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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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Wenn frauen kicken …<br />

Marianne Meier<br />

1999 wurde das Finalspiel der Frauenfussball-WM in Kalifornien von 90'125 Zuschauern<br />

und Zuschauerinnen live im Stadion verfolgt, darunter auch US-Präsident<br />

Bill Clinton. Dabei handelte es sich um die grösste Publikumskulisse, welche je für<br />

72 eine Frauensportveranstaltung registriert wurde. Während die Fifa gegen Ende des<br />

nungen dem Sport also fundamentale Begriffe, die sich im Verlauf der Jahrzehnte 73<br />

letzten Jahrhunderts weltweit an die 30 Millionen Fussballerinnen zählte, kicken in<br />

der Schweiz zurzeit über 13'000 lizenzierte Frauen und Mädchen das runde Leder,<br />

Tendenz klar steigend.<br />

Geschlechtsneutralität von Sportarten<br />

Zum Fussballspielen braucht es zwei Teams mit je elf Personen, ein abgegrenztes<br />

Spielfeld, zwei Tore von derselben Grösse und einen aufgepumpten Ball. Der Sport<br />

selber hat kein Geschlecht. Wie kann es also sein, dass einer Sportart auf dem einen<br />

Kontinent das Attribut «typisch männlich» zugeschrieben wird, während das<br />

identische Spiel auf einem anderen Erdteil überwiegend als «weibliche Aktivität»<br />

verstanden wird?<br />

Wenn das runde Leder einem Mann <strong>vor</strong> die Füsse fällt, handelt es sich um einen<br />

Fussballer. Wenn derselbe Ball von einer Frau getreten wird, haben wir es mit einer<br />

Fussballerin zu tun. Obwohl diese Aussage mehr als banal erscheint, ist dieses<br />

terminologische Faktum auch im 21. Jahrhundert noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit.<br />

Begriffe wie «Frauenfussballerin» sind nach wie <strong>vor</strong> an der Tagesordnung,<br />

wobei diese doppelte Weiblichkeitsform kaum auffällt oder hinterfragt<br />

wird. Im Gegensatz dazu stellt der Ausdruck «Männerfussball» in unserer heutigen<br />

Gesellschaft eine Tautologie dar und wird kaum verwendet. 1976 verstand Sportbuchautor<br />

Wehlen den Spielgedanken des Fussballsports wie folgt: «Fussball ist ein<br />

Olympe 21/05<br />

Mannschafts- und Kombinationsspiel besonders für Männer, bei dem es gilt, den<br />

Ball ausser mit Hand und Arm ins gegnerische Tor zu spielen.» 1 Derselbe Autor<br />

wies jedoch bei den Definitionen von Hockey, Handball, Basketball, Badminton,<br />

Volleyball und Tennis ausdrücklich darauf hin, dass diese Sportarten «für Frauen<br />

oder Männer» geeignet seien. Obwohl diese Einschätzungen in Bezug auf die Ausübungspopulation<br />

primär deskriptiven Charakter besitzen – dem damaligen Zeitgeist<br />

entsprechende Denkmuster beschreibend –, vermitteln sie auch ausgrenzend kategorisierende<br />

Gesellschaftsnormen. Bereits in den 1950er Jahren versuchte der Anthropologe<br />

Buytendijk das Treten als unweibliche Bewegung zu taxieren. 2 Bis zum<br />

heutigen Tag konnte jedoch keine Studie anatomisch-biologische Gründe liefern,<br />

die eine Einschränkung des Fussballsports für Frauen und Mädchen in irgendeiner<br />

Form rechtfertigen würde.<br />

Mannschaften und frauschaften<br />

Ein Blick in die Vergangenheit verdeutlicht die geschlechtsspezifische Prägung unserer<br />

Sport- und Spielkultur. Begriffe wie «Mannschaftsspiel» oder «Manndeckung»<br />

weisen auf die ursprünglich klar männlich dominierte Sphäre der sportlichen Aktivität<br />

hin. 3 Dieser etymologischen Betrachtung folgend, liefern männliche Bezeich-<br />

im gängigen Vokabular etabliert haben. Geschlechtsspezifische Wortwurzeln werden<br />

noch heute – oft unbewusst – verwendet und als «neutral» empfunden. Der<br />

im Sport häufig verwendete Mannschaftsbegriff gilt dabei als Paradebeispiel: Während<br />

beim Wort «Ski-Nationalmannschaft» oder «Volleyball-Mannschaft» keineswegs<br />

Klarheit über das Geschlecht der betreffenden Gruppe besteht, impliziert<br />

der Begriff «Fussballmannschaft» geradezu männliche Akteure. Das entscheidende<br />

geschlechtsspezifische Moment scheint in unserem Sprachverständnis also weniger<br />

im Begriff «Mannschaft» als im «Fussball» zu liegen. Der neutrale Charakter des<br />

Mannschaftsbegriffs kommt z.B. in der Bezeichnung «Herren-Nationalmannschaft»<br />

zum Ausdruck. Die Verwendung der «Frauschaft» versucht einen terminologischen<br />

Gegenpol zu schaffen, wobei der geschlechtsspezifische Aspekt in den Vordergrund<br />

rückt. Trotz der etymologisch eindeutig ersichtlichen Wurzeln herrscht der<br />

Mannschaftsbegriff in der heutigen Alltagssprache auch in Frauenteams (noch) <strong>vor</strong>.<br />

Die Akteurinnen verwenden den Begriff als geschlechtsneutrales Synonym für ein<br />

sporttreibendes Kollektiv.<br />

Um die Terminologie zu neutralisieren, greift der emanzipierte deutsche Sprachgebrauch<br />

des 21. Jahrhunderts – einen Kompromiss suchend – zunehmend auf das<br />

französische «Equipe» oder das englische «Team» zurück. Letztere Bezeichnung<br />

wird der klassischen «Mannschaft» in Zukunft wohl definitiv den Rang ablaufen<br />

und den ursprünglichen Begriff schon bald antiquiert anmuten lassen.

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