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Käse & Wein<br />
Im Fundus der Genbank finden sich neben allerhand<br />
Getreidesorten auch dutzende heimische Mohnsorten.<br />
In der <strong>Tirol</strong>er Genbank lagern insges<strong>am</strong>t rund 1.000<br />
Saatgutproben von 35 Arten und 68 seltene Apfelsorten.<br />
schätze aus der genbank<br />
Ganz der Bewahrung alter Obst-, Gemüse- und<br />
Getreidesorten verschrieben hat sich die <strong>Tirol</strong>er<br />
Genbank im Amt der <strong>Tirol</strong>er Landesregierung und<br />
mit ihr Christian Partl, der in der Abteilung Landwirtschaftliches<br />
Schulwesen im Innsbrucker Landhaus<br />
sitzt. Zu Partls Hauptaufgaben gehört auch<br />
die Arbeit an der landeseigenen <strong>Tirol</strong>er Genbank<br />
landwirtschaftlicher Nutzpflanzen, deren Ursprung<br />
auf das Jahr 1922 zurückdatiert. D<strong>am</strong>it handelt es<br />
sich um eine der ältesten europäischen Genbanken.<br />
Heute umfasst sie über 1000 Herkünfte: „Es finden<br />
sich neben allen heimischen Getreidearten auch Erbsen,<br />
Bohnen, Mais, Mohn, Rüben, Kartoffel, Lein,<br />
Buchweizen oder Raritäten wie Brotklee, Lupine,<br />
Kresse, Kohl, Schnittlauch oder Zwiebel. Eine bunte<br />
Vielfalt, die Vergangenes zeigt – sehr oft verknüpft<br />
mit persönlichen Geschichten der Menschen. Eine<br />
bunte Vielfalt, die auch weit vorausschaut: Biodiversität,<br />
genetische Breite und wertvolle Eigenschaften<br />
der alten Landsorten werden für zukünftige Züchtungen<br />
immer wichtiger. So ist die <strong>Tirol</strong>er Genbank<br />
ein Museum des ‚Lebendigen‘ mit starkem Blick in<br />
die Zukunft“, fasst Partl zus<strong>am</strong>men. Eine Zukunftschance<br />
– nicht die einzige – der <strong>Tirol</strong>er Landwirtschaft<br />
kann es sein, das Vergangengeglaubte in die<br />
Zukunft zu tragen. Das klingt pathetischer, als es im<br />
Grunde genommen ist. Die Wiederentdeckung und<br />
Kultivierung alter Sorten geschieht nämlich nicht<br />
aus Liebhaberei oder gar Altruismus. Nein, vor allem<br />
alte Getreidesorten haben sich als diätologisch hochwertig<br />
erwiesen. Dementsprechend werden auch <strong>am</strong><br />
Markt höhere Preise erzielt. Das rechnet sich, auch<br />
wenn die Erträge im Vergleich geringer sind. „Da haben<br />
wir zum Beispiel die Fisser Gerste, die Pumper<br />
Gerste, den Obernberger Schwarzhafer, den <strong>Tirol</strong>er<br />
Kolbendinkel, den <strong>Tirol</strong>er Frühen Binkel, das ist ein<br />
Sommerweizen, den <strong>Tirol</strong>er Sommerroggen oder die<br />
<strong>Tirol</strong>er Rispenhirse. Von einigen dieser Spezialitäten<br />
haben wir angenommen, dass sie eine gewisse wirtschaftliche<br />
Bedeutung erlangen könnten. Deshalb<br />
haben wir von diesen Sorten mehr vermehrt, als<br />
zur reinen Erhaltung notwendig wäre“, erklärt Partl,<br />
dessen Aufzählung natürlich keineswegs taxativ ist.<br />
<strong>Tirol</strong>er Genbank „Die ist ein<br />
Museum des ‚Lebendigen‘ mit starkem<br />
Blick in die Zukunft!“ Christian Partl, <strong>Tirol</strong>er Genbank<br />
Zur bloßen Erhaltung einer Sorte reicht ein halbes<br />
bis ein Kilogr<strong>am</strong>m keimfähigen Materials aus, das in<br />
der Genbank eingelagert ist. Die Erhaltung und zum<br />
Teil Wiedererlangung einer stärkeren Biodiversität<br />
ist auch ein Beitrag zur <strong>Tirol</strong>er Kulturlandschaft, die<br />
noch vor wenigen Jahrzehnten deutlich stärker von<br />
Getreidefeldern geprägt war. „Das Material in der<br />
Genbank ist das, was unsere Vorfahren über Generationen<br />
ernährt hat“, merkt Christian Partl an. Diese<br />
alten Sorten haben sich außerdem im Laufe langer<br />
Jahre an die Bedingungen im Land angepasst. „Die<br />
modernen Sorten können schon auch etwas. Wenn<br />
man aber weiß, dass alle modernen Weizensorten<br />
auf relativ wenige Mutterlinien des Manitoba-<br />
Weizens aus Nord<strong>am</strong>erika zurückgehen, dann wird<br />
einem bewusst, dass die genetische Breite, die allein<br />
in unserem Sommerweizen-Sortiment enthalten<br />
ist, um Zehnerpotenzen größer ist, dann sieht man<br />
den riesigen Wert, den wir in der Genbank konservieren“,<br />
erklärt Partl und fügt hinzu: „Natur war<br />
immer etwas Lebendiges, etwas, das sich bewegt<br />
und entwickelt.“ Etwas, das sich schon in nicht<br />
allzu ferner Zukunft ändern könnte, wenn es nach<br />
Konzernen wie dem eingangs erwähnten Monsanto<br />
ginge. Das Unternehmen besitzt ein Patent, um die<br />
Keimfähigkeit seiner Pflanzen genetisch ausschalten<br />
zu können. Die Ernährungssicherheit von einem<br />
börsennotierten Konzern abhängig zu machen, wäre<br />
kein besonders kluger Schachzug. Züchtung, der die<br />
Mendelsche Vererbungslehre zugrundeliegt, ist ein<br />
akzeptierter und wichtiger Vorgang, weshalb der<br />
Begriff wertfrei zu sehen ist. Die grüne Gentechnik<br />
ist in Europa und Österreich dagegen heftig umstritten.<br />
In Österreich ist die Aussaat gentechnisch<br />
veränderter Pflanzen überdies verboten. In <strong>Tirol</strong> gilt<br />
darüber hinaus ein bereits 2005 erlassenes, streng<br />
formuliertes Gentechnik-Vorsorgegesetz. „Mir wäre<br />
kein Fall bekannt, wo die grüne Gentechnik bislang<br />
gehalten hätte, was sie versprochen hat“, sagt der<br />
Gen-Bankier zum Thema Gentechnik. Seines Wissens<br />
habe sich der Pestizideinsatz seit erstmaligem<br />
Einsatz der Gentechnik vervielfacht.<br />
Man muss also weder ein Träumer noch ein allzu<br />
großer Idealist sein, um dem Revival alter Sorten<br />
ruhigen Gewissens das Wort reden zu können.<br />
Dafür genügt schon das kleine Einmaleins. Ernährungswissenschaftler<br />
besingen zudem manchmal<br />
fast hymnisch die Eigenschaften der wiederentdeckten<br />
Sorten. Ein großflächiges Comeback ist<br />
nicht ausgeschlossen, zumal es schon erfolgreiche<br />
Vorreiterprojekte wie die Fisser Gerste oder das<br />
„Tiroggl“-Brot gibt. Nachahmungstäter sind also<br />
Fotos: Kröll (1), Land <strong>Tirol</strong> (2), Etzold (1)<br />
8 <strong>Tirol</strong> <strong>am</strong> <strong>Teller</strong> <strong>2016</strong>