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ECHO Tirol am Teller 2016

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Käse & Wein<br />

Im Fundus der Genbank finden sich neben allerhand<br />

Getreidesorten auch dutzende heimische Mohnsorten.<br />

In der <strong>Tirol</strong>er Genbank lagern insges<strong>am</strong>t rund 1.000<br />

Saatgutproben von 35 Arten und 68 seltene Apfelsorten.<br />

schätze aus der genbank<br />

Ganz der Bewahrung alter Obst-, Gemüse- und<br />

Getreidesorten verschrieben hat sich die <strong>Tirol</strong>er<br />

Genbank im Amt der <strong>Tirol</strong>er Landesregierung und<br />

mit ihr Christian Partl, der in der Abteilung Landwirtschaftliches<br />

Schulwesen im Innsbrucker Landhaus<br />

sitzt. Zu Partls Hauptaufgaben gehört auch<br />

die Arbeit an der landeseigenen <strong>Tirol</strong>er Genbank<br />

landwirtschaftlicher Nutzpflanzen, deren Ursprung<br />

auf das Jahr 1922 zurückdatiert. D<strong>am</strong>it handelt es<br />

sich um eine der ältesten europäischen Genbanken.<br />

Heute umfasst sie über 1000 Herkünfte: „Es finden<br />

sich neben allen heimischen Getreidearten auch Erbsen,<br />

Bohnen, Mais, Mohn, Rüben, Kartoffel, Lein,<br />

Buchweizen oder Raritäten wie Brotklee, Lupine,<br />

Kresse, Kohl, Schnittlauch oder Zwiebel. Eine bunte<br />

Vielfalt, die Vergangenes zeigt – sehr oft verknüpft<br />

mit persönlichen Geschichten der Menschen. Eine<br />

bunte Vielfalt, die auch weit vorausschaut: Biodiversität,<br />

genetische Breite und wertvolle Eigenschaften<br />

der alten Landsorten werden für zukünftige Züchtungen<br />

immer wichtiger. So ist die <strong>Tirol</strong>er Genbank<br />

ein Museum des ‚Lebendigen‘ mit starkem Blick in<br />

die Zukunft“, fasst Partl zus<strong>am</strong>men. Eine Zukunftschance<br />

– nicht die einzige – der <strong>Tirol</strong>er Landwirtschaft<br />

kann es sein, das Vergangengeglaubte in die<br />

Zukunft zu tragen. Das klingt pathetischer, als es im<br />

Grunde genommen ist. Die Wiederentdeckung und<br />

Kultivierung alter Sorten geschieht nämlich nicht<br />

aus Liebhaberei oder gar Altruismus. Nein, vor allem<br />

alte Getreidesorten haben sich als diätologisch hochwertig<br />

erwiesen. Dementsprechend werden auch <strong>am</strong><br />

Markt höhere Preise erzielt. Das rechnet sich, auch<br />

wenn die Erträge im Vergleich geringer sind. „Da haben<br />

wir zum Beispiel die Fisser Gerste, die Pumper<br />

Gerste, den Obernberger Schwarzhafer, den <strong>Tirol</strong>er<br />

Kolbendinkel, den <strong>Tirol</strong>er Frühen Binkel, das ist ein<br />

Sommerweizen, den <strong>Tirol</strong>er Sommerroggen oder die<br />

<strong>Tirol</strong>er Rispenhirse. Von einigen dieser Spezialitäten<br />

haben wir angenommen, dass sie eine gewisse wirtschaftliche<br />

Bedeutung erlangen könnten. Deshalb<br />

haben wir von diesen Sorten mehr vermehrt, als<br />

zur reinen Erhaltung notwendig wäre“, erklärt Partl,<br />

dessen Aufzählung natürlich keineswegs taxativ ist.<br />

<strong>Tirol</strong>er Genbank „Die ist ein<br />

Museum des ‚Lebendigen‘ mit starkem<br />

Blick in die Zukunft!“ Christian Partl, <strong>Tirol</strong>er Genbank<br />

Zur bloßen Erhaltung einer Sorte reicht ein halbes<br />

bis ein Kilogr<strong>am</strong>m keimfähigen Materials aus, das in<br />

der Genbank eingelagert ist. Die Erhaltung und zum<br />

Teil Wiedererlangung einer stärkeren Biodiversität<br />

ist auch ein Beitrag zur <strong>Tirol</strong>er Kulturlandschaft, die<br />

noch vor wenigen Jahrzehnten deutlich stärker von<br />

Getreidefeldern geprägt war. „Das Material in der<br />

Genbank ist das, was unsere Vorfahren über Generationen<br />

ernährt hat“, merkt Christian Partl an. Diese<br />

alten Sorten haben sich außerdem im Laufe langer<br />

Jahre an die Bedingungen im Land angepasst. „Die<br />

modernen Sorten können schon auch etwas. Wenn<br />

man aber weiß, dass alle modernen Weizensorten<br />

auf relativ wenige Mutterlinien des Manitoba-<br />

Weizens aus Nord<strong>am</strong>erika zurückgehen, dann wird<br />

einem bewusst, dass die genetische Breite, die allein<br />

in unserem Sommerweizen-Sortiment enthalten<br />

ist, um Zehnerpotenzen größer ist, dann sieht man<br />

den riesigen Wert, den wir in der Genbank konservieren“,<br />

erklärt Partl und fügt hinzu: „Natur war<br />

immer etwas Lebendiges, etwas, das sich bewegt<br />

und entwickelt.“ Etwas, das sich schon in nicht<br />

allzu ferner Zukunft ändern könnte, wenn es nach<br />

Konzernen wie dem eingangs erwähnten Monsanto<br />

ginge. Das Unternehmen besitzt ein Patent, um die<br />

Keimfähigkeit seiner Pflanzen genetisch ausschalten<br />

zu können. Die Ernährungssicherheit von einem<br />

börsennotierten Konzern abhängig zu machen, wäre<br />

kein besonders kluger Schachzug. Züchtung, der die<br />

Mendelsche Vererbungslehre zugrundeliegt, ist ein<br />

akzeptierter und wichtiger Vorgang, weshalb der<br />

Begriff wertfrei zu sehen ist. Die grüne Gentechnik<br />

ist in Europa und Österreich dagegen heftig umstritten.<br />

In Österreich ist die Aussaat gentechnisch<br />

veränderter Pflanzen überdies verboten. In <strong>Tirol</strong> gilt<br />

darüber hinaus ein bereits 2005 erlassenes, streng<br />

formuliertes Gentechnik-Vorsorgegesetz. „Mir wäre<br />

kein Fall bekannt, wo die grüne Gentechnik bislang<br />

gehalten hätte, was sie versprochen hat“, sagt der<br />

Gen-Bankier zum Thema Gentechnik. Seines Wissens<br />

habe sich der Pestizideinsatz seit erstmaligem<br />

Einsatz der Gentechnik vervielfacht.<br />

Man muss also weder ein Träumer noch ein allzu<br />

großer Idealist sein, um dem Revival alter Sorten<br />

ruhigen Gewissens das Wort reden zu können.<br />

Dafür genügt schon das kleine Einmaleins. Ernährungswissenschaftler<br />

besingen zudem manchmal<br />

fast hymnisch die Eigenschaften der wiederentdeckten<br />

Sorten. Ein großflächiges Comeback ist<br />

nicht ausgeschlossen, zumal es schon erfolgreiche<br />

Vorreiterprojekte wie die Fisser Gerste oder das<br />

„Tiroggl“-Brot gibt. Nachahmungstäter sind also<br />

Fotos: Kröll (1), Land <strong>Tirol</strong> (2), Etzold (1)<br />

8 <strong>Tirol</strong> <strong>am</strong> <strong>Teller</strong> <strong>2016</strong>

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