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Bierkultur<br />
Fotos: Brau Union (5), Friedle (2)<br />
<br />
„Bei Bier sprechen wir<br />
noch immer von Hopfen,<br />
Wasser, Hefe, Malz<br />
und nichts anderem.“<br />
Matthias Gurschler, Diplom Biersommelier<br />
– st<strong>am</strong>mt größtenteils aus heimischem Anbau.<br />
Außerdem wird der ges<strong>am</strong>te hierzulande geerntete<br />
Hopfen – 2014 rund 490 Tonnen – auch in Österreichs<br />
sage und schreibe 214 Brauereien verarbeitet.<br />
In keinem anderen Staat der Welt ist die Dichte an<br />
Brauereien so hoch wie in Österreich, das in Sachen<br />
Bier in mehreren Kategorien zur absoluten Weltspitze<br />
gehört. „Österreich ist, das kann man mit Fug<br />
und Recht sagen, ein hochentwickeltes Bierkulturland“,<br />
sagt Diplom-Biersommelier Matthias Gurschler,<br />
dem man nichts über Bier erzählen kann, der<br />
aber umgekehrt so viel über des Österreichers Lieblingsgetränk<br />
zu sagen weiß wie kaum ein zweiter.<br />
Die hohe Wertschätzung, die Biertrinker ihrem<br />
liebsten Trunk entgegenbringen, will erlernt sein,<br />
und zwar im Wortsinne. Es handelt sich nämlich,<br />
wie bei Kaffee oder dunkler Schokolade, um einen<br />
‚acquired taste‘, einen erworbenen, weil gewöhnungsbedürftigen<br />
Geschmack. „Das gleichzeitige<br />
Aufeinandertreffen der verschiedenen Geschmacksnuancen,<br />
die malzige Süße, das Säuerlich-Bittere,<br />
sind wir ursprünglich nicht gewohnt“, erklärt<br />
Gurschler. Bier ist aber nicht gleich Bier. Dem<br />
Connaisseur tut sich eine eigene Welt auf, die von<br />
Farben – Hellgelb bis Schwarz –, von verschiedenen<br />
Schaumkonsistenzen – schwach, grob- oder feinporig,<br />
rahmig, stabil, schwach oder haftend – und<br />
nicht zuletzt Gerüchen und Geschmacksnuancen<br />
geprägt ist. So kann ein Bier hopfenblumig, malzig,<br />
blumig, fruchtig, nach Kräutern, Heu, Limonen,<br />
Minze oder sogar Whiskey riechen, der Geschmack<br />
kann malzig, kar<strong>am</strong>ellig, geröstet, nussig, brotähnlich<br />
oder fruchtig sein.<br />
Hegemoniales Märzen<br />
Obwohl der weithin ungebrochene Hype um die<br />
sogenannten Craft Biere suggeriert, dass diese<br />
mittlerweile einen Gutteil der konsumierten Biere<br />
ausmachen müssten, ist dem ganz und gar nicht<br />
so. Das mit Abstand beliebeste Bier ist nach wie<br />
vor das Märzen mit einem Anteil von 63 Prozent,<br />
das auch weltweit als Märzen- bzw. Lagerbier das<br />
meistgetrunkene ist. Dem konstruierten Gegensatz<br />
zwischen „klassischem Bier“ und Craft-Bier kann<br />
Gurschler überhaupt nichts abgewinnen. „Für die<br />
Biervielfalt und Bierkultur waren die Kreativbiere<br />
sicher insges<strong>am</strong>t gut. Dadurch ist Bier wieder mehr<br />
zum Thema geworden. Die Menschen interessieren<br />
sich wieder mehr dafür und das ist positiv“, merkt<br />
Gurschler an. Bier ist en vogue, und davon profitiert<br />
der ges<strong>am</strong>te heimische Biermarkt, der im Gegensatz<br />
zu anderen westeuropäischen Ländern auf konstant<br />
hohem Niveau bleibt.<br />
Ohne und Leicht im Trend<br />
Neben dem Megatrend Kreativbier zeichnen sich<br />
derzeit einige weitere Trends ab, weiß Matthias<br />
Gurschler. Einer davon ist die neu entfl<strong>am</strong>mte Liebe<br />
zum alkoholfreien Bier, dessen Konsum sich in den<br />
vergangenen drei Jahren – zwar von einem relativ<br />
niedrigen Niveau ausgehend – verdoppelt hat. Die<br />
Begeisterung über den Geschmack des alkoholfreien<br />
Biers hielt sich bei eingefleischten Biertrinkern<br />
zumindest früher in Grenzen, schmeckte das Alkoholfreie<br />
doch eher unbierig, malzig, süß. Das ist<br />
Vergangenheit. „Den Braumeistern ist es gelungen,<br />
Prozesse zu finden, um das alkoholfreie Bier noch<br />
biertypischer zu machen“, erklärt Gurschler. Früher<br />
musste der Brauprozess abrupt abgebrochen<br />
werden, ehe der Malzzucker vollständig vergoren<br />
war. Daher blieb eine d<strong>am</strong>als typische Restsüße<br />
zurück, die dem Biergenuss nicht gerade zuträglich<br />
war. Mittlerweile wird der Alkohol nach dem Ende<br />
des Brauvorgangs mittels verschiedener Verfahren<br />
wie etwa der physikalischen Umkehrosmose oder<br />
aber thermisch extrahiert. Das vorzeigbare Resultat:<br />
100 Prozent Biergeschmack bei 0 Prozent<br />
Alkoholgehalt. Dadurch wird das edle Getränk auch<br />
zum ebenso würdigen wie würzigen Begleiter bei<br />
Businesslunch & Co. So weiß etwa Zipfer Hell, ein<br />
klares, angenehm vollmundiges und erfrischendes<br />
alkoholfreies Bier, geschmacklich in der Verkostung<br />
durchaus zu überzeugen. Unter Sportlern ist vor<br />
allem das alkoholfreie Weizenbier der absolute<br />
Renner. Davon kann man sich bei einem Besuch auf<br />
einer der unzähligen bewirtschafteten <strong>Tirol</strong>er Almen,<br />
die von Mountainbikern frequentiert werden,<br />
selbst rasch ein Bild machen. „Die Fruchtigkeit des<br />
Legendäres<br />
Getränk<br />
Bei einem Getränk wie Bier, das<br />
schon vor rund 7000 Jahren zum<br />
ersten Mal gebraut wurde, darf es<br />
nicht weiter verwundern, dass es<br />
auch in der Sprache – vor allem in<br />
Form von Metaphern – deutliche<br />
Spuren hinterlassen hat.<br />
Hopfen und Malz –<br />
Gott erhalt‘s<br />
Bierbrauen war im Mittelalter so wie<br />
Brotbacken Frauensache. Deshalb<br />
war auch der Braukessel eine durchaus<br />
übliche Mitgift. Der fromme<br />
Wunsch rührt daher, dass bei Vorhandensein<br />
von obigen Zutaten der<br />
Entstehung eines Biers kaum mehr<br />
etwas im Wege stehen kann. Das<br />
Geheimnis um die Hefe als Ursache<br />
der Vergärung hatte man d<strong>am</strong>als<br />
aber noch nicht gelüftet, weshalb<br />
man ein Stoßgebet für angebracht<br />
hielt. Mit dem Brauerspruch „Gott<br />
gebe Glück und Segen drein“ verhält<br />
es sich ähnlich.<br />
Das schlägt dem<br />
Fass den Boden aus<br />
In früheren Zeiten war die Qualität<br />
des Biers nicht immer gut. War ein<br />
Fass ungenießbar, schlugen die<br />
zuständigen Stellen diesem kurzerhand<br />
den Boden aus, d<strong>am</strong>it es nicht<br />
in Umlauf gebracht werden konnte.<br />
Pech gehabt<br />
Pech hatte früher, wer Splitter der<br />
Pechschicht eines Fasses in seinem<br />
Bierkrug fand. Die Fässer wurden<br />
innen gepicht, um sie abzudichten.<br />
Da ist Hopfen und<br />
Malz verloren<br />
Wurde bei der Bierherstellung gepfuscht<br />
und der Gärprozess funktionierte<br />
nicht richtig, war es zwecklos,<br />
es weiter zu versuchen. Hopfen und<br />
Malz waren verloren.<br />
Zapfenstreich<br />
Der Begriff soll daher st<strong>am</strong>men, dass<br />
früher zu späterer Stunde ein Kreidestrich<br />
über den Zapfen der Fässer<br />
gemacht wurde, um die weitere<br />
Ausschank von Bieren zu verhindern.<br />
<strong>Tirol</strong> <strong>am</strong> <strong>Teller</strong> <strong>2016</strong> 75