Baltische Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald

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nannten Reichsfarben Schwarz-Gelb-Weiß sind bei Lichte besehen
im Grunde nichts weiter als eine Imitation der Französischen
Tricolore, deren Ursprung die Revolution ist. Uederall, wo die
Interessen der Fürsten, bald wirklich, bald angeblich, mit denen
der Unterthanen in Collision zu gerathen begannen, stellte die
Revolutionspartei vor allen Dingen den bisherigen dynastisch-
nationalen Farben neue revolutionär - nationale ent-
gegen. So entstand das Schwarz-Gelb-Roth der Belgier, das
Grün - Weiß - Roth der Italiener, das Roth - Weiß - Grün der
Ungarn, das Blau-Weiß-Roth der Schleswig-Holsteiner, so ent'
standen die bekannten deutschen Nationalfarben Schwarz-Roth-
Gold, welche in der 16. Sitzung der deutschen Bundes-Ver-
sammlung am 9. März 1848 ofsiciell als Farben des deutschen
Bundes anerkannt sind. Daß letztere niemals die Farben des
deutschen Reichs gewesen, ist langst ausgemacht*), sie sind nicht
alter als die deutsche Burschenschaft, und zwar sind sie im Jahr
1816 von einer Nätherin erfunden. Die Damen von Jena
beschenkten nämlich die Burschenschaft zum Friedensfeste, den
16. Januar !816, mit einer Fahne, welche die Demoiselle
Amalie Nitzschke verfertigt hatte; diese Fahne war schwarz-roth-
golden, und wurde beim Wartburgsfeste am 18. October 1817
vorgetragen, und von diesem Tage an als Symbol der Ein-
heit aller deutschen Burschen auch auf Bändern um die Brust
getragen"). Erst durch die gegen die Burschenschaft gerichtete
Verfolgung der deutschen Regierungen erhielten diese Farben
überhaupt eine politische Bedeutung, und erst seit 1848 haben
sic eine politische Bedeutung für die ganze Deutsche Nation
erlangt.
Diese dem Mittelalter und der neueren Zeit bis zum Ende
des vorigen Jahrhunderts gänzlich unbekannte Sitte, gewisse
Farben in Streifen oder concentrischen Kreisen geordnet als
Landesfarben oder Na ti o nalfa r ben zur Schau zu tragen,
*) Bernd. die drei deutschen Farben und ein deutsches Wappen.
Gvote, I. o. III. 406.
**) Kreuz-Zeitung vom Jahre 1862. Vergl. Grote, 1. o. III. 407.