16.12.2012 Aufrufe

Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

Mehrdimensionale Diskriminierung – Begriffe, Theorien und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Verhältnissen. Damit wenden sich die Autorinnen gegen eine zu starke Konzentration auf<br />

eine individuelle Ebene von Subjekten <strong>und</strong> deren Identitäten <strong>und</strong> Erfahrungen, die „starke<br />

Konzentration auf mikro- bis mesotheoretische Aspekte von Identität <strong>und</strong> <strong>Diskriminierung</strong>“<br />

68 . Was sich hier „kreuzt“ sind also Strukturen. Es geht um strukturelle <strong>Diskriminierung</strong><br />

<strong>und</strong> lässt sich auch gut mit institutioneller <strong>Diskriminierung</strong> verknüpfen, nach Supik:<br />

„die direkte oder indirekte Benachteiligung durch Mechanismen, die in die Organisationsstruktur<br />

gesellschaftlicher Institutionen eingelassen sind, <strong>und</strong> so ohne ‚böse Absicht einzelner‘<br />

Teilhabechancen ungleich verteilen. Sie finden statt im Ausbildungssystem, auf dem<br />

Arbeitsmarkt, oder im Ges<strong>und</strong>heitssystem, um einige Beispiele zu nennen. Sie zeigt sich<br />

häufig erst im statistischen Gruppenvergleich.“ 69<br />

Ähnlich wird von „struktureller“ <strong>Diskriminierung</strong> oft gesprochen, um Ungleichheitslagen<br />

zu kennzeichnen, die sich gesellschaftlich verfestigt haben, also individuelle Erfahrungen<br />

bedingen, aber von individuellen Absichten usw. weitgehend unabhängig funktionieren.<br />

Die drei Achsen der Ungleichheit, die nach Klinger <strong>und</strong> Knapp Beachtung finden sollen,<br />

sind Klasse, Geschlecht <strong>und</strong> „Rasse“/Ethnizität. Die Autorinnen erklären sowohl die Auswahl<br />

der Achsen als auch deren Vergleichbarkeit. Nur diese drei prägten nachhaltig<br />

Ungleichheit „nahezu aller Gesellschaften“ 70 . Sie bilden, so Klinger <strong>und</strong> Knapp, das Gr<strong>und</strong>muster<br />

gesellschaftlicher Ungleichheitsverhältnisse durch den gemeinsamen Bezug auf<br />

Arbeit, denn alle drei wirken als Strukturierung <strong>und</strong> Segregation des Arbeitsmarkts, insgesamt<br />

der Reproduktions- <strong>und</strong> der Erwerbsarbeit. „Rasse“, Klasse <strong>und</strong> Geschlecht dienten der<br />

Legitimation der Abwertung bestimmter Tätigkeiten, durch die je spezifische, aber strukturell<br />

vergleichbare <strong>und</strong> sich wechselseitig informierende Erzeugung von Fremdheitseffekten.<br />

Damit liegt ein interkategorialer Ansatz vor. Empirisch lässt sich so das Zusammenwirken<br />

verschiedener Ungleichheiten beispielsweise bezüglich des „pay gap“ auf dem<br />

Erwerbsarbeitsmarkt untersuchen. Klinger <strong>und</strong> Knapp meinen das aber auch programmatisch:<br />

„Für uns steht außer Zweifel, dass die inter-kategoriale Zugangsweise das eigentliche Ziel ist,<br />

das allerdings noch in weiter Ferne steht.“ 71<br />

Das Konzept ist damit für ein Verständnis von mehrdimensionaler <strong>Diskriminierung</strong> im<br />

Bereich des AGG produktiv. Es ermöglicht, die in § 1 AGG genannten „Gründe“ als „Achsen<br />

der Ungleichheit“ zu begreifen, auf denen sich dann Benachteiligungssituationen abspielen,<br />

die als <strong>Diskriminierung</strong> untersagt sind.<br />

68 Klinger/Knapp (2007), 35 f.<br />

69 Supik (2008), 2; s. a. Gomolla/Radtke (2007); Hormel/Scherr (2004).<br />

70 Klinger/Knapp (2007), 20.<br />

71 Klinger/Knapp (2007), 36.<br />

19

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!