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ECHO Tirol am Teller 2016

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Handwerk<br />

Naturhefe: Ein<br />

Handwerkerwissen<br />

Zur Person<br />

Gotthard Valier st<strong>am</strong>mt aus einer Südtiroler<br />

Bäckerf<strong>am</strong>ilie. Sein Urgroßvater<br />

betrieb eine Bäckerei in der Bozner<br />

Altstadt. Vom Erbe kaufte Gotthards<br />

Großvater um die letzte Jahrhundertwende<br />

eine Bäckerei in Innsbruck, die seither<br />

ebenso als F<strong>am</strong>ilienbetrieb geführt wird.<br />

Gotthard Valier baute sie zur Konditorei<br />

um. Heute unterstützt der pensionierte<br />

Konditor- und Bäckermeister seinen Sohn<br />

im Betrieb.<br />

Die modernen Essensgewohnheiten haben sich in den letzten<br />

50 Jahren drastisch verändert. Experten stehen dieser Entwicklung<br />

skeptisch gegenüber, mahnen beim Konsum industriell hergestellter<br />

Lebensmittel zur Mäßigung und empfehlen hausgemachte Kost. Ein<br />

Lebensmittel, dessen Zubereitung schon mehrere tausend Jahre alt ist,<br />

spielt dabei eine besondere Rolle: das Brot.<br />

U<br />

nser Körper ist von bemerkenswerter<br />

Stabilität. Diese entwickelte sich über<br />

hunderttausend Generationen, und ist<br />

seit jeher von zwei Dingen geprägt: den K<strong>am</strong>pf gegen<br />

Infektionen zu überleben und ausreichend ernährt<br />

zu werden. „Durch diese Erfahrungen ist unser<br />

Körper heute in der Lage, mit relativ wenig sehr<br />

gut zurechtzukommen,“ sagt Alexander Moschen,<br />

Gastroenterologe an der Med-Uni Innsbruck. Nun<br />

habe sich in den letzten zwei bis drei Generationen<br />

unser Lebensstil aber völlig verändert. Den einen<br />

steht Nahrung im Überfluss zur Verfügung, während<br />

andere wiederum mit Unterversorgung kämpfen.<br />

Dabei ist der Körper spars<strong>am</strong> und kann einen Energiespeicher<br />

für Zeiten der Knappheit anlegen – eine<br />

Knappheit, die aber hierzulande nicht kommt. In<br />

diesem Zus<strong>am</strong>menhang sei es für Moschen sinnvoll,<br />

sich mit dem Thema Nahrung und den Lektionen,<br />

die die Menschen im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte<br />

erlernten, bewusst auseinanderzusetzen.<br />

Besonders faszinierend findet er die Entstehungsgeschichte<br />

des Brots. „Wir nehmen heute an, dass<br />

der Weizenanbau in etwa 5000 Jahre alt ist. D<strong>am</strong>als<br />

wurden wohl noch einfache Fladen aus Mehl und<br />

Wasser hergestellt,“ erzählt der Internist. Möglicherweise<br />

vergaß jemand einmal einen Teig: Durch die<br />

Luftkeime fing dieser an zu blubbern, wurde größer.<br />

Und als der Bäcker ihn wiederfand, beschloss er, das<br />

gute Zeug nicht wegzuwerfen, sondern im Ofen<br />

zuzubereiten. Wie groß mag wohl die Überraschung<br />

beim Anblick und Kosten des ersten Brotlaibs<br />

gewesen sein?<br />

Vielfältige Welt der Hefe<br />

Einer, der die Faszination für die Wirkung von Bakterien<br />

auf Nahrungsmittel mit Dr. Moschen teilt, ist<br />

der Innsbrucker Konditor- und Bäckermeister Gotthard<br />

Valier. Sein Spezialgebiet sind süße Hefeteige<br />

für die italienischen Weihnachtsklassiker Panettone<br />

und Pandoro. „Beides reine Naturprodukte,“ erklärt<br />

Valier, der schon immer der italienischen, französischen<br />

und spanischen Essenskultur zugetan war.<br />

Er ist sehr froh über seine vielen Kontakte in diesen<br />

Ländern, denn durch sie durfte er eine Essenskultur<br />

kennenlernen, die er hierzulande vermisst. „Bäckereiprodukte<br />

aus Hefeteig gibt es dort überall, süß und<br />

gesalzen, und sie werden regelrecht zelebriert. Mit<br />

einem Stück Weißbrot, C<strong>am</strong>embert oder Prosciutto,<br />

dazu ein Gläschen Wein, hat man gegessen“,<br />

schwärmt Valier. Ein Panettone wäre mit handelsüblicher<br />

Bierhefe aus dem Päckchen nicht machbar,<br />

diese entwickelt ganz andere Poren als die Naturhefe.<br />

Der Umgang d<strong>am</strong>it ist allerdings eine eigene Wissenschaft,<br />

die der Konditormeister hervorragend<br />

beherrscht. Traditionelles italienisches oder französisches<br />

Brot wird aus einem lang geführten Hefeteig<br />

gebacken, d<strong>am</strong>it sich das Gluten richtig entwickelt<br />

und für die gewünschte Lockerheit sorgt. Dabei wird<br />

dem neuen Teig immer etwas alter Teig hinzugefügt.<br />

Dieser besteht im Prinzip nur aus einem Wasser- und<br />

Mehlgemisch, das zur Fermentation gebracht wird.<br />

Gotthard Valier fügt Apfelsaft hinzu, d<strong>am</strong>it es durch<br />

den Fruchtzucker schneller vergärt. „Mit einem<br />

Mehl wie beim Italiener wären wir glücklich“, soll<br />

Gotthards Vater immer wieder gesagt haben. Dieses<br />

ist klimatisch bedingt besonders reich an Kohlenhydraten,<br />

wovon die Hefe letztendlich profitiert.<br />

Gutes Brot verlangt Geduld<br />

Sobald die Fermentation anfängt, kann diese gelenkt<br />

werden, um den Geschmack zu beeinflussen. Dafür<br />

muss der Teig immer wieder ruhen, dann wieder mit<br />

Fotos: Friedle (1), Fotolia (1)<br />

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