faktor Winter 2023/24
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
mensch<br />
„Einfacher<br />
als ein Toaster“<br />
Das Göttinger Start-up Histomography hat in der diesjährigen Entrepreneurship School (ESS)<br />
der PFH mit der besten Gründungsidee überzeugt. Das Team entwickelt ein 3D-Röntgenmikroskop<br />
für die Untersuchung von Gewebeproben.<br />
TEXT SVEN GRÜNEWALD<br />
Pathologen und Forscher arbeiten in der<br />
klassischen Histologie (Gewebelehre) bislang<br />
mit zweidimensionalen Bildern von<br />
Gewebeproben. Da Organe und Zellen jedoch<br />
dreidimensionale Objekte sind, können<br />
komplexe strukturelle Veränderun gen<br />
durch die Methoden der klassischen Histologie nicht effektiv<br />
erkannt werden, sodass die Erforschung und Diagnose<br />
von Krankheiten erschwert sind. „Wir leben in einer<br />
dreidimensionalen Welt – unsere Körper sind dreidimensional,<br />
unsere Organe sind dreidimensional und deshalb<br />
sind auch unsere Krankheiten dreidimensional“, fasst es<br />
Jens Hansen zusammen, der im Team von Histomography<br />
das Produktmanagement verantwortet.<br />
DER BISHERIGE GOLDSTANDARD in der Routinediagnostik<br />
der Pathologie basiert hingegen auf zweidimen sionalen<br />
analogen Bilddaten. Eine Biopsie, die einem Patienten<br />
entnommen wurde, wird zur Untersuchung zunächst<br />
in einen Wachsblock eingebracht. Anschließend werden<br />
dünne Schnitte angefertigt, die ein Pathologe unter dem<br />
Mikroskop anschaut und befundet. „Wichtige Parameter<br />
für die Diagnose wie Tumorvolumen, Verteilungen von<br />
Zellkernen oder Verästelung von Blutge fäßen können<br />
auf zweidimensionalen Schnitten nur sehr eingeschränkt<br />
bestimmt werden, sind für die Diagnose und Therapie<br />
aber hoch relevant“, so Hansen weiter.<br />
Tim Salditt, Professor an der Universität Göttingen<br />
hat dieses Problem erkannt und in den vergangenen 15<br />
Jahren am Institut für Röntgenphysik eine Technologie<br />
entwickelt, um Gewebeproben dreidimensional zu untersuchen.<br />
Diese sogenannte Röntgenphasenkontrast<br />
Tomographie wurde unter anderem in den Doktorarbeiten<br />
der drei Mitgründer Matthias Bartels, Aike Ruhland<br />
und Marius Reichardt von der Idee bis zur Anwendungsreife<br />
gebracht. So konnte gemeinsam mit Medizinern<br />
und Biologen der biomedizinische Mehrwert für<br />
die Wissenschaft demonstriert werden.<br />
JETZT GEHT ES DARUM, diese Technologie noch mehr<br />
Forschern und Klinikern zur Verfügung zu stellen. Denn<br />
aktuell ist die 3D-Darstellung von Gewebeproben in<br />
dieser Qualität nur einem kleinen Kreis spezialisierter<br />
Wissenschaftler vorbehalten. „Wir glauben, dass die<br />
dritte Dimension in der Erforschung und Diagnose von<br />
Krankheiten essenziell ist. Deswegen arbeiten wir hart<br />
daran, die komplexe Technologie der Röntgenbildgebung<br />
einfach und vor allem ökonomisch zugänglich<br />
zu machen“, sagt Projektleiter Matthias Bartels. Ziel ist<br />
ein kompaktes und leicht zu bedienendes Labor system<br />
„einfacher als ein Toaster“, ergänzt Aike Ruhland.<br />
Die fünf Gründer haben sich im Dezember 2021 zusammengefunden.<br />
Während der Ausarbeitung der<br />
48 4 |<strong>2023</strong>