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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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nicht sein», ereifert sich Peter Baumann. Und er ist sicher: Ein Männerteam, das<br />

gleich erfolgreich wäre wie die Frauen vom FC Zuchwil, würde trotz Geldmangels<br />

gefördert. Darum haben er und sein Team <strong>vor</strong> kurzem einen eigenen Fussballverein<br />

gegründet, den Frauenfussballclub FFC Zuchwil 05. Doch <strong>vor</strong>erst können sie unter<br />

dem neuen Namen nicht spielen.<br />

Keine Stimme im Vorstand, fehlende finanzielle Unterstützung, fehlende oder<br />

schlecht geeignete Trainingsplätze, von solchen Schwierigkeiten können auch andere<br />

Schweizer Frauenfussballclubs ein Lied singen. Zwei Schweizer Spitzenclubs<br />

hatten aus solchen Gründen schon <strong>vor</strong> einiger Zeit die Nase voll und trennten sich<br />

von ihrem Stammverein: Der <strong>vor</strong> kurzem gegründete FC LUwin.ch spielte einst als<br />

Frauenteam beim FC Sursee, der FFC Ruggell-Liechtenstein war eine Abteilung<br />

des FC Bad Ragaz. «Ja, es gibt im Frauenfussball eine gläserne Decke, einen Punkt,<br />

an dem sich die Frauen nicht weiterentwickeln können», bestätigt auch Béatrice<br />

von Siebenthal, Ressortchefin des Mädchen- und Frauenfussballs beim Schweizerischen<br />

Fussballverband SFV. Sie ist ausserdem Coach des Schweizer Frauen-<br />

Nationalteams und kennt die Schwierigkeiten kickender Frauen von Grund auf.<br />

Die Probleme beim FC Zuchwil sind auch aus ihrer Sicht keine Ausnahmeerscheinung.<br />

Wo auch immer Frauen in den traditionell männerdominierten Fussballclubs<br />

36 spielen und Erfolg haben, sind sie mit den gleichen finanziellen und strukturellen<br />

Doch immer mehr Schweizer Fussballerinnen sammeln im europäischen Ausland 37<br />

Problemen konfrontiert. Deshalb hält Damen-Nati-Trainerin von Siebenthal die<br />

Loslösung der Frauen von ihren Stammclubs in solchen Fällen für unumgänglich,<br />

obwohl sie den Alleingang grundsätzlich bedauert. «Ein grösserer, starker Stammclub<br />

könnte auch Vorteile bieten», erklärt sie, «so wie beispielsweise der SFV, dem<br />

die Frauen 1993 beitraten.» Zwar sind die Errungenschaften, welche von Siebenthal<br />

aufzählt, für eine Zeitspanne von über zehn Jahren nicht gerade revolutionär, aber<br />

immerhin gibt es einige erfreuliche Verbesserungen, die den Anstrengungen des<br />

SFV zu verdanken seien, wie von Siebenthal betont: so die Gründung des Frauen-<br />

Trainingszentrums Huttwil im vergangenen Jahr, das neue U-17-Nationalteam der<br />

Frauen sowie die Schaffung des Ressorts Mädchen- und Frauenfussball. Die für die<br />

Frauen unter den momentanen Umständen wohl wichtigste Errungenschaft betrifft<br />

jedoch «scheidungswillige» Frauenteams. Der Fussballverband hat für solche Fälle<br />

eigens das Wettspielreglement geändert: Frauenteams, die sich von ihrem Stammverein<br />

abspalten wollen, müssen im Gegensatz zu neu gegründeten Clubs nicht<br />

wieder ganz unten, in der 2.- oder 3.-Liga anfangen, sondern dürfen in der NLA<br />

weiterspielen. Ansonsten wäre die Aufbauarbeit mehrerer Jahre verloren, dauert<br />

es doch im besten Fall vier Jahre, bis sich ein Team aus der 3. Liga über die Nati-B-<br />

Mannschaft wieder auf Nati-A-Niveau heraufgearbeitet hat. Ein Abstieg liesse sich<br />

auch in einem weiteren Fall nicht verhindern. Dann nämlich, wenn der Stammclub<br />

– wie kürzlich der FC Servette – den Konkurs anmelden muss. Auch dann bliebe<br />

Olympe 21/05<br />

einem allfälligen Damenteam nichts anderes übrig, als von <strong>vor</strong>ne anzufangen. Ein<br />

zusätzlicher Grund also für ein Frauenteam, sich rechtzeitig auf eigene Füsse zu<br />

stellen.<br />

In den 1980er Jahren wurde erstmals das Phänomen «Cinderella-Komplex» – die<br />

Angst <strong>vor</strong> dem Erfolg – diagnostiziert und ausschliesslich Frauen zugeschrieben.<br />

Inzwischen scheint sich der Aschenbrödel-Tick aber auch auf das männliche Geschlecht<br />

auszubreiten. So glaubt Zuchwils Präsident Hans-Peter Birchmeier nicht<br />

daran, dass es möglich wäre, Geld für das erfolgreiche Frauenteam zu beschaffen.<br />

«Es ist schon heute nicht einfach, zu Sponsorengeldern in der Region zu kommen.<br />

Wie sollte uns dies für Spiele im fernen Lugano gelingen», klagt er. Dass es durchaus<br />

möglich ist, mit <strong>Spitzenleistungen</strong> Geld zu verdienen, zeigt das Beispiel des Frauen-<br />

Nationalteams von Béatrice von Siebenthal. Es hat seit kurzem einen Sponsoring-<br />

Vertrag mit der Swisscom in der Tasche und eine Medienpartnerschaft mit dem<br />

«Sonntagsblick» in Aussicht. «Das ist ein Indiz dafür, dass der Frauenfussball für ein<br />

grösseres Zielpublikum interessant wird und an Bedeutung gewonnen hat», freut<br />

sich SFV-Funktionärin von Siebenthal. Zudem gibt es in Europa – etwa beim amtierenden<br />

Weltmeisterinnenteam Deutschland – bereits einzelne Topspielerinnen,<br />

die vom Fussball leben können. «In der Schweiz sind wir noch längst nicht so weit.<br />

Erfahrungen und verdienen damit sogar Geld, wenn auch erst in bescheidenem<br />

Ausmass», weiss von Siebenthal. Und sie ist fest davon überzeugt, dass der Frauenfussball<br />

ganz allgemein ein grosses, noch nicht ausgeschöpftes Potenzial hat. «Beim<br />

Männerfussball sind nur noch kleine Schritte möglich, die grossen Chancen liegen<br />

jetzt bei den Frauen», lautet ihre Einschätzung.<br />

Noch nicht ganz so rosig sind im Moment die Zukunftsaussichten des FFC Zuchwil<br />

05. Denn seine Zukunft ist auch mit der Neugründung noch nicht wirklich gesichert.<br />

Stellt nämlich der Stammclub FC Zuchwil ebenfalls ein Damen-NLA-Team auf,<br />

könnte es sein, dass der neue Club nicht von der Änderung des Wettspielreglements<br />

profitieren kann. Dann heisst es für den FFC Zuchwil 05: Zurück zum Start.*<br />

* Stand bei Redaktionsschluss der «Olympe»

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