Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...
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Schiek meint, dass „additive <strong>Diskriminierung</strong>“ keine besonderen Schwierigkeiten aufwerfe,<br />
die juristischen Probleme der „intersektionellen <strong>Diskriminierung</strong>“ jedoch noch nicht<br />
gelöst seien. 131 Dies betreffe insbesondere die durch das <strong>Diskriminierung</strong>srecht notwendige<br />
„Zuordnung der von <strong>Diskriminierung</strong> Betroffenen zu einer Gruppe“ 132 , die an der <strong>Diskriminierung</strong>srealität<br />
von Menschen auf der Schnittstelle mehrerer Gründe vorbeigehe.<br />
Schiek thematisiert auch, ob die Regelung des § 5 AGG zu positiven Maßnahmen zur Überwindung<br />
intersektionaler Benachteiligungen dienen kann, findet aber keine befriedigende<br />
Antwort. 133 Für den <strong>Diskriminierung</strong>sschutz behinderter Frauen geben die Maßnahmen<br />
der Gleichstellungsgesetze zur Förderung der Gleichberechtigung behinderter Frauen ein<br />
Beispiel134 , gr<strong>und</strong>sätzlich besteht nach Auffassung der Kommentatorinnen <strong>und</strong> Kommentatoren<br />
bei Mehrfachbenachteiligungen aber kein Anspruch auf eine bevorzugte Berücksich-<br />
tigung. 135<br />
Regelmäßig wird mehrfache <strong>Diskriminierung</strong> in Kommentaren zum AGG auch im Rahmen<br />
der Entschädigungsregelung des § 15 thematisiert. Die Mehrheit plädiert hier ganz allgemein,<br />
aber entsprechend der Begründung zum Gesetzentwurf, für eine Erhöhung der<br />
Entschädigung. 136<br />
In Zusammenhang mit § 9 AGG wird außerdem der unterschiedliche Rechtfertigungsmaßstab<br />
für Religionsgemeinschaften thematisiert. Obwohl die Norm selbst das Problem<br />
der mehrdimensionalen <strong>Diskriminierung</strong> nicht anspreche, beschränke sich die Erweiterung<br />
der Rechtfertigung benachteiligenden Handelns auf die religiöse Benachteiligung.<br />
Läge eine <strong>Diskriminierung</strong> wegen einer weiteren Kategorisierung vor, müsse diese gemäß<br />
§ 4 AGG für sich einer Rechtfertigungsprüfung standhalten <strong>und</strong> könne nicht durch § 9 AGG<br />
gerechtfertigt werden. 137 Beispielsweise werden<br />
„infolgedessen [...] Kirchen die Eingehung einer Lebenspartnerschaft durch ihre Mitarbeiter<br />
sowie auf andere Weise praktizierte Homosexualität künftig dulden müssen <strong>und</strong> nicht<br />
länger durch Kündigungen sanktionieren können.“ 138<br />
Daneben geht es <strong>–</strong> wie im Text des AGG <strong>–</strong> um die institutionellen Vorkehrungen. Zu § 27<br />
Abs. 5 AGG wird angemerkt, dass die Vorschrift wohl keine unbedingte Rechtspflicht zur<br />
Zusammenarbeit beinhalte. Zweck sei die Vermeidung von Doppelarbeit <strong>und</strong> die Sicherung<br />
inhaltlich übereinstimmender Antworten der verschiedenen Stellen. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
sei die ADS jedoch unabhängig; ihre Entscheidungsfindung dürfe nicht eingeschränkt<br />
werden. 139<br />
131 Schiek-Schiek, § 4 AGG Rn. 2, in diesem Sinne auch Rudolf/Mahlmann (2007), § 6 Rn. 77.<br />
132 Schiek-Schiek, § 4 AGG Rn. 7.<br />
133 Schiek-Schiek, § 5 AGG Rn. 8.<br />
134 Vgl. dazu ausführlich Rust/Falke-Raasch, § 5 AGG Rn. 90 ff.<br />
135 Rust/Falke-Raasch, § 5 AGG Rn. 89, Däubler/Bertzbach-Hinrichs, § 5 AGG Rn. 30c.<br />
136 Vgl. Däubler/Bertzbach-Deinert, § 15 AGG Rn. 73, Bauer u. a., § 15 AGG Rn. 36, Meinel u. a., § 4 AGG Rn. 6,<br />
Nollert-Borrasio/Perreng, § 15 AGG Rn. 21. Zur differenzierenden Sicht siehe unten.<br />
137 Schiek-Schmidt, § 9 AGG Rn. 19, Bauer u. a., § 9 Rn. 11 f., Rust/Falke-Stein, § 9 AGG Rn. 39.<br />
138 Schiek-Schmidt, § 9 AGG Rn. 19.<br />
139 Roetteken, § 27 AGG Rn. 119.<br />
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