Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
natürlichen Lauf in einem 300 km 2 großen Naturgebiet.<br />
In diesem Gebiet wurden mehr als 120 Projekte realisiert,<br />
die sowohl die Qualität des Wohnens, als auch des Kulturlebens<br />
verbesserten. Der Emscherpark wird vielbesucht<br />
und inspiriert Politiker und Planer in ganz Europa.<br />
Besonders bemerkenswert ist der Imagewandel des Ruhrgebietes<br />
durch dieses Projekt. Der Abschied von der Montanindustrie<br />
führte zu großen sozialen und ökonomischen<br />
Problemen. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 20 % und<br />
die Demografie prognostiziert eine schrumpfende Anzahl<br />
von Bewohnern mit einem zunehmenden Seniorenanteil.<br />
Trotz dieser ernsthaften Situation steigen die Bekanntheit<br />
und die Anziehung des Emscherparks als eines der Kennzeichen<br />
des Ruhrgebietes. Immer mehr Bewohner nutzen<br />
immer häufiger das attraktive Gebiet mit seinen Möglichkeiten<br />
und Angeboten. Freistehende Gebäude bleiben<br />
nicht mehr leer, sondern bieten Platz für eine wachsende<br />
Wissens-Ökonomie, neue Energien und den Gesundheitssektor.<br />
Das progressive und kulturelle Image wird weiterhin<br />
gestärkt durch die Ernennung des Ruhrgebietes als<br />
eine der Kulturhauptstädte Europas: Ruhr.2010.<br />
Im Abschlussbericht von 2006 des Forschungs- und<br />
Entwicklungsprojektes SAUL, sustainable and accessible<br />
urban landscapes, werden Chancen und Herausforderungen<br />
sowohl für wachsende als auch für schrumpfende<br />
Regionen beleuchtet.<br />
)) Die angeführten Projekte der<br />
teilnehmenden Regionen spiegeln<br />
die Entwicklung des „urban<br />
Sprawl“, der „Zwischenstadt“,<br />
in Europa und damit auch das<br />
veränderte Verhältnis zwischen<br />
Stadt und Land wider. ((<br />
Vor allem dort, wo das städtische Wachstum zu Lasten<br />
der Landschaft geht, wird die Bedeutung des grünen<br />
und ländlichen Gebietes immer dringender deutlich.<br />
Das Grüngebiet ist sowohl für die Ökologie als auch für<br />
den Erholungswert der Stadt wichtig. Besonders in Gegenden<br />
mit einer hohen Entwicklungsdynamik sind die<br />
Außengebiete gefährdet. Wenn die Landwirtschaft rückläufig<br />
ist, die Felder und Wiesen keine eindeutigen Nutzer<br />
mehr haben und auch (noch) keine andere formale<br />
Bestimmung erhalten haben, zum Beispiel als Naturschutzgebiet,<br />
können Städte sich einfacher ausdehnen.<br />
Eine denkbare Strategie, die diesem Prozess Einhalt bieten<br />
soll, ist die Adoption des Gebietes durch möglichst<br />
viele Nutzer. Die hier zugrunde liegende Annahme ist,<br />
dass ein Gebiet, das genutzt und geschätzt wird, auch<br />
geschützt wird. Die Projekte in SAUL betonen ebenfalls<br />
die sogenannten weichen Standortfaktoren. Hiermit sind<br />
unter anderem die ästhetischen und erholungsrelevanten<br />
Qualitäten der Landschaft gemeint. Im Konkurrenzkampf<br />
der europäischen Städte und Regionen um qualifizierte<br />
Arbeitnehmer und Firmengründungen sind die weichen<br />
Standortfaktoren immer wichtiger. Vor dem Hintergrund<br />
der Globalisierung werden regionaltypische Eigenschaften<br />
besonders hoch bewertet.<br />
Die Beweggründe um einen Regionalpark zu initiieren<br />
sind sehr unterschiedlich: Das kann der Schutz der<br />
Landschaft in einer fortschreitenden Ausweitung der<br />
Städte einer Agglomeration sein, das kann das Imago<br />
in einer schrumpfenden Region sein oder es kann die<br />
Notwendigkeit eines ökonomischen Impulses in einer<br />
abbauenden Industrieregion sein. Die Einrichtung eines<br />
Regionalparks soll die räumliche Attraktivität des städtischen<br />
Umlandes erhöhen. In vielen Regionalparks liegt<br />
die Konzentration auf der Verstärkung der bestehenden<br />
räumlichen und programmatischen Qualitäten und der<br />
Entwicklung von Perspektiven für diejenigen Gebiete, die<br />
weniger Wertschätzung erleben. Dabei werden Dissonanten<br />
in einer Region akzeptiert und ins Ganze integriert.<br />
Die urbane Landschaft als Spiegel der Gesellschaft<br />
Landschaft und Raumgestaltung sind eng verknüpft<br />
mit den Menschen, die hierin agieren und leben. Verändert<br />
sich unsere Gesellschaft, so versuchen wir<br />
auch unsere Umgebung hieran anzupassen. Jede<br />
Gesellschaft und jede Zeit hat ihre eigenen Zeichen<br />
und Symbole in der Landschaft. Die einschneidenden<br />
Veränderungen der vergangenen Dekaden heißen<br />
Globalisierung, Wissensgesellschaft, veränderte ökonomische<br />
Strukturen, Individualisierung und Pluralisierung.<br />
Das Vokabular für die räumlichen Veränderungen<br />
der vergangenen Jahre lautet: Zwischenstadt,<br />
urbane Landschaften, urbane Landwirtschaft, heterogene<br />
Landschaften und Fragmentierung der städtischen<br />
Strukturen. Die Entstehung von Regionalparks,<br />
als räumliche Gestaltung und als Planungsinstrument,<br />
muss in diesem Kontext gesehen werden.<br />
Soziologen und Philosophen beschreiben die heutige<br />
Gesellschaft als eine postmoderne Gesellschaft, in<br />
der ein Übergang von Eindeutigkeit zu Unterschied<br />
und Vielfalt stattfindet.<br />
So war eines der Kennzeichen des Modernismus das<br />
Streben nach Ordnung und Eindeutigkeit. Man definierte<br />
eindeutige Wahrheiten und deutlich abgegrenzte Einteilungen:<br />
Stadt oder Land, wohnen oder arbeiten, mobil<br />
oder stabil. Im Postmodernismus werden Dinge und<br />
Ideen miteinander gemischt, die zuvor nicht zusammen<br />
gehörten oder nicht zueinander gehören sollten. (Vester<br />
1993, S. 15) Illustrative Beispiele aus dem Alltag hierfür<br />
sind: im Freibad mit dem Laptop arbeiten, Erdbeeren<br />
im Winter, eingeflogen aus Brasilien, angerufen werden<br />
auf der Skipiste, ein allabendliches Plauderstündchen<br />
mit Menschen aus aller Welt im Chatraum der Website<br />
eines Literaturclubs. Die immense Ausweitung der Möglichkeiten<br />
für den Einzelnen und der Kontakt zu anderen<br />
Lebenswirklichkeiten fördert die Sensibilität für Unterschiede<br />
und die Fähigkeit, um Widersprüche zu akzeptieren<br />
(so Lyotard 1979). Die große Erzählung, die große<br />
Linie, macht Platz für viele kleine Erzählungen.<br />
125<br />
Stadt Land Transformation - AUS DER PRAXIS