Ausgabe 05/2023

Kritisch
realistisch
Sand im Getriebe. „Je länger etwas gut geht, desto kritischer sollte
man sein“, mahnt ÖRAG Vorstand, Johannes Endl, nicht auf jeden Zug
aufspringen zu müssen.
Das Gespräch führte: Michael Neubauer
Fotos: @Rizar.Photo
W
ir treffen einander im
„Zum Schwarzen Kameel“.Es
ist Mittagszeit
und im Kameel brummt
es. Alle Tische sind besetzt. Aber Gott sei
Dank haben wir – wie immer – reserviert.
Auch dem Wunsch, ein vielleicht ein wenig
ruhigeres Eckerl für uns zu finden, wurde
entsprochen.
Mein heutiger Gast, ÖRAG-Vorstand Johannes
Endl, schätzt am Schwarzen Kameel
vor allem die Atmosphäre und die traditionelle
Wiener Küche. „Ich komme schon
seit vielen Jahren immer wieder gerne
hierher.“ Schmerzlich vermisst Endl die
„Brötchentheke“, die mit dem letzten Umbau
verschwunden ist. Das fehlt: „Schnell mal
auf ein paar Brötchen hereinschauen. Ja, das
vermisse ich.“
Zeit, zur Aufmunterung über Immobilien zu
reden. Johannes Endl ortet Finanz-Bildungslücken:
„Ich glaube, vielen Kreditnehmern
waren die Auswirkungen bei der Wahl zwischen
Fix- oder variablen Zinsen nicht im
vollen Umfang bewusst. Fast jeder Zweite hat
einen Wohnkredit mit variablen Zinsen laufen.
Die Kosten dafür laufen aktuell aus dem
Ruder.“ Warum so viele private Kreditnehmer
in einer fast Null-Zinsphase auf variable
Zinsen setzen, obwohl man sich um wenig
Geld mit Fixzinsen absichern hätte können,
sei unverständlich. „Ich befürchte, dass viele
private Haushalte in den kommenden Monaten
in Schwierigkeiten geraten werden.“ Ihm
persönlich ist guter, ruhiger Schlaf wichtig.
„Ich habe meine Immobilie mit einem – ausgesprochen
attraktiven – Fixzinssatz finanziert.“
„Die niedrigen Zinsen haben aber auch die
Preise in die Höhe getrieben. Durch die niedrigen
Zinsen konnten sich viele einen Ankauf
leisten. Mit der hohen Nachfrage stiegen
auch die Preise.“ Die Anpassungen müssen
jetzt stattfinden.
Von Natur aus Diplomat
Zum Aperitif kommt ein kühles Bier. Für den
Bierkenner und Bierbrauer Endl ein Muss –
davon aber später mehr. Doch wie kam Endl
in die Immobilienbranche? „Ich bin zufällig
hineingerutscht.“ Endl studierte Rechtswissenschaften.
Eine Karriere als Anwalt hat
Endl für sich immer ausgeschlossen. „Wirtschaftsanwalt
wäre eine Option gewesen. Ich
bin von Natur aus Diplomat. Wenn es nicht
sein muss, suche ich nicht den Streit.“
Aber jetzt schnell ein Blick in die Tageskarte.
Endl wählt eine Hokkaido-Papayacremesuppe
mit Kürbiskernölschaum als
Vorspeise und Rostbraten vom Zander mit
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