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ECHO Tirol am Teller 2016

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Genussregion<br />

den genannten Zutaten verlängert oder, in Gotthards<br />

Worten, „gewaschen und gefüttert werden, wie ein<br />

Kleinkind“. Wenn alle Bedingungen stimmig sind,<br />

verdreifacht sich das Volumen des Teigs bereits nach<br />

vier Stunden. Trotzdem erfordert die Naturhefe viel<br />

Geduld. Für den Panettone fängt der Konditor etwa<br />

sonntags mit der Teigführung an, im Verkauf steht<br />

das Endprodukt dann <strong>am</strong> Mittwoch. Für sämtliche<br />

Backwaren aus Naturhefe gilt: Unterschiedliche<br />

Fermentationen bringen unterschiedliche Variationen<br />

hervor. Valier vergleicht diese Prozesse mit der<br />

Herstellung von Käse oder Wein: „Die Bakterienkulturen<br />

sind unheimlich wichtig, sie beeinflussen<br />

den Geschmack. Sie sind in dieser weißen Teigkugel<br />

zwar nicht sichtbar, aber in ihrem Inneren steckt<br />

viel Leben.“ Entscheidend für die Vielfalt ist der<br />

Säuregehalt des Teigs. Diesen kann der erfahrene<br />

Konditor bereits durch den Geruch oder das Ertasten<br />

überprüfen.<br />

Unheimliches Brot<br />

Als Verfechter der traditionellen Brothandwerksqualität<br />

beobachtet Gotthard Valier die modernen<br />

Ernährungsgewohnheiten mit großer Skepsis.<br />

Heutzutage müsse vieles schnell und industriell<br />

gemacht werden, moderne Bäckereien arbeiten<br />

lieber nach vorgegebenen Schemata als nach der<br />

Zeit, die ein echtes Naturprodukt vorgibt. „Somit<br />

geht die Sensibilität für die Materie verloren“,<br />

befürchtet Valier. Die Konservierungsstoffe, die<br />

wochenaltes Toastbrot immer noch elastisch<br />

halten, findet der Bäckermeister unheimlich:<br />

„Ob uns diese Fertigprodukte guttun, wage ich<br />

zu bezweifeln. Von der brutalen Geschäftspolitik<br />

mancher Saatguthersteller ganz abgesehen“ sagt er.<br />

Gastroenterologe Moschen pflichtet ihm bei und<br />

rät bei industriell hergestellten Lebensmitteln zu<br />

einem vorsichtigen Umgang. Problematisch seien<br />

aber auch jene neu gezüchteten Weizensorten, die<br />

möglichst ertragreich und widerstandsfähig sein<br />

müssen. Viele Menschen haben dabei Verdauungsprobleme<br />

und vermuten eine Gluten-Unverträglichkeit.<br />

Allerdings reagiert der Körper nicht aufs<br />

das Gluten, sondern auf andere Getreideeiweiße,<br />

die für die verstärkten Abwehrmechanismen der<br />

manipulierten Kornzellen zuständig sind. „Diese<br />

gehen durchs Erhitzen nicht kaputt und können<br />

auf Dauer Allergien verursachen“, sagt der Experte.<br />

Ob sich unsere Immunsysteme irgendwann daran<br />

gewöhnen werden, sei schwer vorauszusehen,<br />

exakte Daten sind wohl erst nach langzeitigen Beobachtungen<br />

in einigen Jahren möglich. Bis dahin<br />

plädiert Moschen für ein besseres Bewusstsein für<br />

Herkunft und Qualität von Nahrungsmitteln. An<br />

diesen Tipp hält sich Gotthard Valier bereits seit<br />

Jahren. Er bäckt sein Brot nämlich selbst, verrät<br />

er: „Naturhefe, Roggenmehl, Salz, eventuell etwas<br />

Fenchel und Brotklee, fertig. Das hält gut eine<br />

Woche lang.“<br />

<br />

David Winter<br />

<strong>Tirol</strong> <strong>am</strong> <strong>Teller</strong> <strong>2016</strong> 35

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