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urbanLab Magazin 03/2018 - Regionale Netzwerke

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natürlichen Lauf in einem 300 km 2 großen Naturgebiet.<br />

In diesem Gebiet wurden mehr als 120 Projekte realisiert,<br />

die sowohl die Qualität des Wohnens, als auch des Kulturlebens<br />

verbesserten. Der Emscherpark wird vielbesucht<br />

und inspiriert Politiker und Planer in ganz Europa.<br />

Besonders bemerkenswert ist der Imagewandel des Ruhrgebietes<br />

durch dieses Projekt. Der Abschied von der Montanindustrie<br />

führte zu großen sozialen und ökonomischen<br />

Problemen. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 20 % und<br />

die Demografie prognostiziert eine schrumpfende Anzahl<br />

von Bewohnern mit einem zunehmenden Seniorenanteil.<br />

Trotz dieser ernsthaften Situation steigen die Bekanntheit<br />

und die Anziehung des Emscherparks als eines der Kennzeichen<br />

des Ruhrgebietes. Immer mehr Bewohner nutzen<br />

immer häufiger das attraktive Gebiet mit seinen Möglichkeiten<br />

und Angeboten. Freistehende Gebäude bleiben<br />

nicht mehr leer, sondern bieten Platz für eine wachsende<br />

Wissens-Ökonomie, neue Energien und den Gesundheitssektor.<br />

Das progressive und kulturelle Image wird weiterhin<br />

gestärkt durch die Ernennung des Ruhrgebietes als<br />

eine der Kulturhauptstädte Europas: Ruhr.2010.<br />

Im Abschlussbericht von 2006 des Forschungs- und<br />

Entwicklungsprojektes SAUL, sustainable and accessible<br />

urban landscapes, werden Chancen und Herausforderungen<br />

sowohl für wachsende als auch für schrumpfende<br />

Regionen beleuchtet.<br />

)) Die angeführten Projekte der<br />

teilnehmenden Regionen spiegeln<br />

die Entwicklung des „urban<br />

Sprawl“, der „Zwischenstadt“,<br />

in Europa und damit auch das<br />

veränderte Verhältnis zwischen<br />

Stadt und Land wider. ((<br />

Vor allem dort, wo das städtische Wachstum zu Lasten<br />

der Landschaft geht, wird die Bedeutung des grünen<br />

und ländlichen Gebietes immer dringender deutlich.<br />

Das Grüngebiet ist sowohl für die Ökologie als auch für<br />

den Erholungswert der Stadt wichtig. Besonders in Gegenden<br />

mit einer hohen Entwicklungsdynamik sind die<br />

Außengebiete gefährdet. Wenn die Landwirtschaft rückläufig<br />

ist, die Felder und Wiesen keine eindeutigen Nutzer<br />

mehr haben und auch (noch) keine andere formale<br />

Bestimmung erhalten haben, zum Beispiel als Naturschutzgebiet,<br />

können Städte sich einfacher ausdehnen.<br />

Eine denkbare Strategie, die diesem Prozess Einhalt bieten<br />

soll, ist die Adoption des Gebietes durch möglichst<br />

viele Nutzer. Die hier zugrunde liegende Annahme ist,<br />

dass ein Gebiet, das genutzt und geschätzt wird, auch<br />

geschützt wird. Die Projekte in SAUL betonen ebenfalls<br />

die sogenannten weichen Standortfaktoren. Hiermit sind<br />

unter anderem die ästhetischen und erholungsrelevanten<br />

Qualitäten der Landschaft gemeint. Im Konkurrenzkampf<br />

der europäischen Städte und Regionen um qualifizierte<br />

Arbeitnehmer und Firmengründungen sind die weichen<br />

Standortfaktoren immer wichtiger. Vor dem Hintergrund<br />

der Globalisierung werden regionaltypische Eigenschaften<br />

besonders hoch bewertet.<br />

Die Beweggründe um einen Regionalpark zu initiieren<br />

sind sehr unterschiedlich: Das kann der Schutz der<br />

Landschaft in einer fortschreitenden Ausweitung der<br />

Städte einer Agglomeration sein, das kann das Imago<br />

in einer schrumpfenden Region sein oder es kann die<br />

Notwendigkeit eines ökonomischen Impulses in einer<br />

abbauenden Industrieregion sein. Die Einrichtung eines<br />

Regionalparks soll die räumliche Attraktivität des städtischen<br />

Umlandes erhöhen. In vielen Regionalparks liegt<br />

die Konzentration auf der Verstärkung der bestehenden<br />

räumlichen und programmatischen Qualitäten und der<br />

Entwicklung von Perspektiven für diejenigen Gebiete, die<br />

weniger Wertschätzung erleben. Dabei werden Dissonanten<br />

in einer Region akzeptiert und ins Ganze integriert.<br />

Die urbane Landschaft als Spiegel der Gesellschaft<br />

Landschaft und Raumgestaltung sind eng verknüpft<br />

mit den Menschen, die hierin agieren und leben. Verändert<br />

sich unsere Gesellschaft, so versuchen wir<br />

auch unsere Umgebung hieran anzupassen. Jede<br />

Gesellschaft und jede Zeit hat ihre eigenen Zeichen<br />

und Symbole in der Landschaft. Die einschneidenden<br />

Veränderungen der vergangenen Dekaden heißen<br />

Globalisierung, Wissensgesellschaft, veränderte ökonomische<br />

Strukturen, Individualisierung und Pluralisierung.<br />

Das Vokabular für die räumlichen Veränderungen<br />

der vergangenen Jahre lautet: Zwischenstadt,<br />

urbane Landschaften, urbane Landwirtschaft, heterogene<br />

Landschaften und Fragmentierung der städtischen<br />

Strukturen. Die Entstehung von Regionalparks,<br />

als räumliche Gestaltung und als Planungsinstrument,<br />

muss in diesem Kontext gesehen werden.<br />

Soziologen und Philosophen beschreiben die heutige<br />

Gesellschaft als eine postmoderne Gesellschaft, in<br />

der ein Übergang von Eindeutigkeit zu Unterschied<br />

und Vielfalt stattfindet.<br />

So war eines der Kennzeichen des Modernismus das<br />

Streben nach Ordnung und Eindeutigkeit. Man definierte<br />

eindeutige Wahrheiten und deutlich abgegrenzte Einteilungen:<br />

Stadt oder Land, wohnen oder arbeiten, mobil<br />

oder stabil. Im Postmodernismus werden Dinge und<br />

Ideen miteinander gemischt, die zuvor nicht zusammen<br />

gehörten oder nicht zueinander gehören sollten. (Vester<br />

1993, S. 15) Illustrative Beispiele aus dem Alltag hierfür<br />

sind: im Freibad mit dem Laptop arbeiten, Erdbeeren<br />

im Winter, eingeflogen aus Brasilien, angerufen werden<br />

auf der Skipiste, ein allabendliches Plauderstündchen<br />

mit Menschen aus aller Welt im Chatraum der Website<br />

eines Literaturclubs. Die immense Ausweitung der Möglichkeiten<br />

für den Einzelnen und der Kontakt zu anderen<br />

Lebenswirklichkeiten fördert die Sensibilität für Unterschiede<br />

und die Fähigkeit, um Widersprüche zu akzeptieren<br />

(so Lyotard 1979). Die große Erzählung, die große<br />

Linie, macht Platz für viele kleine Erzählungen.<br />

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Stadt Land Transformation - AUS DER PRAXIS

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