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ECHO Tirol am Teller 2016

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Bierkultur<br />

Fotos: Brau Union (5), Friedle (2)<br />

<br />

„Bei Bier sprechen wir<br />

noch immer von Hopfen,<br />

Wasser, Hefe, Malz<br />

und nichts anderem.“<br />

Matthias Gurschler, Diplom Biersommelier<br />

– st<strong>am</strong>mt größtenteils aus heimischem Anbau.<br />

Außerdem wird der ges<strong>am</strong>te hierzulande geerntete<br />

Hopfen – 2014 rund 490 Tonnen – auch in Österreichs<br />

sage und schreibe 214 Brauereien verarbeitet.<br />

In keinem anderen Staat der Welt ist die Dichte an<br />

Brauereien so hoch wie in Österreich, das in Sachen<br />

Bier in mehreren Kategorien zur absoluten Weltspitze<br />

gehört. „Österreich ist, das kann man mit Fug<br />

und Recht sagen, ein hochentwickeltes Bierkulturland“,<br />

sagt Diplom-Biersommelier Matthias Gurschler,<br />

dem man nichts über Bier erzählen kann, der<br />

aber umgekehrt so viel über des Österreichers Lieblingsgetränk<br />

zu sagen weiß wie kaum ein zweiter.<br />

Die hohe Wertschätzung, die Biertrinker ihrem<br />

liebsten Trunk entgegenbringen, will erlernt sein,<br />

und zwar im Wortsinne. Es handelt sich nämlich,<br />

wie bei Kaffee oder dunkler Schokolade, um einen<br />

‚acquired taste‘, einen erworbenen, weil gewöhnungsbedürftigen<br />

Geschmack. „Das gleichzeitige<br />

Aufeinandertreffen der verschiedenen Geschmacksnuancen,<br />

die malzige Süße, das Säuerlich-Bittere,<br />

sind wir ursprünglich nicht gewohnt“, erklärt<br />

Gurschler. Bier ist aber nicht gleich Bier. Dem<br />

Connaisseur tut sich eine eigene Welt auf, die von<br />

Farben – Hellgelb bis Schwarz –, von verschiedenen<br />

Schaumkonsistenzen – schwach, grob- oder feinporig,<br />

rahmig, stabil, schwach oder haftend – und<br />

nicht zuletzt Gerüchen und Geschmacksnuancen<br />

geprägt ist. So kann ein Bier hopfenblumig, malzig,<br />

blumig, fruchtig, nach Kräutern, Heu, Limonen,<br />

Minze oder sogar Whiskey riechen, der Geschmack<br />

kann malzig, kar<strong>am</strong>ellig, geröstet, nussig, brotähnlich<br />

oder fruchtig sein.<br />

Hegemoniales Märzen<br />

Obwohl der weithin ungebrochene Hype um die<br />

sogenannten Craft Biere suggeriert, dass diese<br />

mittlerweile einen Gutteil der konsumierten Biere<br />

ausmachen müssten, ist dem ganz und gar nicht<br />

so. Das mit Abstand beliebeste Bier ist nach wie<br />

vor das Märzen mit einem Anteil von 63 Prozent,<br />

das auch weltweit als Märzen- bzw. Lagerbier das<br />

meistgetrunkene ist. Dem konstruierten Gegensatz<br />

zwischen „klassischem Bier“ und Craft-Bier kann<br />

Gurschler überhaupt nichts abgewinnen. „Für die<br />

Biervielfalt und Bierkultur waren die Kreativbiere<br />

sicher insges<strong>am</strong>t gut. Dadurch ist Bier wieder mehr<br />

zum Thema geworden. Die Menschen interessieren<br />

sich wieder mehr dafür und das ist positiv“, merkt<br />

Gurschler an. Bier ist en vogue, und davon profitiert<br />

der ges<strong>am</strong>te heimische Biermarkt, der im Gegensatz<br />

zu anderen westeuropäischen Ländern auf konstant<br />

hohem Niveau bleibt.<br />

Ohne und Leicht im Trend<br />

Neben dem Megatrend Kreativbier zeichnen sich<br />

derzeit einige weitere Trends ab, weiß Matthias<br />

Gurschler. Einer davon ist die neu entfl<strong>am</strong>mte Liebe<br />

zum alkoholfreien Bier, dessen Konsum sich in den<br />

vergangenen drei Jahren – zwar von einem relativ<br />

niedrigen Niveau ausgehend – verdoppelt hat. Die<br />

Begeisterung über den Geschmack des alkoholfreien<br />

Biers hielt sich bei eingefleischten Biertrinkern<br />

zumindest früher in Grenzen, schmeckte das Alkoholfreie<br />

doch eher unbierig, malzig, süß. Das ist<br />

Vergangenheit. „Den Braumeistern ist es gelungen,<br />

Prozesse zu finden, um das alkoholfreie Bier noch<br />

biertypischer zu machen“, erklärt Gurschler. Früher<br />

musste der Brauprozess abrupt abgebrochen<br />

werden, ehe der Malzzucker vollständig vergoren<br />

war. Daher blieb eine d<strong>am</strong>als typische Restsüße<br />

zurück, die dem Biergenuss nicht gerade zuträglich<br />

war. Mittlerweile wird der Alkohol nach dem Ende<br />

des Brauvorgangs mittels verschiedener Verfahren<br />

wie etwa der physikalischen Umkehrosmose oder<br />

aber thermisch extrahiert. Das vorzeigbare Resultat:<br />

100 Prozent Biergeschmack bei 0 Prozent<br />

Alkoholgehalt. Dadurch wird das edle Getränk auch<br />

zum ebenso würdigen wie würzigen Begleiter bei<br />

Businesslunch & Co. So weiß etwa Zipfer Hell, ein<br />

klares, angenehm vollmundiges und erfrischendes<br />

alkoholfreies Bier, geschmacklich in der Verkostung<br />

durchaus zu überzeugen. Unter Sportlern ist vor<br />

allem das alkoholfreie Weizenbier der absolute<br />

Renner. Davon kann man sich bei einem Besuch auf<br />

einer der unzähligen bewirtschafteten <strong>Tirol</strong>er Almen,<br />

die von Mountainbikern frequentiert werden,<br />

selbst rasch ein Bild machen. „Die Fruchtigkeit des<br />

Legendäres<br />

Getränk<br />

Bei einem Getränk wie Bier, das<br />

schon vor rund 7000 Jahren zum<br />

ersten Mal gebraut wurde, darf es<br />

nicht weiter verwundern, dass es<br />

auch in der Sprache – vor allem in<br />

Form von Metaphern – deutliche<br />

Spuren hinterlassen hat.<br />

Hopfen und Malz –<br />

Gott erhalt‘s<br />

Bierbrauen war im Mittelalter so wie<br />

Brotbacken Frauensache. Deshalb<br />

war auch der Braukessel eine durchaus<br />

übliche Mitgift. Der fromme<br />

Wunsch rührt daher, dass bei Vorhandensein<br />

von obigen Zutaten der<br />

Entstehung eines Biers kaum mehr<br />

etwas im Wege stehen kann. Das<br />

Geheimnis um die Hefe als Ursache<br />

der Vergärung hatte man d<strong>am</strong>als<br />

aber noch nicht gelüftet, weshalb<br />

man ein Stoßgebet für angebracht<br />

hielt. Mit dem Brauerspruch „Gott<br />

gebe Glück und Segen drein“ verhält<br />

es sich ähnlich.<br />

Das schlägt dem<br />

Fass den Boden aus<br />

In früheren Zeiten war die Qualität<br />

des Biers nicht immer gut. War ein<br />

Fass ungenießbar, schlugen die<br />

zuständigen Stellen diesem kurzerhand<br />

den Boden aus, d<strong>am</strong>it es nicht<br />

in Umlauf gebracht werden konnte.<br />

Pech gehabt<br />

Pech hatte früher, wer Splitter der<br />

Pechschicht eines Fasses in seinem<br />

Bierkrug fand. Die Fässer wurden<br />

innen gepicht, um sie abzudichten.<br />

Da ist Hopfen und<br />

Malz verloren<br />

Wurde bei der Bierherstellung gepfuscht<br />

und der Gärprozess funktionierte<br />

nicht richtig, war es zwecklos,<br />

es weiter zu versuchen. Hopfen und<br />

Malz waren verloren.<br />

Zapfenstreich<br />

Der Begriff soll daher st<strong>am</strong>men, dass<br />

früher zu späterer Stunde ein Kreidestrich<br />

über den Zapfen der Fässer<br />

gemacht wurde, um die weitere<br />

Ausschank von Bieren zu verhindern.<br />

<strong>Tirol</strong> <strong>am</strong> <strong>Teller</strong> <strong>2016</strong> 75

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