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Storia locale - Tuttapovo

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DREIZEHNTES KAPITEL<br />

Die Bauarbeiten am Gutshof und in der Villa waren schon seit längerer Zeit<br />

abgeschlossen, so dass Desiderio immer im Lager bleiben musste. Er bereitete sich<br />

darauf vor, einen schwierigen Winter als Gefangener im eiskalten Russland zu<br />

verbringen. Kirsanov war einen kleine, ländliche Stadt mit ungefähr zwölftausend<br />

Einwohner - mehr als die Hälfte davon waren Juden - im Verwaltungsbezirk Tambow an<br />

der linken Seite der Worona, ein in einen Nebenfluss des Dons mündender Fluss.<br />

Das politische Klima war aber angeheizt; im Lager kam es häufig zu Streitigkeiten unter<br />

den italienischen Gefangenen, zwischen jenen, die für das Königreich Italien Partei<br />

ergriffen, und jenen, die noch Österreich treu geblieben waren. Das russische Volk<br />

hingegen konnte die Unterdrückung durch die Adeligen und die Grundbesitzer nicht mehr<br />

ertragen. Immer häufiger kam es zu Aufständen, die von der Polizei im Blute<br />

niedergeschlagen wurden. Eine neue Ideologie verbreitete sich; ihre Grundpfeiler waren<br />

Freiheit, Gleichheit undMacht den Arbeitern; auch unter den Gefangenen fanden diese<br />

Ideen Anklang.<br />

Das Lager wurde häufig von italienischen Militärdelegationen besucht; diese versuchten<br />

die aus dem Trentino, aus Triest und aus Istrien Stammenden Gefangenen zu<br />

überzeugen, sich freiwillig beim italienischen zu stellen und gegen Österreich zu kämpfen.<br />

Es wurde ihnen Freiheit versprochen, Freiheit weiter gegen ihre ehemaligen<br />

Waffenkameraden zu kämpfen. Desiderio lehnte derartige Angebote entrüstet ab.<br />

Zwei Tage vor Weihnachten des Jahres 1916 erhielt Desiderio Post. Endlich Nachrichten<br />

von seiner Familie. Er entriss dem Feldwebel fast den Brief und rannte, den Brief wie<br />

einen kostbaren Besitz an die Brust drückend, zu seiner Baracke. Mit zitterneden Händen<br />

brach er den Brief auf und war sofort besorgt als er die Handschrift seiner Tochter<br />

erkannte; gierig las er : „ Lieber Vater, dir wurde noch ein Sohn geboren. Wir haben ihn<br />

Francesco getauft wie meinen armen Bruder, der bei Lemberg gefallen ist. Hoffentlich bist<br />

du damit einverstanden, der Mutter und auch uns geht es gut und das hoffen wir auch von<br />

dir. Ich bin immer noch in Joseph verliebt und er läßt dich herzlichst grüßen. Wenn du<br />

diesen Brief bekommst, wird es schon Weihnachten sein, das zweite Weihnachten im<br />

Krieg; wir wünschen dir alles Gute und wir beten, damit das das letzte Weihnachten im<br />

Krieg ist und wir beim nächsten alle in unserem geliebten Heimathaus in Oltrecastello<br />

wieder beisammen sind. Behüte dich. Die Mutter ist mit ihrer ganzen Liebe bei dir und wir<br />

Kinder auch.“<br />

„ Ich habe noch einen Sohn “ dachte Desiderio“ Francesco. Ja, es war recht, dass sie ihm<br />

diesen Namen gegeben haben. Der Sohn, den der Krieg mir entrissen hat, ist auf<br />

geheimnisvolle Weise wieder zu uns gekommen; ich hoffe, dass sich mein geliebter<br />

ältester Sohn im Himmel freut!“ Es war Weihnachten, das Jesukind soll auf die Welt<br />

kommen wie sein Sohn im kleinen Haus in Mähren. Wann wird er wohl seinen Sohn sehen<br />

können? Vielleicht nie. Der Gedanke, dass dieses Kind ohne Vater aufwachsen könnte,<br />

war ihm unerträglich. Er musste unter allen Umständen heimkehren. Nun hatte er einen<br />

weiteren Grund, gegen die Ungunst des Schicksals anzukämpfen. Er musste zurück, um<br />

Francesco kennenzulernen.<br />

Es war kalt, der Schnee meterhoh. Der russische Winter stand in all seiner Härte vor den<br />

Holzbaracken mit spaltenreichen Wänden. Desiderio biss die Zähne zusammen, er<br />

wusste, dass er durchhalten musste, dass er nicht erkranken durfte. Die Familie brauchte<br />

ihn und sie wartete in Mähren auf ihn, um gemeinsam nach Oltrecastello zurückzukehren.<br />

Er hatte tiefe Sehnsucht nach seinem Haus, seinem Dorf, dem einfachen und friedlichen<br />

Leben.<br />

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