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Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

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Unternehmenspolitiken zu Einstellung, Beförderung, Entlassung <strong>und</strong> Entlohnung dazu<br />

führten, dass Schwarze15 Frauen benachteiligt wurden, <strong>und</strong> dagegen in den USA weder ein<br />

Recht gegen Geschlechterdiskriminierung noch ein Recht gegen rassistische <strong>Diskriminierung</strong><br />

geltend gemacht werden konnte, weil unterschiedliche Schutzstandards für unterschiedliche<br />

Merkmale galten (<strong>und</strong> verfassungsrechtlich auch weiterhin gelten). Crenshaw<br />

führte aus, dass Schwarze Frauen folglich von intersektionaler <strong>Diskriminierung</strong> spezifisch<br />

betroffen seien <strong>und</strong> ohne Rechtsschutz wären. Sie benutzte das Bild einer Kreuzung („intersection“),<br />

an der zwei <strong>Diskriminierung</strong>sgründe („race“ <strong>und</strong> „sex“) zusammenträfen, was<br />

rechtlich erst begriffen werden müsse. Crenshaw kritisiert damit einen „single-axisapproach“,<br />

also einen auf separate Gründe oder Merkmale zielenden Ansatz von Antidiskriminierungspolitik,<br />

als unzureichend <strong>und</strong> hinderlich für die Beseitigung von <strong>Diskriminierung</strong>.<br />

Er nehme Diskriminierte als entweder rassistisch oder sexistisch oder aus anderen<br />

Gründen diskriminiert wahr, begreife aber spezifische, eben intersektionale <strong>Diskriminierung</strong>en<br />

nicht. Crenshaws Kritik zielt damit auf die Ebene der Dogmatik, die aus einem<br />

allgemeinen Gleichheitssatz (in den USA dem 14th Amendment) unterschiedliche Schutzniveaus<br />

(„levels of scrutiny“) konstruiert <strong>und</strong> Menschen zwingt, sich einem von diesen<br />

exklusiv zuzuordnen. 16 In weiteren Arbeiten hat Crenshaw diese Kritik dann auch auf Politiken<br />

bezogen: Trennungen in einzelne <strong>Diskriminierung</strong>en führten beispielsweise im Kampf<br />

gegen häusliche Gewalt dazu, keine Koalitionen zwischen der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung<br />

<strong>und</strong> der Frauenbewegung bilden zu können <strong>und</strong> eventuell sogar gegeneinander<br />

in Konkurrenz zu arbeiten. 17 Diese müsse durch ein besseres Verständnis für intersektionale<br />

<strong>Diskriminierung</strong> überw<strong>und</strong>en werden.<br />

Zum Thema Intersektionalität sind in der Folge dann zahlreiche weitere Texte <strong>und</strong> <strong>Theorien</strong><br />

entstanden. Sie wurden insbesondere in Crenshaws Arbeitskontext der „critical race theory“<br />

(in den USA oft auch „CRT“) publiziert, was ein zentraler Ort der Debatte um Intersektionalität<br />

mit wertvollen Beiträgen auch jenseits der Verwendung des Begriffs Intersektionalität ist18 .<br />

Daneben stehen zahlreiche feministische Arbeiten, z. B. von Rich <strong>und</strong> MacKinnon, die sich<br />

mit dem Zusammenwirken insbesondere von Rassismus <strong>und</strong> Sexismus <strong>und</strong> von Sexismus <strong>und</strong><br />

Heteronormativität befassten, also z. B. Benachteiligungen von Homo sexuellen als Zusam-<br />

menwirken von Geschlechterstereotypen mit einer spezifischen Sexualmoral verstehen 19 .<br />

Insbesondere Schwarze Frauen <strong>und</strong> dann auch Asian Americans wie Matsuda <strong>und</strong> andere,<br />

die nicht der weißen Mehrheitsgesellschaft angehörten, thematisierten seit den 1980er-Jahren<br />

spezifische Formen der Unterdrückung, die durch Rassismus <strong>und</strong> Sexismus sowie andere<br />

Dominanzverhältnisse geprägt sind. Ihre Arbeiten zielten einerseits immer auf eine<br />

Verbesserung der rechtlichen Möglichkeiten, gegen <strong>Diskriminierung</strong> vorzugehen. Sie<br />

waren andererseits aber auch immer Interventionen, die auf Ausschlüsse, Marginalisierungen,<br />

Verzerrungen <strong>und</strong> implizite Normen innerhalb sozialer Bewegungen wie der zweiten<br />

Frauenbewegung („Second Wave Feminism“) oder bestimmter antirassistischer Politiken<br />

hinweisen, diese kritisieren <strong>und</strong> verändern wollten. Damit richtet sich Kritik z. B. auch<br />

gegen Teile der feministischen Theorie, soweit diese mit einer homogenen Vorstellung von<br />

„den Frauen“ arbeiten, <strong>und</strong> geht gegen die daraus folgende Vereinnahmung <strong>und</strong> Ausblendung<br />

von Hierarchien unter Frauen an, oder gegen Teile der CRT, soweit diese mit einer<br />

15 Die Großschreibung von „Schwarz“ soll sichtbar machen, dass es sich dabei um ungleichheitsrelevante<br />

Kategorisierungen handelt, nicht um essenzialistische Zuschreibungen, vgl. Eggers u. a. (2005), 13.<br />

16 Crenshaw (1991). Im Vergleich erläutert dies Sacksofsky (2006).<br />

17 Crenshaw (1994).<br />

18 Combahee River Collective (1981), hooks (1981), Hull/Scott (1982), Lorde (1987), Collins (1998), u. a.<br />

Die Arbeiten wurden großteils nicht ins Deutsche übersetzt <strong>und</strong> zum Teil sehr spät rezipiert.<br />

19 MacKinnon (2007), 420<strong>–</strong>431, hooks (1990).<br />

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