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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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am Wochenende». Wir gruppierten uns zu Mannschaftsfotos und hätten es öd gefunden,<br />

wenn uns jemand als «Frauschaft» bezeichnet hätte. Im Museum für Gestaltung<br />

wird mir klar: Für den Fussball, den wir spielten, gab es keine Bilder.<br />

Das hätte auch ein Spielfilm wie «Bend It Like Beckham» nicht ändern können.<br />

Die anrührende Geschichte des pakistanischen Mädchens in London, das sich durch<br />

Fussball aus der traditionalistischen Familie befreit, ist so gedreht, dass jeder echten<br />

Fussballerin auffallen muss: Die Hauptdarstellerin kann gar nicht spielen. Die Szenen<br />

mit Ball wurden schnell geschnitten und mit he roischer Musik unterlegt, so dass<br />

es einen Moment lang so aussieht, als wirble das Mädchen mit dem Ball am Fuss an<br />

ihren GegnerInnen <strong>vor</strong>bei. Aber die Szenen wirken falsch. Die Heldin bewegt sich<br />

wie eine, die zu spät mit dem Training begonnen hat. Sie tritt nie kräftig auf und<br />

bleibt so leichtfüssig, dass ihr der Wechsel zum eleganten Mädchengang jederzeit<br />

möglich wäre. Das ist bei jenen Mädchen anders, die bereits in der Primarschule mit<br />

den Jungen zu sammen Fussball gespielt haben und <strong>vor</strong> der Pubertät einem Klub<br />

beigetreten sind. Sie haben sich auch den Reflex abgewöhnt, bei herannahendem<br />

Ball erschrocken die Arme hochzuwerfen.<br />

Während Fifa-Chef Sepp Blatter noch darüber nachdenkt, ob Frauen nicht doch<br />

lieber in kurzen Röckchen spielen sollten, tauchen seit einigen Jahren neue Bilder<br />

70 auf. Sie werden nicht in den wichtigen Sportsendungen ausge strahlt, aber es gibt<br />

zeigt ein peruanisches Mädchenteam auf 4000 Meter ü.M. beim Training, der Ball 71<br />

sie manchmal auf Eurosport nach Mitternacht und in Pub likationen für die neuen,<br />

kultivierten Fussballfans.<br />

1999 nahmen 90'000 ZuschauerInnen am Endspiel der Frauen-WM-Endrunde in<br />

den USA teil, unter ihnen war Präsident Clinton. Die amerikanische Profiliga war<br />

– be<strong>vor</strong> sie in finanzielle Nöte kam – das Ziel der Träume junger, europäischer Spielerinnen.<br />

In den USA gilt Fussball als Sport für Frauen und Nachkommen europäischer<br />

und lateinamerikanischer EinwandererInnen. Wahre Männ lichkeit beweist<br />

sich im American Football und im Baseball. Im Männerfussball liegen die US-amerikanischen<br />

Spielfelder im Abseits, dem Frauenfussball bescherten sie die ersten einigermassen<br />

regelmässigen Fernsehübertragungen. Aber <strong>vor</strong> dem Bildschirm stellt<br />

sich kein beglückender Wiederer kennungseffekt ein. Die Spielerinnen sind deutlich<br />

langsamer als erwartet, es braucht Zeit, sich auf den ruhigeren Rhythmus der Spiele<br />

einzulassen und die taktischen Finessen zu entdecken. Immer wieder begeistert<br />

ein technisches Glanzstück, aber langsam erstarkt der Verdacht, dass etwas mit der<br />

eigenen Erinnerung nicht stimmt. Die Schweizer Frauenfussball-Liga war in den<br />

80er Jahren unterklassig, an internationalen Klubturnieren hatten wir gegen Däninnen,<br />

Französinnen, Italienerinnen keine Chance. Mit den heutigen WM-Teams<br />

war unser Spiel nicht zu vergleichen. Und doch liefert die Erinnerung plötzlich nur<br />

noch schnelle Spielzüge, Heinz-Hermann-ähnliche Bewegungen und präzise Pässe.<br />

In der Erinnerung sind die bewunderten älteren Mitspielerinnen ausserordentlich<br />

Olympe 21/05<br />

schön und athletisch. Vor dem Bildschirm frage ich mich dauernd, ob es an den<br />

Tenues liegt, dass die meisten Spielerinnen im Fernsehen eher plump wirken. Sind<br />

die «Sportschau»-Berichte über meine jugendlichen Wunschträume direkt in die<br />

Erinnerung eingegangen? Oder hat sie die Wirklichkeit irgendwo gestreift? Hat<br />

sich das Glück über einen gelungenen Doppelpass in Altstetten innerlich mit den<br />

Nahaufnahmen der bewunderten Stars im Fernsehen verschmolzen?<br />

Neue Perspektiven eröffnet ein Bild aus dem Fotoband «Magnum Fussball». Schwarz<br />

verschleierte Frauen spielen in Teheran in einem Innenhof Fussball. Schwungvoll<br />

hebt eine den Fuss auf Kopfhöhe und trifft den Ball, drei weitere Frauen stehen<br />

beieinander und schauen zu, eine kichert, als geschehe hier etwas besonders Aufregendes.<br />

Im Hintergrund blickt eine ältere Frau mit Brille neugierig auf die Szene.<br />

Die Frau mit dem Fuss in der Luft schaut selbstbewusst dem Ball nach, ihre Augen<br />

lachen.<br />

Das Bild füllt einen Phantasieraum, der entstanden ist, als Iran an der WM 1998 die<br />

USA besiegte und in allen Zeitungen Berichte über die neue, von den religiösen<br />

Machthabern kritisch beäugte Fussballbegeisterung der jungen, iranischen Frauen<br />

erschienen.<br />

Zum Sportfeature-Bild 2004 wurde ein Foto von Daniel Silva Yoshisato gewählt. Es<br />

fliegt gerade an der Torhüterin <strong>vor</strong>bei in die linke untere Ecke. Mit ernstem Blick<br />

verfolgen etwa 15 schwarzbezopfte Mädchen in ebenso schwarzen Röcken und rosa<br />

Wollpullovern die Flugbahn. Einige stemmen die Arme in die Hüfte und sehen aus,<br />

als würden sie gleich eine Fachdiskussion über die Qualität dieses Penaltyschusses<br />

beginnen. Der Lehrer oder Trainer steht etwas hilflos daneben.<br />

Aus einem kroatischen Frauenkalender habe ich <strong>vor</strong> Jahren das Foto einer Frau bei<br />

der Ausführung eines Fallrückziehers ausgeschnitten. Der Boden ist auf dem Bild<br />

nicht zu sehen, der blonde Rossschwanz schwingt elegant in der Luft, während ein<br />

durchgestreckter Rist den Ball schon fast getroffen hat.<br />

Diese drei Bilder brauchen keinen Umweg über Beckham, Zidane oder Hermann,<br />

um die Befriedigung einer jungen Frau über ihre gelungene Aktion festzuhalten.<br />

Nichts gegen diese Spieler, aber der Spieltrieb von Mädchen und ihre Freude an der<br />

eigenen Geschicklichkeit, Ausdauer und Kraft sind Sujets, die lange gefehlt haben.<br />

Und ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich mir wünschen soll, dass sie sich zu einem<br />

Design verfestigen, das dann im Fernsehprogramm am Sonntagabend Platz hat.

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