Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...
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sollte, waren in erster Linie Schwarze Arbeitnehmerinnen <strong>–</strong> die erst nach Schwarzen Män-<br />
nern <strong>und</strong> weißen Frauen eingestellt worden waren <strong>–</strong> betroffen. Ihre Klage blieb vor Gericht<br />
erfolglos, da dies weder akzeptierte, dass sexistische <strong>Diskriminierung</strong> vorlag <strong>–</strong> weil weiße<br />
Frauen keine Kündigung erhalten hatten <strong>–</strong>, noch, dass rassistische <strong>Diskriminierung</strong> vorlag <strong>–</strong><br />
weil Schwarze Männer ihre Arbeitsplätze behalten konnten. Dieser Typ von <strong>Diskriminierung</strong>,<br />
so Crenshaw, sei intersektional:<br />
„discrimination as Black women <strong>–</strong> not the sum of race and gender discrimination, but as<br />
Black women“ 83 .<br />
Schwarze Frauen, so Crenshaw, befänden sich metaphorisch auf einer Straßenkreuzung,<br />
wo aus unterschiedlichen Richtungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten <strong>Diskriminierung</strong><br />
auf sie zukomme, sie erfasse <strong>und</strong> verletze. Intersektionalität steht also bei Crenshaw für die<br />
spezifische soziale Position von „women of color“. Sie sei, so Crenshaw, vor Gericht nicht<br />
sichtbar. Die Erfahrung Schwarzer Frauen werde unsichtbar gemacht, indem weiße Frauen<br />
zur Betroffenheitsnorm sexistischer <strong>und</strong> Schwarze Männer zur Betroffenheitsnorm rassistischer<br />
<strong>Diskriminierung</strong> gemacht würden. Dadurch werde nicht nur ein verkürztes Verständnis<br />
von Rassismus <strong>und</strong> Sexismus reproduziert, nämlich jeweils nur die Auswirkungen<br />
auf die jeweils relativ Privilegierten, sondern so werde auch gr<strong>und</strong>legender gesellschaftlicher<br />
Wandel verhindert, da alle Diskriminierten davon profitieren könnten, wenn die<br />
Veränderung der Situation Mehrfachdiskriminierter zum Ziel von Antidiskriminierungspolitiken<br />
gemacht würde.<br />
Crenshaws Analyse verdeutlicht die Problematik von Antidiskriminierungspolitiken, die<br />
sich auf nur jeweils eine Achse konzentrierten: Sie blenden die Erfahrungen Schwarzer<br />
Frauen aus, wenn <strong>Diskriminierung</strong> eben nicht auf alle (weißen) Frauen zutrifft („es wurden<br />
ja nicht alle Frauen diskriminiert“). Oder sie konstruieren sie als so unterschiedlich gegenüber<br />
weißen Frauen oder Schwarzen Männern, dass der Tatbestand von Schwarzen Frauen<br />
nicht erfüllt werden kann („Schwarze Frauen können nicht wegen sexistischer <strong>Diskriminierung</strong><br />
klagen, es ist doch ein Sonderfall“). Demgegenüber gehe es nicht zuletzt im Recht<br />
darum, strukturelle Intersektionalität ernst zu nehmen, also die Überschneidung von<br />
Herrschaftssystemen <strong>–</strong> „the interaction of racism and patriarchy generally“ 84 <strong>–</strong> <strong>und</strong> auch<br />
spezifische soziale Positionen an dieser Kreuzung:<br />
„the location of women of color both ... within overlapping systems of subordination“ 85 .<br />
Etwas anders gelagert ist demgegenüber die politische Intersektionalität. Letztlich identitätsbasierte<br />
Politiken können sich so überschneiden, dass sie sich zum Nachteil derjenigen<br />
auswirken, die von struktureller Intersektionalität betroffen sind. Deutlich wird dies am<br />
„intersectional disempowerment“, von dem Schwarze Frauen betroffen sein können, wenn<br />
sie in feministischen Kontexten mit Rassismus <strong>und</strong> in antirassistischen Kontexten mit Sexismus<br />
konfrontiert werden <strong>und</strong> um einen Ort kämpfen müssen, an dem sie nicht einen Teil<br />
ihrer politischen Interessen verteidigen oder abspalten müssen. 86 Dies ist auch für die<br />
83 Crenshaw (1991), 64.<br />
84 Crenshaw (1994), 12.<br />
85 Crenshaw (1994), 12, zu politischer Intersektionalität oben in 2.2.<br />
86 „So kann beispielsweise die Angst davor, Rassismus zu schüren, Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten dazu verleiten,<br />
bestimmte Unrechtserfahrungen zumindest gegenüber Mehrheitsangehörigen zu negieren“, Prasad<br />
(2008), 12.<br />
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