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Sportlerinnen. Spitzenleistungen vor leeren Rängen?

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den Blick auf das Management und auf die unzähligen männlichen Angestellten<br />

in ihrem beruflichen Alltag. Das Gebaren der Spieler erscheint als eine gesteigerte<br />

Form maskuliner Verhaltensmuster, die dem Konkurrenten gelten und im Bürokontext<br />

nur in gemässigter oder verwandelter Form gezeigt werden, aber grundsätzlich<br />

dieselben sind.<br />

Auch die Geschäftswelt kennt das Kampfritual, die Abkanzelung des Gegners,<br />

Drohgebärden und Unterwerfungsgesten. Im anzugtragenden Fussballspieler werden<br />

diese Urgebaren als solche evident. Auch Werner Reiterer und Ruth Kaaserer<br />

aus Österreich thematisieren auf unterschiedliche Art diese Verhaltensweisen.<br />

Während Ersterer in seiner Serie der «Site specific mobiles», 2002, imperativ dazu<br />

auffordert «Nun wie im Fussballstadion reden und handeln» und damit durch<br />

das Displacement einen ähnlichen Ansatz verfolgt wie Ingeborg Lüscher, setzt sich<br />

Letztere in die Position der Beobachterin. In ihrer zweiteiligen Arbeit «The Professionals»,<br />

1999, sind einmal Jugendliche beiderlei Geschlechts beim gemeinsamen<br />

Fussballspiel in einer Turnhalle zu sehen, das andere Mal begleitet die Kamera das<br />

Spiel zweier Jungen im öffentlichen Raum. Sehr schnell zeigt sich, dass das Spiel<br />

beiden Jungen als Folie für die adoleszent-männliche Selbstdarstellung dient. Die<br />

Selbstinszenierung der Jugendlichen als Fussballstars fällt umso mehr auf, als Kaase-<br />

28 rer sie konfrontiert mit den gemischtgeschlechtlichen Teams im gleichberechtigen,<br />

sei auf eine bestimmte Art noch glamouröser als der vierte.<br />

29<br />

ausgelassenen und nicht auf eine Demonstration angelegten Miteinander. Immer<br />

wieder sind es speziell diese sozialen Aspekte des Spiels, die im besonderen Fokus<br />

der künstlerischen Arbeiten stehen.<br />

prinzip leistung<br />

Sportler und <strong>Sportlerinnen</strong> haben Ziele. Diese mögen einem Unbeteiligten willkürlich<br />

oder gar unsinnig <strong>vor</strong>kommen, aber ohne sie setzt sich kein Sportler, keine<br />

Sportlerin in Bewegung. Seit langem hat sich der Sport von seinem kultischen Ursprung<br />

emanzipiert. Der Wettkampf, einst veranstaltet, um in Spiel und Fest magische<br />

Kräfte zu aktivieren oder zu bannen, ist völlig abgelöst von religiösen und<br />

mythischen Bezügen. Kernmotiv des Sports heute ist die Selbstbestätigung durch<br />

Leistung. Im direkten Vergleich mit anderen <strong>Sportlerinnen</strong> und Sportlern manifestiert<br />

sich dieser Blick auf die eigene Leistungsfähigkeit nur noch stärker.<br />

Diese besondere Konkurrenzsituation thematisiert die sechsundzwanzigteilige Arbeit<br />

«Fourth», 2001 (Abb. 2), der Australierin Tracey Moffat. Die Fotografien zeigen<br />

Sportler und <strong>Sportlerinnen</strong> in Stadien, Schwimmhallen und auf Laufbahnen<br />

während der Olympischen Sommerspiele. Während die Umgebung stets schwarzweiss<br />

zu sehen ist, sind ausgewählte Figuren in Farbe abgebildet. Ihnen allen ist<br />

gemeinsam, dass sie nicht ihren Sport ausüben, sondern der Wettkampf offenbar<br />

<strong>vor</strong>über ist. Zu sehen sind jedoch keine triumphierenden Sieger, kein Jubel oder<br />

Olympe 21/05<br />

Abb. 2<br />

Freudentaumel, sondern Ohnmacht, Enttäuschung, Schmerz, stilles Innehalten.<br />

Der Titel der Arbeit deutet es an: Es sind die Vierten, die hier jeweils farbig her<strong>vor</strong>gehoben<br />

sind. Mitunter wird vom undankbaren vierten Platz gesprochen oder von<br />

der Holzmedaille. Das Podest wurde knapp verpasst, Eingang in die Sportgeschichte<br />

finden Viertplatzierte kaum. Die Künstlerin ging in einem Text zu ihrer Arbeit<br />

sogar so weit, festzustellen, dass es nichts Tragischeres als einen vierten Platz gebe,<br />

denn dies bedeute, fast gut zu sein, es fast geschafft zu haben, selbst der letzte Platz<br />

Moffat richtet ihren Blick unterschiedslos auf männliche und weibliche Vierte und<br />

fokussiert dabei auch nicht auf eine bestimmte Sportart. Im Gegenteil, die Arbeit<br />

demonstriert eindrücklich, wie sehr sich die Emotionen der Sportler und <strong>Sportlerinnen</strong><br />

im Moment des Bewusstwerdens der Zerstörung ihrer Medaillenhoffnung<br />

gleichen. «Fourth» zeigt eine interessante Ambivalenz in der Welt des Sports auf,<br />

die gleichzeitig auch auf andere gesellschaftliche Bereiche übertragbar ist: Im Leistungssport<br />

wird von den Akteuren bedingungsloses Funktionieren verlangt. Gleichzeitig<br />

bleibt die Gefühlswelt ein schwer zu kontrollierender Faktor.<br />

Nur wessen Körper perfekt arbeitet, wer ihm stets die geforderte Leistung abverlangen<br />

kann und keine Schwächen, geschweige denn Ausfälle verzeichnet, schafft<br />

es, zum Spitzenkader aufzusteigen. Eine Ahnung von der Arbeit für dieses Ziel vermittelt<br />

der deutsche Theaterautor, Dramaturg und Langstreckenschwimmer John<br />

von Düffel in seinem ersten Roman «Vom Wasser», 2000: «Wir wurden darauf gedrillt,<br />

nicht den Reflexen, Impulsen oder Ängsten unserer Körper im Wasser nachzugeben<br />

oder uns gar in unserer ureigenen Geschichte mit diesem fremd-vertrauten<br />

Element zu verlieren, sondern die Zeit hineinzudenken und hineinzuarbeiten in<br />

die Unterschiedslosigkeit des Wassers, den Takt der Zeit mit den Schlägen unserer<br />

Arme und Beine, die ausholten, ausgriffen, ausschlugen mit dem einzigen Ziel, die<br />

vertickende Zeit auf dem Zifferblatt mit dem Anschlag am Beckenrand zum Stillstand<br />

zu bringen.»

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