12.12.2012 Aufrufe

Die Säugetiere des Fürstentums Liechtenstein (Mammalia)

Die Säugetiere des Fürstentums Liechtenstein (Mammalia)

Die Säugetiere des Fürstentums Liechtenstein (Mammalia)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

62<br />

Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii)<br />

Ordnung: Fledermäuse (Chiroptera)<br />

Familie: Glattnasen (Vespertilionidae)<br />

Merkmale<br />

Foto: René Güttinger<br />

Trotz der auffallend langen Ohren gehört die Bechsteinfledermaus<br />

zu den Mausohrverwandten (Gattung Myotis) und<br />

nicht zu den Langohren (Gattung Plecotus). So stehen ihre<br />

Ohren im Gegensatz zu jenen der eigentlichen Langohren<br />

an der Basis nicht zusammen. <strong>Die</strong> Ohren der Bechsteinfledermaus<br />

überragen beim Herunterklappen die Schnauze<br />

deutlich. Im Vergleich zu den übrigen Myotis-Arten ist die<br />

Schnauze ausserdem lang und schmal. Mit einem Normalgewicht<br />

von sieben bis zehn Gramm und einer Flügelspannweite<br />

von 25 bis 30 cm zählt sie zu den mittelgrossen Fledermausarten.<br />

Das relativ langhaarige und dichte Fell ist auf<br />

dem Rücken rötlich-braun oder braun, auf dem farblich<br />

deutlich abgegrenzten Bauch gelb-grau oder beige gefärbt.<br />

Das helle Gesicht ist von rötlicher Farbe. Innerhalb der Gattung<br />

Myotis ist die Bechsteinfledermaus dank ihres Äusseren<br />

eindeutig bestimmbar.<br />

Biologie<br />

Von April bis Mai beziehen Wochenstubenverbände ihre<br />

Sommerquartiere. <strong>Die</strong> Kolonien zählen ein bis mehrere dutzend<br />

Weibchen, die eng miteinander verwandt sind. Ein typisches<br />

Verhalten ist ein reger Wechsel zwischen immer wiederkehrendem<br />

Aufteilen und Zusammenschliessen eines<br />

Verban<strong>des</strong>. <strong>Die</strong> Quartiere der Teilgruppen liegen dabei in<br />

engster Nachbarschaft. Ein kleinräumig hohes Quartierangebot,<br />

wie es in vielen Fledermauskastenrevieren vorhanden<br />

ist, fördert dieses Verhalten massgeblich. Generell beziehen<br />

die Gruppen alle paar Tage ein neues Tagesquartier. Erwachsene<br />

Männchen sind Einzelgänger und bleiben ihren<br />

Quartieren über längere Zeit treu. <strong>Die</strong> Geburten finden von<br />

Anfang Juni bis Anfang Juli statt. Im August lösen sich die<br />

Wochenstubenkolonien bereits wieder auf. Ähnlich wie andere<br />

Myotis-Arten zeigt im Spätsommer und Herbst auch die<br />

Bechsteinfledermaus ein ausgeprägtes Schwärmverhalten<br />

an Höhlen. Hier finden sich Tiere aus verschiedenen Kolonien<br />

zur Paarung ein. Junge Weibchen siedeln sich meist in<br />

ihren Geburtswochenstuben an, junge Männchen hingegen<br />

verlassen ihren Geburtsort und wandern ab. Das bekannte<br />

Höchstalter beträgt 21 Jahre.<br />

Offene Flächen zwischen Tagesquartier und Jagdgebiet<br />

überbrückt die Bechsteinfledermaus im raschen Flug tief<br />

über dem Boden oder entlang von Bäumen und Feldgehölzen.<br />

<strong>Die</strong> Beutesuche erfolgt in unterholzfreien Waldflächen<br />

dicht über dem Boden sowie im Kronenbereich der Bäume.<br />

Mit ihren breiten Flügeln kann die Bechsteinfledermaus<br />

dabei sehr wendig und langsam fliegen und nach Beute Ausschau<br />

halten. Dem Ablesen der Beutetiere vom Boden sowie<br />

von Ästen und Blättern geht meist eine kurze Rüttelflugsequenz<br />

voraus. Bei der Lokalisierung der Beutetiere macht<br />

sich die Bechsteinfledermaus deren Raschelgeräusche zunutze<br />

– ihre grossen Ohren sind dafür bestens geeignet. <strong>Die</strong><br />

Nahrung setzt sich vor allem aus flugunfähigen Gliedertieren<br />

<strong>des</strong> Wal<strong>des</strong> zusammen und variiert erheblich je nach Jahreszeit.<br />

Das Beutespektrum umfasst Schmetterlinge, Käfer,<br />

Schnaken, Florfliegen und Spinnen. Je nach Region und Jahreszeit<br />

zählen auch Weberknechte, Ohrwürmer, Raupen,<br />

Laubheuschrecken, Wanzen und Laufkäfer zur Beute.<br />

<strong>Die</strong> Bechsteinfledermaus gilt als ortstreue Art, deren Sommer-<br />

und Winterquartiere in der Regel nur wenige Kilometer<br />

auseinander liegen. Vereinzelt sind saisonale Wanderungen<br />

bis 73 km belegt.<br />

Verbreitung<br />

<strong>Die</strong> Bechsteinfledermaus ist im Bereich der gemässigten Buchenwaldzone<br />

in West, Mittel- und Osteuropa weit, im südlichen<br />

Europa hingegen nur inselartig verbreitet. <strong>Die</strong> nördliche<br />

Verbreitungsgrenze verläuft von Süd-England über<br />

Süd-Schweden und Zentral-Polen bis zum Schwarzen Meer.<br />

Ausserhalb Europas existieren einzelne regionale Vorkommen<br />

in Anatolien, Iran sowie im Kaukasus. Im Alpenrheintal<br />

ist die Art bisher nur im Kanton St. Gallen und in <strong>Liechtenstein</strong><br />

nachgewiesen worden. In <strong>Liechtenstein</strong> sind bisher lediglich<br />

zwei Totfunde von Einzeltieren aus Schaan und eine<br />

männliche Bechsteinfledermaus aus Balzers, die im Kuhstall<br />

an einer Fliegen-Klebefalle hängengeblieben war, bekannt<br />

(HOCH, schriftl. Mitteilung). <strong>Die</strong> einzigen Quartiernachweise<br />

aus dem Alpenrheintal stammen aus der Region Werdenberg<br />

(GERBER 2003). So sind aus den Rheinauen bei Buchs drei<br />

beieinander liegende Wochenstubenquartiere in Bäumen<br />

nachgewiesen. Ein weiterer Fund aus der Region Werdenberg<br />

betrifft ein Männchen, das im Spätsommer an einer<br />

Höhle in Wartau gefangen wurde.<br />

Lebensraum<br />

<strong>Die</strong> Bechsteinfledermaus gilt als Charakterart der europäischen<br />

Laubmischwälder. Sie bevorzugt generell<br />

strukturreiche Laubmischwälder mit einem hohen Altbaum-<br />

Anteil, insbesondere mit Eichen, bewohnt aber gerne auch<br />

Hochstammobstgärten in Waldnähe. Im St. Galler Rheintal<br />

befinden sich die bekannten Wochenstubenbäume in einem<br />

ehemaligen Auenwald (GERBER 2003). Als Wochenstubenquartiere<br />

dienen hauptsächlich Spechthöhlen,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!