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Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld

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Österreichische Prävalenzstudie zur <strong>Gewalt</strong> an Frauen <strong>und</strong> Männern11 Eigene TäterschaftE<strong>in</strong> weiteres Novum <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>forschung <strong>der</strong> vorliegenden Studie ist, dass die Befragtennicht nur von erlittener <strong>Gewalt</strong> berichten sollten, son<strong>der</strong>n explizit danach gefragt wurden,ob sie selbst auch bereits e<strong>in</strong>mal <strong>Gewalt</strong> angewendet haben, sprich selbst zum Tätero<strong>der</strong> zur Täter<strong>in</strong> geworden s<strong>in</strong>d. 38 Analog zur Darstellung <strong>der</strong> Opfer-Erfahrungen wird <strong>in</strong>diesem Kapitel zunächst e<strong>in</strong> Überblick über die <strong>Gewalt</strong>formen gegeben, <strong>in</strong> denen die Befragtennach eigenen Angaben tätlich geworden s<strong>in</strong>d, so dass e<strong>in</strong>e Aussage zur Prävalenz<strong>in</strong> Österreich aus Täter/<strong>in</strong>nen-Perspektive möglich ist. E<strong>in</strong>schränkend ist allerd<strong>in</strong>gs vorweganzumerken: Es ist nicht davon auszugehen, dass alle Männer <strong>und</strong> Frauen, die Täter/Täter<strong>in</strong>nengeworden s<strong>in</strong>d, dies <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>es Interviews auch berichten werden. Ist schondas Offenlegen eigener Opfer-Erfahrungen schwer, so gilt dies für die eigene Täterschafterst recht, denn wer <strong>Gewalt</strong> ausübt, setzt sich damit selbst <strong>in</strong>s Unrecht. Gerade hoch tabuisierte<strong>und</strong> gesellschaftlich abgelehnte Formen von <strong>Gewalt</strong> (zum Beispiel sexuelle <strong>Gewalt</strong>,<strong>Gewalt</strong> gegen Frauen, schwere K<strong>in</strong>desmisshandlung, an<strong>der</strong>e hoch kr<strong>im</strong><strong>in</strong>elle Handlungen)dürften deshalb nicht durchgängig offen berichtet worden se<strong>in</strong>. Darüber h<strong>in</strong>aus gibt es <strong>in</strong>Forschung <strong>und</strong> sozialer Praxis auch H<strong>in</strong>weise darauf, dass Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tendenz eigeneTäterschaft relativ kritisch bewerten, während männliche Täter das eigene <strong>Gewalt</strong>handelnoft herunterzuspielen versuchen. 39 Dies darf natürlich nicht auf alle Männer <strong>und</strong> Frauenverallgeme<strong>in</strong>ert werden son<strong>der</strong>n zeigt lediglich Tendenzen auf, die für die Interpretation<strong>der</strong> vorliegenden Daten wichtig s<strong>in</strong>d.Das (freilich eher heikle) Thema Täterschaft wurde <strong>im</strong> Interview an zwei Stellen aufgegriffen:Zum e<strong>in</strong>en wurde den Befragten e<strong>in</strong>e Liste mit <strong>Gewalt</strong>-Szenen vorgelegt, für die sienicht nur angeben konnten, ob sie diese Situation als Opfer erlebt hatten, son<strong>der</strong>n auch,ob sie sich selbst schon e<strong>in</strong>mal so verhalten hatten. E<strong>in</strong>e Frage lautete also zum Beispiel:„Haben Sie schon erlebt, dass Sie von jemandem erpresst wurden?”, <strong>und</strong> daraufh<strong>in</strong> konntendie Befragten e<strong>in</strong> Kreuz setzen bei „das habe ich schon erlebt” <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> bei „habe michso verhalten”. Diese Fragetechnik wurde für die psychische <strong>Gewalt</strong> verwendet (fünfzehnItems), für die körperliche <strong>Gewalt</strong> (neunzehn Items) <strong>und</strong> für die sexuelle Belästigung (zehnItems). Im Bereich <strong>der</strong> sexuellen <strong>Gewalt</strong> wurde aus ethischen Gründen auf diese Fragetechnikverzichtet, d. h. Personen, die Opfer sexueller <strong>Gewalt</strong> geworden waren, wurdennicht sogleich gefragt, ob sie denn auch selbst schon e<strong>in</strong>mal sexuelle <strong>Gewalt</strong> angewendethätten; dies wurde <strong>im</strong> Fragebogendesign an e<strong>in</strong>er späteren Stelle für die sexuelle <strong>Gewalt</strong>nachgeholt. E<strong>in</strong> weiterer Zugang zur Erhebung <strong>der</strong> Täterschaft waren konkrete, über denFragebogen „verstreute” E<strong>in</strong>zelfragen zur Anwendung von psychischer <strong>und</strong> körperlicher <strong>Gewalt</strong>.Um die Prävalenz <strong>der</strong> Täterschaft abzubilden, wurden pr<strong>in</strong>zipiell die beiden Zugängekomb<strong>in</strong>iert, das heißt ob z. B. jemand (m<strong>in</strong>destens) e<strong>in</strong>mal körperliche <strong>Gewalt</strong> angewen-38 Es ist uns wichtig, das Thema geschlechterneutral zu behandeln <strong>und</strong> damit auch weibliche Täter<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> dasBlickfeld zu rücken, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>forschung lange Zeit unbeachtet geblieben s<strong>in</strong>d. Trotzdem werden wiraus orthografischen Gründen auf den Begriff <strong>der</strong> „Täter<strong>in</strong>nenschaft” verzichten <strong>und</strong> jenen <strong>der</strong> „Täterschaft”verwenden, die wir nach männlicher <strong>und</strong> weiblicher Täterschaft unterscheiden.39 Dies ist zum e<strong>in</strong>en aus <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Täterarbeit über gewaltbereite Männer berichtet worden;zum an<strong>der</strong>en zeigte sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung, dass Frauen eigene <strong>Gewalt</strong>handlungen benennen (als Erstetätlich geworden zu se<strong>in</strong>), wenn sie damit, wie offene Nachfragen ergaben, eigentlich me<strong>in</strong>ten, e<strong>in</strong>e (Mit-)Schuld zu haben, provoziert zu haben (vgl. Schröttle/Müller 2004).270

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