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4_2017 Leseprobe

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Verband<br />

Biogas Journal | 4_<strong>2017</strong><br />

Biogas-Historie<br />

Pioniere der Biogasnutzung:<br />

Helmut Döhler und das KTBL<br />

Wenn andere allzu optimistisch waren, herrschte in Darmstadt vor allem der Realismus.<br />

Und für diesen stand über Jahre hinweg Helmut Döhler, Biogasexperte beim Kuratorium<br />

für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL).<br />

Von Bernward Janzing<br />

Das zeigte sich zum Beispiel bei den Potenzial-Prognosen<br />

zum Biogas. Es habe einst,<br />

sagt Döhler heute, Schätzungen gegeben,<br />

wonach 100.000 bis 150.000 Biogasanlagen<br />

in Deutschland möglich seien. Diesen<br />

Szenarien hielt der Branchenkenner bereits im Dezember<br />

2004 auf der Jahrestagung der Bayerischen Landesanstalt<br />

für Landwirtschaft in Rosenheim entgegen,<br />

es sei „eher von 10.000 Biogasanlagen in Deutschland<br />

auszugehen“.<br />

Schon damals rechnete Döhler vor, dass bei unseren<br />

Ernährungsgewohnheiten mit einem hohen Anteil an<br />

Nahrungsmitteln tierischer Herkunft (die dazu führt,<br />

dass 70 Prozent unserer Getreideernte in die Tierernährung<br />

gehen) ein Flächenbedarf von etwa 0,2 Hektar<br />

pro Einwohner anzunehmen sei. Bei der gegebenen<br />

Einwohnerzahl verblieben abseits der Ernährung etwas<br />

mehr als 500.000 Hektar Anbaufläche. Und weil diese<br />

Fläche auch noch mit dem Anbau von Pflanzen zur<br />

stofflichen Nutzung (Dämmmaterial, Kunststoffersatz)<br />

konkurriere sowie der Erzeugung von Rohstoffen zur<br />

Kraftstoff- und zur Wärmegewinnung, ergebe sich ein<br />

Potenzial von 130.000 bis maximal 400.000 Hektar<br />

für das Biogas.<br />

Als großer Unterstützer des Biogases, dennoch aber in<br />

der Sache immer mit sehr kritischer und analytischer<br />

Sicht, hat Döhler die Biogasentwicklung über Jahre geprägt.<br />

23 Jahre lang, von 1990 bis 2013 vertrat er das<br />

Biogas auch innerhalb des KTBL in seiner Funktion als<br />

Teamleiter und Abteilungsleiter Nachhaltigkeit.<br />

Döhler studierte Landwirtschaft in Göttingen, schloss<br />

1983 sein Studium ab. Den Widerstand gegen das Atommüll-Endlager<br />

Gorleben erlebte er in der politisch sehr<br />

aktiven Studentenszene Göttingens hautnah mit. Doch<br />

das Thema Atomkraft war es nicht, was ihn zum Biogas<br />

brachte, eher führte ihn seine Auseinandersetzung mit<br />

Agrarumweltthemen als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

der Universität Bayreuth zwangsläufig zum Biogas.<br />

Konkret kam er über das Thema Ammoniakemissionen<br />

aus Wirtschaftsdünger zum Biogas und machte ab 1986<br />

Versuche zur Ammoniakforschung aus Biogasgärresten.<br />

An der Universität stand ein Minifermenter mit 1m 3 Faulraum,<br />

da waren standardisierte Versuche möglich.<br />

Beim KTBL war er mit diesem Thema bestens aufgehoben.<br />

Der Verein hatte bereits 1947 eine erste Veröffentlichung<br />

über Biogas geschrieben. In dieser Zeit der<br />

Energiearmut nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte<br />

man alle denkbaren Quellen anzuzapfen. Technisch<br />

war die Nutzung von Biogas aber noch eine große Herausforderung.<br />

In den Fünfzigerjahren betreute der Verein<br />

Pilot-Biogasanlagen in Hessen und Bayern. Aber<br />

bald wurde es wieder ruhiger um das Thema, die Nation<br />

nutzte verstärkt die fossilen Energien, bald kamen auch<br />

die Atomkraftwerke hinzu.<br />

KTBL-Schrift „Fortschritte bei Biogas“<br />

Dann kam die erste Ölkrise 1973 sowie die zweite 1979.<br />

Die Suche nach Alternativen zu den fossilen Energien<br />

aus den Emiraten begann, und damit erlebte das Biogas<br />

eine zweite Phase – und war nun technisch deutlich<br />

erfolgreicher als in der ersten Epoche. „Zwischen Ende<br />

Siebzigerjahre und Ende der Achtzigerjahre entstanden<br />

etwa 150 Biogasanlagen in Deutschland“, sagt Döhler.<br />

Das KTBL brachte 1982 eine vielbeachtete Schrift<br />

heraus mit dem Titel „Fortschritte bei Biogas“. Unter<br />

anderem wurde dort geschrieben, dass der Wirkungsgrad<br />

bei BHKW wohl nie mehr als 30 Prozent erreichen<br />

würde. „Es war gut, dass sich unsere Kollegen damals<br />

getäuscht haben, und heute würden sie sich vielleicht<br />

die Augen reiben“, so Döhler. Die KTBL-Kollegen Erich<br />

Dohne, Michael Brenndörfer und Rainer von Oheimb<br />

hielten das Biogas in dieser Phase hoch.<br />

Als es um die technische Fortentwickung und Optimierung<br />

der Anlagen ging, war der Darmstädter Verein<br />

natürlich mit eingebunden. In den Jahren 1990 bis<br />

1997 koordinierte Döhler als Projektleiter im KTBL<br />

ein Projekt des Bundesforschungsministeriums mit<br />

dem Titel „Umweltverträgliche Gülleaufbereitung und<br />

-verwertung“. Es gilt heute als ein Meilenstein zur<br />

Professionalisierung der Biogastechnik. Mit diesem<br />

Projekt haben wir den technischen Sprung von der<br />

30-kW- zur 300-kW-Anlage gemacht und den Weg für<br />

anspruchsvollere Biogastechnik für Deutschland und<br />

Europa geebnet.<br />

75 Millionen D-Mark bezahlte das Forschungsministerium,<br />

um Grundlagenforschung zu unterstützen und<br />

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