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ECHO Tirol am Teller 2016

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Oscar kocht<br />

kommen, denn die Hausbank Oscars war nicht bereit,<br />

ihm den benötigten Kredit für sein Restaurant zu<br />

geben – der Businessplan fürs „Oscar“ wurde als viel<br />

zu riskant eingestuft. „Sie haben gemeint, ich müsse<br />

ja immer ausgebucht sein und das kann einfach nicht<br />

funktionieren.“ Und es wurde kritisiert, dass es in<br />

der Defreggerstraße nur wenige Parkplätze gibt. „Die<br />

Bank hat gemeint, ich soll besser in ein Einkaufszentrum<br />

ziehen. Die haben geglaubt, das Oscar wird<br />

ein Würstelstand“, muss Oscar heute noch den Kopf<br />

schütteln.<br />

Das Konzept geht auf<br />

Aber das Oscar hat auch ohne Bankinstitut funktioniert<br />

und zwar ganz ausgezeichnet. Seit seinem<br />

Start hat Oscar weit mehr als 2000 Mahlzeiten<br />

an den Mann bzw. an die Frau gemacht und sein<br />

Lokal ist de facto jeden Tag bis auf den letzten Platz<br />

ausgebucht. Vor allem abends sollte man ohne<br />

Reservierung nicht ins Oscar gehen – man wird mit<br />

Sicherheit keinen freien Stuhl <strong>am</strong> Tisch vorfinden.<br />

Zu Mittag ist das anders – von Dienstag bis Freitag<br />

werden zwölf Portionen zubereitet und von 12 bis<br />

14 Uhr serviert, Reservierungen sind (noch) nicht<br />

notwendig.<br />

Ein elementarer Grundbestandteil des „Oscar<br />

kocht“-Konzepts ist, dass ausschließlich vegetarisch<br />

gekocht wird, und: „Ja, Fisch ist auch Fleisch.“ Dabei<br />

ist Oscar Germes-Castro selbst kein Vegetarier,<br />

aber mit Gemüse zu kochen erfordere ein größeres<br />

Ausmaß an Kreativität, ist er sich sicher: „Wenn ich<br />

nur Lauch und Zwiebeln zur Verfügung habe, muss<br />

ich mir was einfallen lassen. Bei einem Schnitzel<br />

brauch ich nicht lang überlegen.“ Und Fleisch anzubieten,<br />

passt auch nicht in die Ges<strong>am</strong>tidee seines<br />

Restaurants, das er möglichst umweltverträglich<br />

führen möchte – Stichwort CO 2 -Ausstoß.<br />

Morgen? Keine Ahnung.<br />

Als wir das Gespräch mit Oscar führen, ist gerade<br />

Montag, nach Sonntag der zweite Ruhetag des<br />

Oscar. Wir fragen den Chef nach dem Menü für<br />

morgen und er antwortet: „Morgen? Keine Ahnung.<br />

Ich muss erst schauen, was alles <strong>am</strong> Markt<br />

ist.“ Das ist auch so etwas, was er hat lernen müssen:<br />

„In der Woche vor der Eröffnung hab‘ ich einen<br />

genauen Menüplan zus<strong>am</strong>mengestellt, ich wollte<br />

möglichst gut vorbereitet sein. Und dann bin ich<br />

beim Einkaufen draufgekommen, dass viele Sachen<br />

nicht verfügbar waren. Also mach‘ ich das heute<br />

umgekehrt.“ Sein Marktplatz ist die Innsbrucker<br />

Markthalle, wo er im hinteren Teil bei den heimischen<br />

Bauern einkauft. Und dann hat er noch<br />

Landwirte seines Vertrauens in Arzl und Rum, dazu<br />

den Abs<strong>am</strong>er Bio-Bauern Thomas Huber. Und Jörg<br />

bringt von seinem Feld <strong>am</strong> Natterer Boden frischen<br />

Bio-Salat vorbei. Ähnlich verhält es sich bei den Getränken.<br />

Die meisten Winzer seiner Weine kennt er<br />

persönlich, einige waren auch schon Gast in seinem<br />

Restaurant.<br />

Am Abend erwartet dann die maximal acht Besucher<br />

ein sechsgängiges Menü, das von Oscar direkt<br />

im gerade mal 20 Quadratmeter großen Hauptraum<br />

zubereitet wird, vor den Augen der Gäste. Nur<br />

die Suppe ist vorbereitet, alles andere wird unmittelbar<br />

vor dem Essen frisch gekocht. So wird der<br />

Gast unmittelbarer Zeuge von Oscars Kochkunst<br />

und kann ihm sprichwörtlich auf die Finger schauen.<br />

Oscar hat den Ehrgeiz, möglichst kein Gericht<br />

ein zweites Mal zu kochen und so hat er in den<br />

vergangenen 20 Monaten an die 250 verschiedene<br />

Mahlzeiten zubereitet – meist Eigenkreationen<br />

oder Abwandlungen gängiger Rezepte. Nur bei den<br />

Nachspeisen hat er ein paar Mal eine Ausnahme<br />

gemacht. Dem Gästewunsch entsprechend hat er so<br />

manchen Kuchen bereits mehrmals auf der Speisekarte<br />

gehabt.<br />

„Das ist absolut einzigartig“<br />

Oscar Germes-Castro verbirgt keineswegs, dass er<br />

ziemlich stolz ist auf sein kleines, aber einzigartiges<br />

Restaurant. Und wenn er von der Vielfalt seiner Gäste<br />

spricht, dann beginnen seine Augen richtig zu leuchten:<br />

„Erst vergangene Woche sind unter den acht<br />

Gästen <strong>am</strong> Abend zwei ältere Herren und zwei junge<br />

Frauen aus der autonomen Szene zus<strong>am</strong>mengesessen.<br />

Sie sind gleich einmal miteinander ins Gespräch<br />

gekommen und später haben sie sich gegenseitig von<br />

ihrem Wein kosten lassen. Also das gibt es nirgendwo,<br />

dass ein 70-jähriger Mann im Trachten-Sakko<br />

einer tätowierten jungen Frau sein Glas rüberreicht,<br />

d<strong>am</strong>it sie einen Schluck daraus nehmen kann. Das<br />

gibt’s nur im Oscar und das macht mich schon sehr<br />

stolz.“ Es kommt auch vor, dass Gäste ihre Telefonnummern<br />

austauschen oder dass man nach dem<br />

Oscar noch gemeins<strong>am</strong> etwas trinken geht, weil man<br />

sich so gut unterhalten hat. Dass ein gemeins<strong>am</strong>er<br />

Esstisch auch eine soziale Komponente haben kann,<br />

ist sicher eines der Erfolgsgeheimnisse des Oscar –<br />

von den lukullischen Genüssen einmal ganz abgesehen.<br />

In einigen Monaten wird Oscar Germes-Castro<br />

endlich seine Dissertation fertiggeschrieben haben<br />

und dann wird er „Doktor der Wirtschaftssoziologie“<br />

sein, wie er lachend sagt. Ob der Herr Doktor dann<br />

noch sein Restaurant in der Defreggerstraße führen<br />

wird? „Mein Plan ist es, keinen Plan zu haben. Wer<br />

kann schon wissen, was das Schicksal noch mit mir<br />

vorhat? Nur eines ist sicher – im Bankenbereich werde<br />

ich niemals landen.“<br />

Das werden seine Gäste und St<strong>am</strong>mgäste gern<br />

hören, dürfen sie doch hoffen, dass ihnen das Oscar<br />

noch lange erhalten bleibt. In der bunten Innsbrucker<br />

Gastronomie-Landschaft ist das Oscar in den 20<br />

Monaten seines Bestehens jedenfalls zu einem ganz<br />

besonderen Farbklecks geworden.<br />

<br />

Gernot Zimmermann<br />

<strong>Tirol</strong> <strong>am</strong> <strong>Teller</strong> <strong>2016</strong> 43

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