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Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

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Deutlich ist, dass <strong>Begriffe</strong>, die Addition nahelegen, problematisch sind. Das gilt wohl auch<br />

für den Begriff „mehrfach“. Ziel muss dagegen vielmehr sein, Hierarchisierungen zwischen<br />

Ungleichheiten <strong>und</strong> Stigmatisierungen von Betroffenen als doppelten Opfern zu vermeiden,<br />

also mit der Benennung nicht die ontologisierende Verkürzung zu wiederholen, die<br />

gerade die <strong>Diskriminierung</strong> ausmacht. Das wird in der Forschung auch als Dilemma<br />

beschrieben, fordert aber eher dazu auf, hier bessere <strong>Begriffe</strong> zu finden. Deutlich ergibt<br />

sich aus der Forschung, dass Kategorisierungen wie beispielsweise die des § 1 AGG nicht<br />

getrennt voneinander betrachtet werden können. Sie sind eng miteinander verknüpft,<br />

verschränkt, überschneiden sich, beeinflussen sich, sind interdependent <strong>und</strong> äußern sich<br />

als mehrdimensionale <strong>Diskriminierung</strong>.<br />

Es scheint daher sinnvoll, vorrangig mit dem Begriff mehrdimensionale <strong>Diskriminierung</strong><br />

zu arbeiten. Dagegen ließe sich einwenden, dass „… dimensional“ kompliziert klinge <strong>und</strong><br />

ein Fremdwort nutze. Andererseits ist das auch hier Teil der Botschaft: <strong>Diskriminierung</strong><br />

sollte als nicht einfacher Fall markiert werden. Der alternative Begriff „intersektional“<br />

würde demgegenüber die Grenze der Alltagsvorstellungen eher sprengen: „Dimensionen“<br />

liegen näher am hier interessierenden Problem als „Sektionen“.<br />

Weiter ließe sich gegen diesen Begriff einwenden, dass § 4 AGG wie auch die Gesetzesbegründung<br />

von „mehreren Gründen“ spricht. Es ist sicher Aufgabe der Rechtswissenschaft<br />

<strong>und</strong> Rechtsprechung, das sinnvoll zu dogmatisieren <strong>und</strong> so eine Anwendung auf Fälle<br />

sicherzustellen, die gerade nicht mehrere aufeinander folgende Handlungen beinhalten,<br />

sondern ein spezifisches Zusammentreffen. Der Sinn der Regel wird mit dem Begriff „mehrdimensional“<br />

deutlicher. So ließen sich auch Fehlschlüsse vermeiden, die Benachteiligte<br />

entgegen der Absicht des Gesetzgebers schlechter stellen. 98<br />

In der informierenden Kommunikation mit der Öffentlichkeit wird es selbstverständlich<br />

wichtig sein, mehrdimensionale <strong>Diskriminierung</strong> zu erläutern <strong>und</strong> dabei auf unterschiedliche<br />

Fallkonstellationen, auf die Gefahr der Stereotypisierung, der Priorisierung <strong>und</strong><br />

Hierarchisierung <strong>und</strong> der Essenzialisierung deutlich hinzuweisen. 99 Der Begriff „mehrdimensionale<br />

<strong>Diskriminierung</strong>“ lässt gr<strong>und</strong>sätzlich offen, wie das Zusammenwirken von<br />

Kategorisierungen ist, was es als Vorteil zu nutzen gälte.<br />

Weiterer Oberbegriffe bedarf es unseres Erachtens nicht. Es ist zwar wichtig, darüber zu<br />

sprechen, dass Menschen auch von unterschiedlichen Benachteiligungen in unterschiedlichen<br />

Zusammenhängen betroffen sind („additiv“), doch ist jede <strong>Diskriminierung</strong> Unrecht<br />

<strong>und</strong> eine Einteilung als weitere Kategorisierung (im „Dilemma der Differenz“) eher problematisch.<br />

Die Alternativen bieten weniger Vorteile. Gegen eine Verwendung des Begriffs Mehrfachdiskriminierung<br />

spricht, dass er eine mathematische Assoziation aufruft. Die Vorstellung,<br />

verschiedene <strong>Diskriminierung</strong>en könnten schlicht addiert werden <strong>und</strong> ergäben dann eine<br />

doppelte oder dreifache <strong>Diskriminierung</strong>, wird der Komplexität von <strong>Diskriminierung</strong><br />

jedoch nicht gerecht. Außerdem legt der Begriff nahe, die <strong>Diskriminierung</strong> würde „schlimmer“<br />

oder „verletzender“. Damit läge der Fokus jedoch auf den Gründen für eine Benachteiligung,<br />

nicht aber auf der Benachteiligung, also den Folgen der <strong>Diskriminierung</strong> selbst.<br />

98 Das problematische Beispiel ist Adomeit/Mohr zur Nichtanwendbarkeit § 4 AGG, s. 3.1.4.<br />

99 ADS (2010), 5.<br />

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