Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...
Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...
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4.2 AG <strong>Mehrdimensionale</strong> <strong>Diskriminierung</strong> in der<br />
Rechtsprechung erkennen, welche Fragen kommen<br />
warum nicht vor Gericht?<br />
Auf der Suche nach Rechtspraxis müsse immer nach der Kombination von Kategorisierun-<br />
gen <strong>und</strong> nach üblichen juristischen Wörtern zur Verknüpfung (z. B. „Motivbündel“) gesucht<br />
werden.<br />
Urteile zu mehrdimensionaler <strong>Diskriminierung</strong> könnten als Stichproben analysiert werden,<br />
da keine Repräsentativität zu erzeugen sei. Beratungsstellen könnten Fälle aus ihrer<br />
Arbeit zur Verfügung stellen, die vor Gericht gegangen sind.<br />
Das Fehlen von gerichtlichen Auseinandersetzungen mit mehrdimensionaler <strong>Diskriminierung</strong><br />
in Urteilen liege am „framing“ durch Betroffene, Beratungsstellen <strong>und</strong> Rechtsberatung.<br />
Auch die gerichtliche Arbeitsweise, für die Entscheidung nicht mehr relevante Fragen<br />
offenzulassen (Prozessökonomie), könne ein Gr<strong>und</strong> sein. Vorstellbar sei, dass ein<br />
Gericht eine <strong>Diskriminierung</strong> wegen einer Kategorisierung bejahe <strong>und</strong> sich dann mit dem<br />
Vorliegen eines zweiten <strong>Diskriminierung</strong>saspekts oder der komplizierten Frage des Zusammenspiels<br />
nicht mehr beschäftige. Dies sei allerdings eine problematische, unzureichende<br />
Feststellung der Tatsachen. Es sei andererseits erstaunlich, wenn doch die Dis kriminierung<br />
wegen mehrerer verbotener Kategorisierungen nach einer in der Rechts wissenschaft<br />
herrschenden Meinung die Entschädigungshöhe mit beeinflussen könne.<br />
Es gebe einige Ansätze, wie Jurist_innen <strong>und</strong> Beratungsstellen für mehrdimensionale<br />
<strong>Diskriminierung</strong> sensibilisiert werden könnten. Es könnten Auslegungshilfen verfasst<br />
werden. Praxiswirksam könnte auch die Verschlagwortung als „mehrdimensionale <strong>Diskriminierung</strong>“<br />
in juristischen Datenbanken auch von solchen Fällen sein, in denen das Gericht<br />
sich nicht unter diesem Begriff damit auseinandersetzt. Diese Idee basiert auf dem Gedanken,<br />
dass Rechtsanwält_innen ihre Argumentationsstrategie stark nach schon entschiedenen<br />
Urteilen ausrichteten; wenn sie hierzu nichts fänden, sei es weniger wahrscheinlich,<br />
dass sie ihre eigene Argumentation darauf aufbauten.<br />
Sinnvoll sei eine Ergänzung im Gesetzestext von § 1 AGG, welcher die verbotenen Kategorisierungen<br />
auflistet, mit den Worten „<strong>und</strong> deren Verknüpfung“.<br />
4.3 AG Wissen <strong>und</strong> Rahmenbedingungen<br />
der Wissensproduktion<br />
Das Bedürfnis <strong>und</strong> die Bedeutung von Wissensproduktion über mehrdimensionale Dis-<br />
kriminierung gingen darauf zurück, ein Phänomen benennen zu wollen, um die Realität<br />
aufzugreifen <strong>und</strong> ihr Ausdruck zu verleihen. Akteure hierbei seien Menschen in der Wissenschaft,<br />
den Medien, der Politik <strong>und</strong> dem Recht. Wichtig sei jedoch vor allem, dass<br />
Betroffene Raum fänden, über ihre Erfahrungen zu sprechen.<br />
Die Benennung mehrdimensionaler <strong>Diskriminierung</strong>en berge auch Gefahren für die<br />
Betroffenen. Sie könne durch erhöhte Sichtbarkeit zu mehr Verletzungen führen. Daher<br />
gebe es mehr oder weniger geeignete Orte (Orte <strong>und</strong> „Unorte“) für die Thematisierung von<br />
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