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Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

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sexuelle Gewalt erfahren, empirisch seltener geglaubt 35 , während sie gleichzeitig einer<br />

spezifischen Gefahr der sexualisierten Gewalt ausgesetzt sind durch Abhängigkeit von<br />

Institutionen der Pflege <strong>und</strong> Versorgung 36 .<br />

Insgesamt thematisierte „die“ Frauenbewegung damit Mehrdimensionalität oder das, was<br />

heute in theoretischen Diskussionen weithin als „Intersektionalität“ diskutiert wird. Hier<br />

wird auch deutlich, dass sowohl innerhalb der sozialen Bewegungen gegen Ungleichheiten <strong>–</strong><br />

Frauenbewegungen, Bewegungen gegen Rassismus, für Enthinderung usw. <strong>–</strong> als auch in<br />

den etablierten politischen Räumen der Mehrheitsgesellschaft sehr uneinheitliche <strong>–</strong> <strong>und</strong><br />

oft nur eindimensionale <strong>–</strong> Vorstellungen davon bestehen, was <strong>Diskriminierung</strong> ist.<br />

Zudem zeigt sich, dass trotz der Vielfalt von Kritiken von Frauen an feministischen Positionen,<br />

Forderungen <strong>und</strong> Arbeitsformen immer eine Tendenz zu einer gewissen Priorisierung <strong>–</strong><br />

im ungünstigsten Fall: einer Hierarchisierung 37 <strong>–</strong> vorhanden ist. So werden <strong>–</strong> ganz im Einklang<br />

mit der Geschichte, die mit den Lebenslagen Schwarzer Frauen in den USA beginnt <strong>–</strong><br />

oft vorrangig „gender“ <strong>und</strong> „race“ thematisiert. Weitgehend fehlen in Deutschland, so auch<br />

Walgenbach, Aussagen zur <strong>Diskriminierung</strong> von Frauen in Zusammenhang mit der Zugehörigkeit<br />

zu Sinti <strong>und</strong> Roma, zu Alter, Klasse oder Ost/West-Herkunft. 38 Insofern unterscheiden<br />

sich Ungleichheitsdimensionen hinsichtlich ihrer Geschichten nicht nur voneinander,<br />

sondern es gibt auch Auslassungen, Tabuisierungen, Unaufmerksamkeiten, auf die in der<br />

Arbeit zu achten ist.<br />

Zudem wird deutlich, dass sich Intersektionalitätskonzepte in Deutschland aus diversen<br />

politischen <strong>und</strong> auch akademischen Kontexten speisen. Es ist nicht unwichtig, wer diese<br />

Geschichten erzählt oder schreibt. Einige Beschreibungen kommen von Betroffenen, andere<br />

von Interessenvertretungen, wieder andere aus der Wissenschaft von Menschen, die<br />

<strong>Diskriminierung</strong> nachteilig erlebt haben oder auch nicht. Manchmal ist Forschung eng mit<br />

sozialen oder politischen Bewegungen verknüpft (z. B. Disability Studies, feministische Wissenschaft),<br />

manchmal weit von diesen entfernt, <strong>und</strong> auch je unterschiedlich institutionalisiert.<br />

Vertiefte Forschung zu <strong>Diskriminierung</strong> ist in Deutschland nach wie vor kaum in die<br />

Studien- <strong>und</strong> Forschungsprofile in den Fächern integriert. Soweit dazu eigene Schwerpunkte<br />

existieren, verfügen die Genderstudies über die weitreichendste Institutionalisierung<br />

<strong>und</strong> teilweise auch institutionelle <strong>und</strong> personelle Überschneidung mit anderen Schwerpunkten,<br />

wie den Queer-<strong>Theorien</strong> 39 , Postkolonialen Studien <strong>und</strong> kritischer Migrations- <strong>und</strong><br />

Rassismusforschung 40 , Disability Studies41 <strong>und</strong> Diversity Studies42 , nur in Ansätzen in der<br />

Alternsforschung 43 . Diesbezüglich besteht der Bedarf, kategorien- <strong>und</strong> disziplinenübergrei-<br />

35 Becker (1995), Boll/Degener u. a. (1985).<br />

36 Boll/Degener u. a. (1985), Becker (1995), 81<strong>–</strong>89.<br />

37 Dazu eingehend Baer (2008).<br />

38 Walgenbach (2007), 39.<br />

39 Dazu arbeitet u. a. das außeruniversitäre Institut für Queer Theory Berlin/Hamburg, www.queer-institut.de<br />

(Zugriff 21.05.10) oder auch Prof. Sabine Hark an der TUB.<br />

40 Hier ist beispielsweise das Frankfurt Research Center for Postcolonial Studies (FRCPS) aktiv,<br />

http://normativeorders.net/de/component/article/289 title= (Zugriff 25.05.10), oder auch Prof. Ina Kerner<br />

mit entsprechender Denomination einer Juniorprofessur an der HUB.<br />

41 Vgl. dazu die Dokumentationen: Waldschmidt (2003), Hermes/Köbsel (2003).<br />

42 Die Alice Salomon Hochschule Berlin stellt die Diversity Studies in die Tradition der britischen Cultural<br />

Studies <strong>und</strong> thematisiert auch Aspekte wie Migration, Flucht, Klasse <strong>und</strong> Behinderung (s. Dokumentation<br />

des Workshops im Anhang); anders profiliert ist die FUB, Interdisziplinäres Forum Gender <strong>und</strong> Diversity<br />

(http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/ifgd/index.html, Zugriff 25.05.10); wieder andere befassen sich mit<br />

Diversity als betriebswirtschaftlichem Konzept, Krell (2007).<br />

43 Vgl. m. w. N. Baer (2009a).<br />

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