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Oscar kocht<br />
kommen, denn die Hausbank Oscars war nicht bereit,<br />
ihm den benötigten Kredit für sein Restaurant zu<br />
geben – der Businessplan fürs „Oscar“ wurde als viel<br />
zu riskant eingestuft. „Sie haben gemeint, ich müsse<br />
ja immer ausgebucht sein und das kann einfach nicht<br />
funktionieren.“ Und es wurde kritisiert, dass es in<br />
der Defreggerstraße nur wenige Parkplätze gibt. „Die<br />
Bank hat gemeint, ich soll besser in ein Einkaufszentrum<br />
ziehen. Die haben geglaubt, das Oscar wird<br />
ein Würstelstand“, muss Oscar heute noch den Kopf<br />
schütteln.<br />
Das Konzept geht auf<br />
Aber das Oscar hat auch ohne Bankinstitut funktioniert<br />
und zwar ganz ausgezeichnet. Seit seinem<br />
Start hat Oscar weit mehr als 2000 Mahlzeiten<br />
an den Mann bzw. an die Frau gemacht und sein<br />
Lokal ist de facto jeden Tag bis auf den letzten Platz<br />
ausgebucht. Vor allem abends sollte man ohne<br />
Reservierung nicht ins Oscar gehen – man wird mit<br />
Sicherheit keinen freien Stuhl <strong>am</strong> Tisch vorfinden.<br />
Zu Mittag ist das anders – von Dienstag bis Freitag<br />
werden zwölf Portionen zubereitet und von 12 bis<br />
14 Uhr serviert, Reservierungen sind (noch) nicht<br />
notwendig.<br />
Ein elementarer Grundbestandteil des „Oscar<br />
kocht“-Konzepts ist, dass ausschließlich vegetarisch<br />
gekocht wird, und: „Ja, Fisch ist auch Fleisch.“ Dabei<br />
ist Oscar Germes-Castro selbst kein Vegetarier,<br />
aber mit Gemüse zu kochen erfordere ein größeres<br />
Ausmaß an Kreativität, ist er sich sicher: „Wenn ich<br />
nur Lauch und Zwiebeln zur Verfügung habe, muss<br />
ich mir was einfallen lassen. Bei einem Schnitzel<br />
brauch ich nicht lang überlegen.“ Und Fleisch anzubieten,<br />
passt auch nicht in die Ges<strong>am</strong>tidee seines<br />
Restaurants, das er möglichst umweltverträglich<br />
führen möchte – Stichwort CO 2 -Ausstoß.<br />
Morgen? Keine Ahnung.<br />
Als wir das Gespräch mit Oscar führen, ist gerade<br />
Montag, nach Sonntag der zweite Ruhetag des<br />
Oscar. Wir fragen den Chef nach dem Menü für<br />
morgen und er antwortet: „Morgen? Keine Ahnung.<br />
Ich muss erst schauen, was alles <strong>am</strong> Markt<br />
ist.“ Das ist auch so etwas, was er hat lernen müssen:<br />
„In der Woche vor der Eröffnung hab‘ ich einen<br />
genauen Menüplan zus<strong>am</strong>mengestellt, ich wollte<br />
möglichst gut vorbereitet sein. Und dann bin ich<br />
beim Einkaufen draufgekommen, dass viele Sachen<br />
nicht verfügbar waren. Also mach‘ ich das heute<br />
umgekehrt.“ Sein Marktplatz ist die Innsbrucker<br />
Markthalle, wo er im hinteren Teil bei den heimischen<br />
Bauern einkauft. Und dann hat er noch<br />
Landwirte seines Vertrauens in Arzl und Rum, dazu<br />
den Abs<strong>am</strong>er Bio-Bauern Thomas Huber. Und Jörg<br />
bringt von seinem Feld <strong>am</strong> Natterer Boden frischen<br />
Bio-Salat vorbei. Ähnlich verhält es sich bei den Getränken.<br />
Die meisten Winzer seiner Weine kennt er<br />
persönlich, einige waren auch schon Gast in seinem<br />
Restaurant.<br />
Am Abend erwartet dann die maximal acht Besucher<br />
ein sechsgängiges Menü, das von Oscar direkt<br />
im gerade mal 20 Quadratmeter großen Hauptraum<br />
zubereitet wird, vor den Augen der Gäste. Nur<br />
die Suppe ist vorbereitet, alles andere wird unmittelbar<br />
vor dem Essen frisch gekocht. So wird der<br />
Gast unmittelbarer Zeuge von Oscars Kochkunst<br />
und kann ihm sprichwörtlich auf die Finger schauen.<br />
Oscar hat den Ehrgeiz, möglichst kein Gericht<br />
ein zweites Mal zu kochen und so hat er in den<br />
vergangenen 20 Monaten an die 250 verschiedene<br />
Mahlzeiten zubereitet – meist Eigenkreationen<br />
oder Abwandlungen gängiger Rezepte. Nur bei den<br />
Nachspeisen hat er ein paar Mal eine Ausnahme<br />
gemacht. Dem Gästewunsch entsprechend hat er so<br />
manchen Kuchen bereits mehrmals auf der Speisekarte<br />
gehabt.<br />
„Das ist absolut einzigartig“<br />
Oscar Germes-Castro verbirgt keineswegs, dass er<br />
ziemlich stolz ist auf sein kleines, aber einzigartiges<br />
Restaurant. Und wenn er von der Vielfalt seiner Gäste<br />
spricht, dann beginnen seine Augen richtig zu leuchten:<br />
„Erst vergangene Woche sind unter den acht<br />
Gästen <strong>am</strong> Abend zwei ältere Herren und zwei junge<br />
Frauen aus der autonomen Szene zus<strong>am</strong>mengesessen.<br />
Sie sind gleich einmal miteinander ins Gespräch<br />
gekommen und später haben sie sich gegenseitig von<br />
ihrem Wein kosten lassen. Also das gibt es nirgendwo,<br />
dass ein 70-jähriger Mann im Trachten-Sakko<br />
einer tätowierten jungen Frau sein Glas rüberreicht,<br />
d<strong>am</strong>it sie einen Schluck daraus nehmen kann. Das<br />
gibt’s nur im Oscar und das macht mich schon sehr<br />
stolz.“ Es kommt auch vor, dass Gäste ihre Telefonnummern<br />
austauschen oder dass man nach dem<br />
Oscar noch gemeins<strong>am</strong> etwas trinken geht, weil man<br />
sich so gut unterhalten hat. Dass ein gemeins<strong>am</strong>er<br />
Esstisch auch eine soziale Komponente haben kann,<br />
ist sicher eines der Erfolgsgeheimnisse des Oscar –<br />
von den lukullischen Genüssen einmal ganz abgesehen.<br />
In einigen Monaten wird Oscar Germes-Castro<br />
endlich seine Dissertation fertiggeschrieben haben<br />
und dann wird er „Doktor der Wirtschaftssoziologie“<br />
sein, wie er lachend sagt. Ob der Herr Doktor dann<br />
noch sein Restaurant in der Defreggerstraße führen<br />
wird? „Mein Plan ist es, keinen Plan zu haben. Wer<br />
kann schon wissen, was das Schicksal noch mit mir<br />
vorhat? Nur eines ist sicher – im Bankenbereich werde<br />
ich niemals landen.“<br />
Das werden seine Gäste und St<strong>am</strong>mgäste gern<br />
hören, dürfen sie doch hoffen, dass ihnen das Oscar<br />
noch lange erhalten bleibt. In der bunten Innsbrucker<br />
Gastronomie-Landschaft ist das Oscar in den 20<br />
Monaten seines Bestehens jedenfalls zu einem ganz<br />
besonderen Farbklecks geworden.<br />
<br />
Gernot Zimmermann<br />
<strong>Tirol</strong> <strong>am</strong> <strong>Teller</strong> <strong>2016</strong> 43