279.tirol
Ausgabe 1, August 2020
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tirol.digital<br />
25<br />
DIE NACH-CORONA-ZEIT<br />
UND DIE DIGITALISIERUNG<br />
AUTOR<br />
GEORG KEUSCHNIGG<br />
Eines ist sicher:<br />
Die Corona-Zeit hat der digitalen<br />
Kompetenz der Bevölkerung<br />
ordentlich Rückenwind verliehen!<br />
Im Homeoffice war man gezwungen,<br />
sich selbst einzuloggen, Passwörter<br />
einzugeben, sich mit den<br />
Internetdiensten in englischer<br />
Sprache auseinanderzusetzen,<br />
Konferenztools herunterzuladen,<br />
Systeme zu synchronisieren und<br />
vieles mehr. Was bleibt aber aus<br />
dieser Zeit, die jederzeit wiederkehren<br />
kann, und wie verändert<br />
sich die Gesellschaft?<br />
Außer Streit steht nunmehr, dass<br />
die Breitbandinfrastrukturen bis<br />
ins letzte Haus zu errichten sind.<br />
Ohne vernünftige Bandbreiten<br />
funktioniert das Homeoffice nicht,<br />
können die Kinder nicht lernen und<br />
kann kein EPU betrieben werden.<br />
Der Aufwand, den die Gemeinden<br />
mit massiver Unterstützung des<br />
Landes und des Bundes betreiben,<br />
hat in dieser Phase schon<br />
viel gebracht.<br />
Nach der Verfügbarkeit der Infrastruktur<br />
ist es die digitale Kompetenz,<br />
an der wir arbeiten müssen.<br />
Im Homeoffice gibt es keine IT-<br />
Abteilung, die einem alles konfiguriert.<br />
Und die Kolleginnen und<br />
Kollegen rollen die Augen, wenn<br />
man am Telefon zu begriffsstutzig<br />
ist. Der eine oder andere Kurs<br />
über die Basics der digitalen Welt<br />
wird daher wohl auch für ältere<br />
Semester unabdingbar sein.<br />
Die nächste Erkenntnis ist, dass<br />
das Teleworking funktioniert. Viele<br />
haben die Software, die es für<br />
Besprechungen und Konferenzen<br />
bereits gibt, erst jetzt kennengelernt.<br />
Wer als Tiroler viel in Wien<br />
zu tun hat, weiß um den Zeitaufwand<br />
für Sitzungen in der Bundeshauptstadt,<br />
wo sich in Österreich<br />
alles zusammenballt. Die Wiener<br />
Kolleginnen und Kollegen wechseln<br />
nur den Konferenzraum, bei unsereinem<br />
geht ein ganzer Tag drauf,<br />
von den Kosten gar nicht zu reden.<br />
Bisher hat die Gesellschaft auf<br />
die Distanzunabhängigkeit, welche<br />
die Digitalisierung ermöglicht,<br />
nicht wirklich reagiert. Nach wie<br />
vor gilt es als selbstverständlich,<br />
dass jeder, der in den Regierungsstellen<br />
etwas auf sich hält, in Wien<br />
oder in Innsbruck sitzen muss. Mit<br />
allen Folgen für den Verkehr, und<br />
was jetzt noch wichtiger geworden<br />
ist, für die Zusammenziehung<br />
von Menschen an einem Platz. Das<br />
Internet ist so weit entwickelt,<br />
dass sich die Gesellschaft ohne<br />
Effizienzverluste viel dezentraler<br />
aufstellen kann. Was Andrä Rupprechter<br />
mit dem Masterplan für<br />
den ländlichen Raum begonnen<br />
hat, sollte mit Nachdruck vorangetrieben<br />
werden.<br />
Um möglichen Einwänden vorab<br />
den Wind aus den Segeln<br />
zu nehmen: Die Welt ist nicht<br />
schwarz-weiß, es gibt nicht<br />
Homeoffice oder Bürobetrieb. Die<br />
Abläufe müssen neu austariert<br />
werden. Der menschliche Kontakt<br />
in einem Betrieb wird auch weiterhin<br />
wesentlich sein. Es wird viele<br />
Mischformen geben; zwei Sitzungen<br />
digital, zwei am Firmenstandort.<br />
Und die letzteren werden so<br />
organisiert sein, dass der menschliche<br />
Austausch bewusst gefördert<br />
wird. Oder drei Tage im Büro und<br />
zwei Tage daheim. Damit können<br />
auch diejenigen, die in den Bezirken<br />
leben, Jobs in den Zentralorten<br />
annehmen. Drei Tage pendeln<br />
geht, fünf oft nicht mehr.<br />
Die Corona-Krise wird uns allen<br />
noch viel Kopfweh bereiten. Die<br />
Chancen und neuen Sichtweisen,<br />
die sie mit sich bringt, sollten aber<br />
für neue Strategien in der Landesentwicklung<br />
genützt werden.