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Interview<br />
Der Alm<br />
Kräuterer<br />
Joseph – wie wird man eigentlich ein Almkräuterer?<br />
Joseph Heim: Ich bin einem traditionellen, sehr<br />
katholischen Elternhaus im Zillertal aufgewachsen,<br />
mein Vater war Mesner. Ich bin dann sozusagen<br />
in die Firma eingetreten, habe Theologie studiert<br />
und danach zehn Jahre lang als Religionslehrer<br />
unterrichtet. Nach meinem Austritt aus der Kirche<br />
bin ich natürlich gekündigt worden und plötzlich<br />
buchstäblich nackt dagestanden. Also hab‘ ich mir<br />
gedacht: Gehst halt einmal einen Sommer lang auf<br />
eine Alm.<br />
Haben Sie vorher schon Erfahrung als Almer gehabt?<br />
Heim: Nicht direkt. Mein Vater war zwanzig Jahre<br />
lang Almer, Knecht und Melker, da hab‘ ich als<br />
Kind natürlich einiges mitgekriegt <strong>am</strong> Zillergrund.<br />
Wie ich 1998 meinen ersten Job auf einer Alm<br />
bekommen hab‘, musste ich den Bauern vorher<br />
notgedrungen ein bisschen anlügen, was meine<br />
bisherigen Erfahrungen betroffen hat. Und dann<br />
bin ich auf die wildeste Alm überhaupt gekommen.<br />
Ich hab‘ so was von null Ahnung gehabt – und in<br />
meiner Verzweiflung den Vater angerufen. Zum<br />
ersten Mal in meinem Leben hab ich ihn wirklich<br />
gebraucht. Er ist dann für 14 Tage hergekommen<br />
und hat mir vieles gezeigt.<br />
Auch wie man mit den Tieren umgeht?<br />
Heim: Es war eine Alm für Galt-Viecher, die<br />
muss man nicht melken, das war also nicht so das<br />
Problem. Das Allerwichtigste für mich war, dass mir<br />
mein Vater die Meisterwurz gezeigt hat. Das hat<br />
eigentlich schlagartig mein Interesse für Kräuter<br />
geweckt. Die Meisterwurz ist die Königin unter den<br />
Kräutern, sie kann alles. Bei einem Selbstversuch<br />
wegen starker Magenschmerzen hab ich ein Stück<br />
von der Meisterwurz roh gegessen und schon nach<br />
Sekunden hat sich eine positive Wirkung eingestellt.<br />
Das ist schon sehr schön.<br />
Joseph Heim ist vielen Innsbruckern ein<br />
Begriff, denn in der Markthalle verkauft er seine<br />
Almkräuter. Im Interview erzählt Joseph wie er<br />
zum Almkräuterer geworden ist, wo er die<br />
Ursachen von Erkrankungen sieht und was<br />
Kräuter alles können.<br />
War ihr Vater so etwas wie ein Almkräuterer?<br />
Heim: Mehr der Opa. Der hat immer gesagt: Wenn<br />
dir oder einem Viech was fehlt, geh zum Bach,<br />
lass das Hack‘l daho<strong>am</strong>e und nimm dir von der<br />
Meisterwurz mit, was der Bach hergibt. Und dann<br />
k<strong>am</strong> die Sache mit der wunders<strong>am</strong>en Heilung der<br />
Holländerin und das hat mir meinen weiteren Weg<br />
aufgezeigt.<br />
Sie haben erfolgreich eine Frau behandelt?<br />
Heim: (lacht) Eine Holländerin ist eine Milchkuhrasse,<br />
die mir ein Bauer auf die Alm gebracht hat.<br />
Eines Tages ist die Kuh dann dagelegen und nicht<br />
mehr aufgestanden. Der Bauer hat gemeint, das<br />
wird ein Fall für die Versicherung, die Kuh wird<br />
sterben. Daraufhin hab ich Meisterwurz ges<strong>am</strong>melt,<br />
einen Sud daraus gemacht und der Kuh eingeflößt.<br />
In der Nacht ist sie mir dann mindestens<br />
Fotos: Friedle (2), Kröll (2)<br />
102 <strong>Tirol</strong> <strong>am</strong> <strong>Teller</strong> <strong>2016</strong>