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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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dort bereits 1894 eine «Damenturngesellschaft» gegründet wurde. Diese ging zwar<br />

bald ein, aber 1906 nahm mit der Gründung des Stadtturnvereins die seitdem nicht<br />

mehr unterbrochene Geschichte des Luzerner Frauenturnens ihren Anfang, trotz<br />

der damaligen katholisch-konservativen Ablehnung jeder Form von sogenanntem<br />

Schauturnen. Im Unterschied zum weitgehend tiefschwarzen Oberwallis schränkten<br />

die Freisinnigen in der Stadt Luzern, wie eben auch im Unterwallis, den Einfluss der<br />

Kirche ein. Und so bewegten sich 1934 in Luzern bereits 437 Turnerinnen in vier<br />

Damenriegen.<br />

«Die Gesundheit der Mutter ist für die ganze Kultur das Allerwesentlichste»<br />

Ein Jahr <strong>vor</strong> den Luzernerinnen hatten Zürcherinnen 1893 mit der «Damenturngesellschaft»<br />

den ersten schweizerischen Frauenturnverein überhaupt gegründet.<br />

Die Männer ihrerseits sollten schon seit der Totalrevision der Schweizerischen Bundesverfassung<br />

von 1874 in Turnvereinen auf ihre Militärtauglichkeit hin getrimmt<br />

werden, wie überhaupt das Männerturnen als Mittel zur nationalen Einbindung in<br />

der Schweiz ähnlich wie in vielen europäischen Staaten gefördert wurde. 2 Das Frauenturnen<br />

jedoch wurde von fortschrittlichen Kreisen, insbesondere von Ärzten, seit<br />

dem ausgehenden 19. Jahrhundert aus ganz anderen Beweggründen befürwortet: als<br />

20 Mittel gegen weibliche «Nervenschwäche», Haltungsschäden, Tuberkulose und als<br />

dienen, «damit aus jeder Tochter einst eine gesunde, widerstandsfähige Mutter 21<br />

Gegengewicht zum Brust und Lungen einschnürenden Korsett. 3 Aber selbst die dem<br />

Frauenturnen nicht abgeneigten Männer zeigten sich etwas unsicher über die Folgen.<br />

Sie fürchteten die damit verbundene mögliche «Emancipation». Die deutschen<br />

Frauenrechtlerinnen hätten sie in ihrer Angst bestätigt, hatte doch schon Hedwig<br />

Dohm 1874 die positive Wirkung der Leibesübungen auf das Selbstbewusstsein der<br />

Frauen betont. So galt denn unter Frauen der Sport seit seinen Anfängen auch als<br />

Übung zur Selbsthilfe und zur Behauptung der Unabhängigkeit. Umso mehr hoben<br />

dagegen männliche Befürworter des Frauenturnens nur dessen gesundheitlichen<br />

Nutzen und <strong>vor</strong> allem seine Bedeutung für die Reproduktion her<strong>vor</strong>. Der Turnlehrer<br />

am Seminar der Höheren Töchterschule der Stadt Zürich warb 1914 für die Erstarkung<br />

des körperlichen Geschlechts bereits mit rassenhygienischen Argumenten:<br />

Eine «körperlich gesunde Frau kann Degeneration aufhalten und zum Stillstand<br />

bringen» 4 , und: «Richtige weibliche Körperpflege ist ein gut Stück Rassenhygiene.<br />

... Darum ist die Gesundheit der Mutter für die Familie, für den Staat und für die<br />

ganze Kultur das Allerwesentlichste, von der die Gesundheit der künftigen Generation<br />

in grösstem Masse abhängig ist.» 5 Wenn auch nicht in so zugespitzter Form,<br />

blieb die Gesundheit der Frau als zukünftiger Mutter bis nach dem 2. Weltkrieg doch<br />

das wichtigste Argument der BefürworterInnen des Frauenturnens. Als dem weiblichen<br />

Wesen fremd und daher schädlich wurde <strong>vor</strong>ab der Wettkampfsport taxiert, als<br />

angemessene Alternative wurden Spiele und die Gymnastik propagiert. Nur unter<br />

Olympe 21/05<br />

dieser Prämisse konnten die immer zahlreicher werdenden Turn- und Sportvereine<br />

der Frauen mit breit gestreutem Wohlwollen rechnen.<br />

Die Schweizerische Damenturnvereinigung, der heutige Schweizerische Frauenturnverband,<br />

umfasste bei ihrer Gründung 1908 32 Damenturnvereine und -riegen,<br />

1928 bereits 350 mit 19'000 Mitgliedern, davon 10'604 Aktive. Auch der Frauenturnverband<br />

betonte 1925, Bewegung sei gut für Psyche und Physis, erzeuge Freude<br />

und Fröhlichkeit, dürfe aber nie Selbstzweck sein, sondern nur der Gesundheit<br />

werde» 6 . Ganz in diesem Sinne hob eine Kommentatorin des Frauenturnverbands<br />

Baselland in den 1930er Jahren her<strong>vor</strong>, dass die Turnerinnen zwar Gelegenheit hätten,<br />

Korbball zu spielen, aber ohne Rangverkündigung: «Die Turnerinnen spielen<br />

aus lauter Freude, dass ihnen der Herrgott einen gesunden Körper und ich hoffe<br />

auch eine gesunde Seele schenkte.» 7 Eine Baselbieter Berichterstatterin kannte in<br />

ihrer Begeisterung über die Darbietung der einheitlich in Blau gekleideten Turnerinnen<br />

am schweizerischen Frauenturntag von 1932 in Aarau keine Grenzen mehr:<br />

«Es beginnt ein Wogen und Wiegen, ein Beugen, Schwingen und Strecken, eine<br />

wunderbare Bewegtheit und doch ein geschlossener Wille zur Einheit. Bald ist es<br />

wie ein mit blauen Blumen besetztes, vom Wein bewegtes Ährenfeld, bald wie ein<br />

gewaltiger Teppich blauer Enziane auf grünem Grund: immer bietet sich dem Auge<br />

ein neuer Anblick dar, der restlos entzückt. Wie sich die geschmeidigen Körper zur<br />

Erde neigen, als wollten sie sich zu einem gemeinsamen Gebet vereinigen, ergreift<br />

die Zuschauer spontaner Jubel.» 8 Jedem irdischen Streben ist dieses weibliche Tun<br />

enthoben, nicht nur das Blau suggeriert den Himmel.<br />

«Schönheit, Kraft und lebensfreude»<br />

Wenn auch bei weitem nicht so überschäumend, tönt es doch ähnlich im offiziellen<br />

Bericht zur SAFFA 1928, der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit in Bern.<br />

Der Bereich Sport und Turnen in der Ausstellung sowie der Frauenturntag, an dem

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