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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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SpoRT – ÜbERSCHREITEN dER gESCHLECHTERoRdNuNg<br />

Zwei fäuste für clint eastwood<br />

Wenn Frauen boxen. «Million Dollar Baby» und «Girlfight» im Clinch.<br />

Eine Polemik.<br />

Daniela Janser<br />

«Boxing is for men, and is about men, and is men. A celebration<br />

of the lost religion of masculinity all the more trenchant<br />

for being lost.» Joyce Carol Oates: On Boxing<br />

Boxen ist die Verschränkung von archaischer und gleichzeitig regelgeleiteter Gewalt<br />

im klar eingegrenzten Viereck des Rings. Und selbstredend geht es in diesem<br />

106 Viereck nicht nur um Sieg und Niederlage zwischen zwei Boxern. Spielfelder<br />

sellschaftlichen Geschlechterordnung, 107<br />

3 welche die Frauen in aller Regel nur als<br />

sind immer auch sportliche Verhandlungsräume für Kämpfe ganz anderer Art.<br />

Vor allem wenn das Thema wie hier nicht Boxen als Sport, sondern der Sport Boxen<br />

als Leinwandstoff ist. Genauer: zwei Filme, in denen Frauen boxen. Im Zentrum<br />

steht dabei eine dezidiert ideologiekritische Lektüre von Clint Eastwoods<br />

mit fast einhelligem Kritikerlob und Oscarsegen überschüttetem Kassenerfolg<br />

«Million Dollar Baby». 1 Wir sehen uns mit dem Phänomen konfrontiert, dass<br />

einer von Hollywoods «Altmeistern» die potenziell emanzipatorische Sprengkraft<br />

der Geschichte eines äusserst attraktiven weiblichen Boxtalents als Folie<br />

benutzt und zurechtschneidet, um im wortwörtlichen Sinn «over her dead body»<br />

seine im Wesentlichen konservative, um nicht zu sagen reaktionäre Ideologie zu<br />

transportieren – aber so eben auch einigermassen geschickt zu verhüllen. Erläutern<br />

lässt sich diese Behauptung, indem man «Million Dollar Baby», 2005 (Abb.<br />

1 und 2), gegen den anderen bekannten (m.E. äusserst gelungenen und gerade<br />

auch in «Genderfragen» durchdachten) Frauenboxfilm, Karyn Kusamas «Girlfight»,<br />

2000 (Abb. 3), in den Ring schickt und die beiden Filme auf die einfache<br />

Frage abklopft, wo und <strong>vor</strong> allem wie in ihnen grundlegende gesellschaftliche<br />

Antagonismen 2 – also Geschlecht, Rasse, Klasse – verhandelt werden.<br />

Wie in manch anderer Sportart geht es auch beim Preisboxen um den Wunsch<br />

nach sozialem Aufstieg. Dies ist ganz im Sinn des amerikanischen Traums als<br />

eines ideologisches Apparates zu verstehen, der verspricht, dass jeder «Ame-<br />

Olympe 21/05<br />

Abb. 1 und 2<br />

rikaner», ohne Rücksicht auf Herkunft oder Ethnie, die Chance hat, reich und<br />

berühmt zu werden. Die Geschichte dieser Transsubstantiation vom armen Niemand<br />

zum König des Rings wird in Boxfilmen zigfach durchgespielt und steht<br />

auch als Motor hinter den beiden Frauenboxgeschichten. Trotzdem habe ich die<br />

weibliche Form nicht automatisch dazugesetzt. Denn: Was bei den boxenden<br />

Frauen – wie immer – hinderlich dazukommt, ist die Grundsatzfrage nach der<br />

(Un-)Möglichkeit einer progressiven Überschreitung der streng normierten ge-<br />

Geliebte, Mutter oder Fan an den Rand des Rings stellt – hinein darf sie bloss<br />

als Nummerngirl.<br />

Wenn nun der Regisseur Clint Eastwood – als sein eigener Hauptdarsteller<br />

Frankie Dunn – die Kellnerin Maggie Fitzgerald (Hilary Swank) trotz gröbster<br />

anfänglicher Bedenken («Ich trainiere keine Mädchen») boxen lässt, geht es<br />

zuerst ziemlich schnell, ziemlich steil aufwärts. Maggie gewinnt alles, was es zu<br />

gewinnen gibt, und zwar scheinbar mit links – bis zum entscheidenden Kampf,<br />

dessen Sieg sie zum titelgebenden «Million Dollar Baby» machen würde. Karyn<br />

Kusama bleibt in «Girlfight» bei der Schilderung des Aufstiegs beim wenig<br />

Spektakulären, obwohl an Diana Guzmans (Michelle Rodriguez) Talent kein<br />

Zweifel gelassen wird. Bedeutsam ist ausserdem, dass dabei nicht nur die Liebe,<br />

sondern auch der Schritt zum sogenannten «genderblind boxing» gewagt wird<br />

– dem Wettkampfboxen ungeachtet des Geschlechts der BoxerInnen. Die Liebesgeschichte<br />

zwischen Diana und Adrian (Santiago Douglas) wird so durchkreuzt<br />

von einer Kampfgeschichte. Die Liebenden sind auch die beiden besten<br />

Boxer im Klub und müssen deshalb gegeneinander antreten, was ihre Beziehung<br />

nachhaltig stört. Der Kampf der Geschlechter und im Geschlecht sowie die<br />

Asymmetrie in der Geschlechterordnung sind so in «Girlfight» ständig Thema,<br />

es wird aber niemals suggeriert, dass sich dieser komplexe Knoten mit den Fäusten<br />

im Ring irgendwie lösen oder überwinden liesse. Im Gegenteil, die Probleme

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