16.12.2012 Aufrufe

Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ender Daten stark erschwert. Fraglich sei allerdings, welche Daten hier tatsächlich<br />

erforderlich wären. Unklar sei, ob die Regelung in § 4 AGG, welche besagt, dass bei einer<br />

Ungleichbehandlung wegen mehrerer Kategorisierungen die Ungleichbehandlung hinsichtlich<br />

jeder Kategorisierung gerechtfertigt sein müsse, dazu beitrage, dass die Kategorisierungen<br />

einzeln <strong>und</strong> nicht in der Spezifik ihres Zusammenwirkens betrachtet <strong>und</strong> abgehandelt<br />

würden. Dass sich der Blick durch die isolierte Betrachtung der einzelnen<br />

Kategorisierungen verengen könne, schien den Teilnehmenden plausibel. Andererseits<br />

plädiere auch die sozialwissenschaftliche Literatur zum Thema mehrdimensionale <strong>Diskriminierung</strong><br />

für Differenzierungen, gerade um dem Phänomen gerecht zu werden. Differenzierung<br />

bedeute also nicht zwangsläufig Verengung des Blicks. Prozessual könne es auch<br />

vorteilhaft sein, mehrdimensionale <strong>Diskriminierung</strong> als solche im Prozess zu benennen.<br />

Die beklagte Person müsse für jede einzelne der möglichen <strong>Diskriminierung</strong> zugr<strong>und</strong>e<br />

liegende Kategorisierung sowie für deren spezifisches Zusammentreffen den Entlastungsbeweis<br />

erbringen, wenn Indizien im Sinne des § 22 AGG vorliegen. Sie müsse sich gemäß<br />

§ 4 AGG für jede der verbotenen Kategorisierungen rechtfertigen. Es sei denkbar, dass die<br />

immaterielle Entschädigung in Fällen von mehrdimensionaler <strong>Diskriminierung</strong>, die eine<br />

besonders schwere Persönlichkeitsverletzung bedeuten, höher ausfällt.<br />

Aus diesen „Filtern“ im AGG könne sich sowohl für die Beratung als auch für die Prozessführung<br />

ergeben, nur eine Kategorisierung zu thematisieren.<br />

3.2.5 Sichtbarkeit von mehrdimensionaler <strong>Diskriminierung</strong> im Recht<br />

Die Fachr<strong>und</strong>e diskutierte dann die Bedeutung der Sichtbarkeit von mehrdimensionaler<br />

<strong>Diskriminierung</strong> im Recht.<br />

Zunächst müsse gesehen werden, dass die Fälle, an denen Crenshaw ihr Konzept der Intersektionalität<br />

entwickelte, in den USA damals schon Fehlurteile gewesen seien. Es habe<br />

<strong>Diskriminierung</strong> im Sinne des geltenden Rechts vorgelegen. Crenshaws Intervention bezog<br />

sich auf die Interpretation oder Auslegung, nicht auf die Normtexte. Auch im AGG könne in<br />

Fällen von Mehrfachdiskriminierung der Tatbestand der Benachteiligung problemlos<br />

erkannt werden; das Gesetz müsse nur richtig ausgelegt werden. Es ginge darum, dafür ein<br />

Verständnis von mehrdimensionaler <strong>Diskriminierung</strong> zu schaffen; das sei die große<br />

Herausforderung.<br />

Recht habe auch eine symbolische Dimension. Es sei daher wünschenswert, mehrdimensionale<br />

<strong>Diskriminierung</strong> im Recht als solche abzubilden. Erfahrungen in einer Beratungsstelle<br />

mit vermittelnden Gesprächen zwischen Diskriminierenden <strong>und</strong> Betroffenen zeigten,<br />

dass Gesprächsparteien, die auf mehrdimensionale Weise diskriminieren, ihre Praxis<br />

häufig damit verteidigten, es handele sich dabei nicht um <strong>Diskriminierung</strong>. Zur Begründung<br />

diene eine isolierte Betrachtung der einzelnen <strong>Diskriminierung</strong>en: Nicht alle Menschen,<br />

die in derselben sozialen Lage seien, also alle Menschen mit Behinderung, alle<br />

Lesben, alle Muslime usw., würden diskriminiert. Dem müsse <strong>und</strong> könne das Recht entgegentreten.<br />

Dies ermögliche auch den Betroffenen eine rechtliche Anerkennung ihrer spezifischen<br />

Erfahrung. Es verhindere, dass Betroffene im Interesse ihrer Rechtsdurchsetzung<br />

eine verkürzte Darstellung ihrer Erfahrung vorbringen. Die Erkenntnis, dass es sich um<br />

rechtlich verbotene mehrdimensionale <strong>Diskriminierung</strong> handele, gegen die Betroffene<br />

Rechte mobilisieren könnten, wirke klärend, könne durch das strukturelle Verständnis<br />

89

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!