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Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

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Daneben kann eine Hürde in der Rechtsdurchsetzung auch in der Art der Prozessführung<br />

liegen. So wurde auf dem Workshop auch thematisiert, dass die Zersplitterung der Rechtsgebiete<br />

<strong>und</strong> Regeln gegen <strong>Diskriminierung</strong> dazu führe, dass Anwältinnen <strong>und</strong> Anwälte<br />

kaum, ebenso wie Beratungseinrichtungen sicher im Umgang mit allen <strong>Diskriminierung</strong>en<br />

(„horizontal“) seien. Schon das könne dazu führen, eine Klage auf Dinge zu stützen, in<br />

denen man sich auskennt.<br />

Des Weiteren handelt es sich hier um ein Perpetuum mobile, insofern das Fehlen von Rechtsprechung<br />

zu mehrdimensionaler <strong>Diskriminierung</strong> auch zu einem Fehlen von Klagen in<br />

dieser Sache führt, wenn <strong>und</strong> weil Anwältinnen <strong>und</strong> Anwälte davon ausgehen müssen, dass<br />

sich Gerichte mit solchen Fällen nicht auskennen, sie in Datenbanken <strong>und</strong> Kommentaren<br />

nicht zu finden sind <strong>und</strong> folglich nicht aussichtsreich eingeklagt werden können. 236 Erfolglosigkeit<br />

bedingt dann Erfolglosigkeit, letztlich auch Schweigen <strong>und</strong> die Verleugnung der<br />

eigenen Person. 237 Bislang ist also davon auszugehen, dass es eine strategische Konzentration<br />

auf nur eine Kategorisierung <strong>–</strong> trotz möglicher <strong>Diskriminierung</strong> wegen mehrerer Kategorisierungen<br />

<strong>–</strong> gibt.<br />

4.3 Die Höhe einer Entschädigung nach dem AGG<br />

Ein weiterer Aspekt, der sich auch auf die Rechtsdurchsetzung auswirkt, ist der Umgang<br />

mit Sanktionen. Die EU-Gleichstellungsrichtlinien geben vor, dass „die Sanktionen, die<br />

auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, wirksam, verhältnismäßig<br />

<strong>und</strong> abschreckend sein“ müssen. 238 Bislang ist allerdings nur eine Entscheidung eines deutschen<br />

Gerichts bekannt geworden, in der eine Summe mit abschreckender Wirkung zugestanden<br />

wurde. In einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung wurden der Klägerin<br />

48.000 Euro zugesprochen. 239 Insofern lässt sich bislang auch nicht sagen, wie die Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger die finanzielle Entschädigung für <strong>Diskriminierung</strong> einschätzen. Zu beachten<br />

ist hier, dass deutsche Leitmedien regelmäßig über Entscheidungen in den USA berichten,<br />

in denen Opfer angeblich Millionenbeträge erhielten. Dies sind allerdings regelmäßig<br />

Falschmeldungen, die offensichtlich negative Einschätzungen überzogener Schadensersatzpolitik<br />

fördern sollen. 240<br />

Für die Fälle mehrdimensionaler <strong>Diskriminierung</strong> stellt sich die Frage, ob die Mehrdimensionalität<br />

eine Erhöhung der Entschädigungssumme zur Folge hat, haben würde <strong>und</strong><br />

haben sollte. Dies wird in der Gesetzesbegründung <strong>und</strong> in der Literatur offensichtlich vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> eines additiven Konzepts von Intersektionalität durchaus vertreten. Eine<br />

Persönlichkeitsverletzung aufgr<strong>und</strong> mehrerer Merkmale sei ein verstärkter Eingriff in die<br />

236 Dies ist bislang nicht erforscht, aber auch nicht abwegig, vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler, § 4 Rn. 18.<br />

237 Hannett (2003), 80, verdeutlicht die Problematik mit folgendem Beispiel: „It implies that if you are black or<br />

Asian, you are male, and if you are a woman, you are white“.<br />

238 Siehe statt aller Art. 15 der Richtlinie 2000/43/EG, ABl. L 180 v. 19.07.2000, 26. Zur Systematik der Schadensersatz-<br />

<strong>und</strong> Entschädigungsregelungen des § 15 AGG vgl. z. B. Walker (2009), 5 ff.<br />

239 LArbG Berlin-Brandenburg 15 Sa 517/08, Urteil v. 26.11.2008.<br />

240 Opfer von <strong>Diskriminierung</strong> klagen in den USA z. T. im Rahmen des Civil Rights Act <strong>und</strong> erhalten im Fall des<br />

keinesfalls regelmäßigen Obsiegens die Anwalts- <strong>und</strong> Gerichtskosten, Ausgleichszahlungen <strong>und</strong> ggf. auch<br />

punitiven Schadensersatz. Individuell verbleibt bei den Opfern allerdings in aller Regel wenig.<br />

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