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Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

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Das Gericht geht auf keines dieser Argumente ein. Die Ablehnung der Klägerin sei einzig<br />

<strong>und</strong> ausreichend dadurch gerechtfertigt, dass sie die berufliche Qualifikation für die Stelle<br />

(„abgeschlossenes Studium“) nicht besitze. Das Interesse des Diakonischen Werkes an der<br />

Klägerin sei „kein ausreichendes Indiz für die Bereitschaft des Beklagten, von den aufgestellten<br />

Einstellungsvoraussetzungen abweichen zu wollen.“ 265 Diese Annahme ist nach der<br />

Darstellung des Tatbestands im Urteil nicht schlüssig. Vielmehr liegt nahe, dass das Diakonische<br />

Werk sein Interesse an der Bewerberin erst verlor, als diese angab, durch Geburt<br />

muslimischen Glaubens zu sein. Antidiskriminierungsrechtlich hätte sich dann die Schwierigkeit<br />

ergeben, mit Hierarchien innerhalb einer Kategorisierung umzugehen. Rechtfertigt<br />

es die Ausgrenzung einer Türkin, wenn eine Inderin eingestellt wird?<br />

4.4.3 Geschlecht, „Rasse“/ethnische Herkunft<br />

Das Zusammentreffen von Geschlecht <strong>und</strong> Ethnizität spielt in weiteren, in der Öffentlichkeit<br />

sehr eingängigen Fallkonstellationen eine Rolle. Beispiel ist der sogenannte „Disko-<br />

Fall“. Dem Kläger war der Zutritt zu einer Disko mit einer rassistischen Aussage verwehrt<br />

worden. Das AG Oldenburg266 beschreibt den Kläger als „männlichen Ausländer“ <strong>und</strong> beurteilt<br />

die <strong>Diskriminierung</strong> einer Person nach Herkunft oder Hautfarbe <strong>und</strong> Geschlecht als<br />

verachtenswert <strong>und</strong> sanktionswürdig. 267 Die Entschädigung sei ihrem Zweck nach eine<br />

generalpräventive Maßnahme <strong>und</strong> als „Buße für den Benachteiligenden“ gedacht. Dem<br />

Kläger sei es jedoch um einen Präzedenzfall gegangen, was in die Bemessung der Entschädigungssumme<br />

einfließe. 268<br />

Einerseits werden hier zwei Kategorisierungen als mehrdimensionale <strong>Diskriminierung</strong><br />

thematisiert. Andererseits wird der Kontext sexistischer Einlasspolitiken nicht Thema.<br />

In einem anderen, nicht rechtskräftig entschiedenen Fall ging es um die Klage einer Frau<br />

wegen diskriminierender Handlungen ihres Arbeitgebers bezogen auf das Geschlecht<br />

<strong>und</strong> die ethnische Herkunft. Das ArbG Wiesbaden anerkannte eine <strong>Diskriminierung</strong><br />

aufgr<strong>und</strong> des Geschlechts (Zuweisung eines nicht gleichwertigen Arbeitsplatzes nach<br />

Rückkehr aus dem Mutterschutz), nicht aber wegen der ethnischen Herkunft. 269 Eine Statistik<br />

der Beschäftigten in Führungspositionen <strong>–</strong> aufgeteilt nach männlichen <strong>und</strong> weiblichen<br />

Beschäftigten mit Angabe des Migrationshintergr<strong>und</strong>es <strong>–</strong> oder das Vorenthalten von Informationen<br />

oder die Absage eines bereits angeordneten Coachings sind demgegenüber für<br />

das Gericht keine Indizien, die auf rassistische <strong>Diskriminierung</strong> schließen lassen. 270 Hier<br />

zeigt sich weniger ein spezifisches Problem mehrdimensionaler <strong>Diskriminierung</strong>, sondern<br />

eher die Hemmung deutscher Gerichte, aufgr<strong>und</strong> der moralisch eindeutigen Wertung eine<br />

Verurteilung wegen Benachteiligung aufgr<strong>und</strong> der ethnischen Herkunft, also eben: wegen<br />

Rassismus, auszusprechen.<br />

265 LAG Hamburg 3 Sa 15/08, Rn. 67.<br />

266 AG Oldenburg E2 C 2126/07, Urteil v. 23.07.2008.<br />

267 AG Oldenburg E2 C 2126/07, Rn. 23.<br />

268 AG Oldenburg E2 C 2126/07, Rn. 23: „Hier muss der Kläger sich jedoch vorhalten lassen, dass er den Vorfall<br />

provoziert hat. Er hatte von vornherein auch vor, das Verhalten der Türsteher <strong>und</strong> des Betreibers zu testen<br />

<strong>und</strong> musste somit auch mit einer Abweisung rechnen. Der dadurch entstandene Schaden, die Verletzung<br />

seiner Persönlichkeit, ist demnach nicht so groß, als wenn jemand völlig unverhofft an einer Diskothek<br />

abgewiesen <strong>und</strong> öffentlich diskriminiert wird. Er konnte sich also in gewissem Maße auf die <strong>Diskriminierung</strong><br />

vorbereiten <strong>–</strong> nachdem er sie ja förmlich erwartet hatte.“<br />

269 ArbG Wiesbaden 5 Ca 46/08, Urteil v. 18.12.2008.<br />

270 Sehr ausführlich dargestellt, ArbG Wiesbaden 5 Ca 46/08, Rn. 2<strong>–</strong>55.<br />

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