Kinderfussball». Die Mädchenkategorie namens «Piccola» wurde dabei gestrichen.<br />
Diese strukturelle und ideologische Öffnung ermöglicht Mädchen<br />
heute, mit Knaben bis ins C-Junioren-Alter in gemischten Teams zu spielen.<br />
Da die Kraftunterschiede bei Kindern noch nicht so ins Gewicht fallen, hängt<br />
das fussballerische Können im Kindesalter weniger vom Geschlecht als von<br />
Trainingsintensität und Talent ab. 11 ziehen lassen, soll er ihm nachjagen können. Die Zukunft und die Akzeptanz<br />
des Frauenfussballs liegen in der Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit des<br />
Kinderfussballs.<br />
Wandel in und dank der Werbebranche<br />
In der heutigen Konsumgesellschaft sorgen zahlreiche Faktoren für einen allmählichen<br />
Wandel des Geschlechterrollenverständnisses, wobei insbesondere die durch<br />
die Medien transportierte Werbung zu beeinflussen versteht.<br />
Seit der für die USA besonders erfolgreichen Frauenfussball-WM 1999 veränderte<br />
sich die Haltung der Medien gegenüber dem Frauenfussball markant. Dieses Phänomen<br />
muss sicherlich auch in Zusammenhang mit dem «Amerikanisierungstrend»<br />
in den Bereichen Mode, Kino, Musik, TV-Serien, Alimentation usw. – <strong>vor</strong> allem der<br />
jüngeren Generation – gebracht werden.<br />
Das massgeschneiderte «Soccer-Outfit» der berühmten Barbie-Puppe, das 2002 im<br />
Angebot von Schweizer Warenhäusern stand, wird eine neue Mädchengeneration<br />
prägen und ihr nahes Umfeld sensibilisieren und beeinflussen. Bisher trug die<br />
langbeinige Blondine einen Tennisdress oder präsentierte sich auf dem Pferd, im<br />
Badekleid oder als Eiskunstläuferin. Der amerikanische Barbie-Hersteller setzte<br />
mit seinem Produkt neue Massstäbe und exportierte somit auch das in den USA<br />
akzeptierte und sogar propagierte Frauenbild einer Fussball spielenden Schönheit.<br />
Der Sportkonzern Nike konnte nach der Weltmeisterschaft 1999 dank dem Frauenfussball<br />
sogar einen neuen Artikel lancieren. Die US-Spitzenspielerin Brandi<br />
Chastain hatte nach ihrem Entscheidungstreffer ihr Gesicht <strong>vor</strong> Freude mit dem<br />
Trikot verhüllt, wobei der Sport-BH der oben genannten Firma ins Rampenlicht<br />
gerückt und tausendfach fotografiert wurde. Nike war in der Folge mit der Produktion<br />
und der Lieferung des begehrten Kleidungsstückes hoffnungslos überfordert<br />
und reagierte auf die überwältigende Nachfrage gleich mit einer neuen Kollekti-<br />
Interessiert sich ein Mädchen für das runde<br />
on. Das Magazin «Hebdo» griff diese Siegesgeste auf und wies mit einem grossen<br />
Leder, soll es kicken dürfen. Hat sich ein Knabe in den Bann des Fussballs<br />
Farbfoto einer ebenso jubelnden deutschen Nationalspielerin darauf hin, dass sich<br />
Olympe 21/05