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279.tirol

Ausgabe 1, August 2020

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50 tirol.bunt und vielfältig<br />

CARINA: „Wisst ihr noch, wie überrascht<br />

wir waren, als letztes Jahr auf<br />

einmal eine Anfrage aus Deutschland<br />

kam? Das hat uns schon ein bisschen<br />

stolz gemacht, dass sich unser Angebot<br />

der Deutschkurse auch bis ins Nachbarland<br />

rumgesprochen hat.“<br />

KATHRIN: „Stimmt, aber es ist ja einfach<br />

auch echt schwierig, ein Angebot zu<br />

finden, wenn die Kursteilnehmerinnen und<br />

-teilnehmer im Schichtbetrieb arbeiten …“<br />

VERENA: „… die normalen Kurszeiten sind<br />

ja meistens einmal pro Woche am Abend,<br />

und das ist für Leute, die manchmal in der<br />

Nachtschicht und manchmal in der Frühschicht<br />

arbeiten, einfach nicht möglich.“<br />

KATHRIN: „Genau! Da haben wir ja<br />

wirklich schon einige lustige Situationen<br />

erlebt. Ausdrücke und Redewendungen,<br />

die für uns ganz normal sind, erklären<br />

sich eben nicht automatisch jedem Menschen<br />

mit nichtdeutscher Muttersprache.“<br />

VERENA: „Ja, zum Beispiel „Das ist mir<br />

wurscht!“ – wir haben im Kurs gemeinsam<br />

schon gegrübelt, ob der Ausdruck<br />

daher kommt, dass alle Würste gleich<br />

aussehen.“<br />

VERENA: „Und gerade in einem Heim<br />

wie in Kiefersfelden kommen ja Bewohnerinnen<br />

und Bewohner sowie Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter aus ganz Tirol<br />

und Bayern zusammen. Da ist es natürlich<br />

wahnsinnig schwierig, die unterschiedlichen<br />

Dialekte zu verstehen. Da<br />

verstehen ja schon die Unterlandler nicht<br />

immer die Oberlandler!“<br />

KATHRIN: „Da braucht’s dann vüh Gfüh,<br />

vui Gfui oder eben viel Gefühl …“<br />

CARINA: „Das Ziel unserer Kurse ist<br />

ja, die Sprache im Berufsalltag zu verbessern.<br />

Gerade in einem Heim wie in<br />

Kiefersfelden gibt es viel Kommunikation<br />

mit den Bewohnerinnen und Bewohnern,<br />

den Angehörigen und den Arbeitskolleginnen<br />

und -kollegen. Da hilft es dann<br />

auch beruflich, wenn man ein bisschen<br />

Dialekt versteht.“<br />

CARINA: „Mich beeindruckt ja immer<br />

wieder, dass die Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer auch nach einem anstrengenden<br />

Acht-Stunden-Tag noch gerne<br />

in unseren Kurs kommen. Das Interesse<br />

ist wirklich groß!“<br />

DIE ALLTAGSSPRACHE IST OFT SEHR WEIT<br />

WEG VON DEM, WAS IN KLASSISCHEN DEUTSCH-<br />

BÜCHERN GELEHRT WIRD.<br />

VERENA: „Ja, ich finde, daran sieht<br />

man auch, dass sie sich darauf freuen,<br />

sich in einem ganz anderen Rahmen<br />

auszutauschen. Und ich habe festgestellt,<br />

dass es für die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer eine gute Gelegenheit<br />

ist, auch über Dinge zu sprechen, die sie<br />

gerade bewegen. Oft trauen sie sich das<br />

sonst nicht, weil sie denken, ihr Deutsch<br />

ist nicht gut genug.“<br />

KATHRIN: „Das ist für den Heimleiter,<br />

Herrn Hartmann, auch ein ganz wichtiger<br />

Punkt bei diesem Kurs. Ihm ist es ein<br />

Anliegen, dass die Kursteilnehmerinnen<br />

und -teilnehmer Wortschatz lernen, um<br />

ihre Bedürfnisse und Empfindungen auszudrücken.<br />

Gerade in diesem Arbeitsbereich<br />

ist man oft psychisch sehr belastet,<br />

und dann hilft es einfach, wenn man<br />

das auch mal sagen kann – quasi als<br />

eine kleine Form der Psychohygiene.“<br />

CARINA: „Und wenn einer sagt, „Ich bin<br />

fix und foxi“, muss das natürlich erstmal<br />

im Kurs erklärt werden.“ (lacht)<br />

CARINA: „Manchmal führt so ein Unverständnis<br />

ja auch buchstäblich zu Notlagen<br />

– wenn ein Bewohner des Altenwohnheims<br />

sagt „I muss pieseln!“, dann<br />

braucht es schon ein hohes Maß an Dialektverständnis,<br />

um das zu verstehen.<br />

Selbst wenn man versucht, so etwas<br />

zu googeln, würde man wahrscheinlich<br />

nichts finden.“<br />

KATHRIN: „Gerade das Thema Dialekt<br />

ist ja für die meisten die größte Herausforderung.<br />

Oft haben die Leute in ihren<br />

Heimatländern schon Deutschkurse<br />

gemacht, sogar auf sehr hohem Niveau,<br />

aber dort wird natürlich nur Hochdeutsch<br />

gesprochen und geschrieben. Der Alltag<br />

sieht bei uns in der Region dann ganz<br />

anders aus.“<br />

KATHRIN: „Allein schon die Richtungen<br />

rauf-runter, rein-raus sind immer ein<br />

Aha-Erlebnis.“<br />

VERENA: „Wir ermuntern unsere Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer ja auch,<br />

dass sie aufschreiben sollen, wenn sie<br />

ein Wort oder einen Satz hören, der<br />

immer wieder in ihrem Alltag vorkommt,<br />

den sie aber nicht verstehen. Dann können<br />

wir im Kurs versuchen zu klären,<br />

worum es sich handeln könnte.“<br />

KATHRIN: „Da fällt mir ein Beispiel ein,<br />

in dem eine nichtdeutschsprachige Pflegerin<br />

von ihrem Erlebnis erzählt hat. Eine<br />

Dame hat gefragt, ob ihre Bettnachbarin<br />

schon munter sei. Die Antwort der Pflegerin:<br />

‚Nein, es ist Mittwoch.‘ Sie kannte<br />

zwar das Wort ‚wach‘, aber ‚munter‘ hatte<br />

sie noch nie gehört. Da sie gut Englisch<br />

spricht, hatte sie Monday verstanden,<br />

und es deshalb mit einer Frage nach<br />

einem Wochentag assoziiert.“

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