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Genussregion<br />
den genannten Zutaten verlängert oder, in Gotthards<br />
Worten, „gewaschen und gefüttert werden, wie ein<br />
Kleinkind“. Wenn alle Bedingungen stimmig sind,<br />
verdreifacht sich das Volumen des Teigs bereits nach<br />
vier Stunden. Trotzdem erfordert die Naturhefe viel<br />
Geduld. Für den Panettone fängt der Konditor etwa<br />
sonntags mit der Teigführung an, im Verkauf steht<br />
das Endprodukt dann <strong>am</strong> Mittwoch. Für sämtliche<br />
Backwaren aus Naturhefe gilt: Unterschiedliche<br />
Fermentationen bringen unterschiedliche Variationen<br />
hervor. Valier vergleicht diese Prozesse mit der<br />
Herstellung von Käse oder Wein: „Die Bakterienkulturen<br />
sind unheimlich wichtig, sie beeinflussen<br />
den Geschmack. Sie sind in dieser weißen Teigkugel<br />
zwar nicht sichtbar, aber in ihrem Inneren steckt<br />
viel Leben.“ Entscheidend für die Vielfalt ist der<br />
Säuregehalt des Teigs. Diesen kann der erfahrene<br />
Konditor bereits durch den Geruch oder das Ertasten<br />
überprüfen.<br />
Unheimliches Brot<br />
Als Verfechter der traditionellen Brothandwerksqualität<br />
beobachtet Gotthard Valier die modernen<br />
Ernährungsgewohnheiten mit großer Skepsis.<br />
Heutzutage müsse vieles schnell und industriell<br />
gemacht werden, moderne Bäckereien arbeiten<br />
lieber nach vorgegebenen Schemata als nach der<br />
Zeit, die ein echtes Naturprodukt vorgibt. „Somit<br />
geht die Sensibilität für die Materie verloren“,<br />
befürchtet Valier. Die Konservierungsstoffe, die<br />
wochenaltes Toastbrot immer noch elastisch<br />
halten, findet der Bäckermeister unheimlich:<br />
„Ob uns diese Fertigprodukte guttun, wage ich<br />
zu bezweifeln. Von der brutalen Geschäftspolitik<br />
mancher Saatguthersteller ganz abgesehen“ sagt er.<br />
Gastroenterologe Moschen pflichtet ihm bei und<br />
rät bei industriell hergestellten Lebensmitteln zu<br />
einem vorsichtigen Umgang. Problematisch seien<br />
aber auch jene neu gezüchteten Weizensorten, die<br />
möglichst ertragreich und widerstandsfähig sein<br />
müssen. Viele Menschen haben dabei Verdauungsprobleme<br />
und vermuten eine Gluten-Unverträglichkeit.<br />
Allerdings reagiert der Körper nicht aufs<br />
das Gluten, sondern auf andere Getreideeiweiße,<br />
die für die verstärkten Abwehrmechanismen der<br />
manipulierten Kornzellen zuständig sind. „Diese<br />
gehen durchs Erhitzen nicht kaputt und können<br />
auf Dauer Allergien verursachen“, sagt der Experte.<br />
Ob sich unsere Immunsysteme irgendwann daran<br />
gewöhnen werden, sei schwer vorauszusehen,<br />
exakte Daten sind wohl erst nach langzeitigen Beobachtungen<br />
in einigen Jahren möglich. Bis dahin<br />
plädiert Moschen für ein besseres Bewusstsein für<br />
Herkunft und Qualität von Nahrungsmitteln. An<br />
diesen Tipp hält sich Gotthard Valier bereits seit<br />
Jahren. Er bäckt sein Brot nämlich selbst, verrät<br />
er: „Naturhefe, Roggenmehl, Salz, eventuell etwas<br />
Fenchel und Brotklee, fertig. Das hält gut eine<br />
Woche lang.“<br />
<br />
David Winter<br />
<strong>Tirol</strong> <strong>am</strong> <strong>Teller</strong> <strong>2016</strong> 35