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Themen, Referenten, Materialien - Netzwerk Recherche

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Veranstaltungen und <strong>Materialien</strong><br />

Raum K1<br />

K1<br />

Freitag, 1. Juli, 10:30<br />

Moral? Ethik? Haltung? – Diskussion zur Lage des deutschen Journalismus<br />

Mit: Georg Mascolo, Giovanni di Lorenzo, Hans Leyendecker, Ines Pohl<br />

K1<br />

Freitag, 1. Juli, 11:45<br />

Kachelmann & Co. – Wenn Journalisten zu Richtern werden<br />

Mit: Kuno Haberbusch, Ralf Höcker, Rudolf Gerhardt, Sabine Rückert, Tanit Koch<br />

Leitfragen:<br />

Relevanz der Gerichtsberichterstattung: Wieso ist Gerichtsberichterstattung wichtig? Was macht gerade den Fall<br />

Kachelmann für die Öffentlichkeit relevant? Was macht ihn interessant? Promi-Malus oder -Bonus? Ein Beispiel für<br />

Vergewaltigungsprozesse in Deutschland (vgl. Argumentation Schwarzer)? Verfahrensfehler? Litigation PR?<br />

Die Rolle des Journalisten: Testis oder Superstes? Wie objektiv können wir sein? Kann ein Journalist objektiv sein,<br />

wenn er sich mit einer Sache gemein macht, selbst wenn es eine gute Sache ist? Bsp.: Schwarzer – zwischen<br />

Feminismus und Journalismus; Einberufung in den Zeugenstand Muss das ein Widerspruch sein?<br />

Vorverurteilung durch die Medien: Wenn mutmaßliche Täter zu medialen Opfern werde. Wie wirkt sich die Berichterstattung<br />

auf die Öffentlichkeit aus? Was verändert sie in der Wahrnehmung der Leser? Was verändert sie in der<br />

Wahrnehmung der Richter/Gerichte? Wo hört subjektive Objektivität auf, wo fängt Verurteilung an?<br />

Litigation PR Wenn Medien zu Instrumenten werden: Welchen Einfluss hat die Litigation PR auf die Berichterstattung?<br />

Lassen wir uns instrumentalisieren? Steht uns eine unaufhaltsame Boulevardisierung bevor?<br />

Ethische (und juristische) Grenzen der Gerichtsberichterstattung: Sensationslust vs. Neuigkeitswert, Theorie vs.<br />

Praxis. Nutzen wir die Sonderstellung der Medien aus? Unterschätzen wir die Macht der Medien? Reicht die Selbstkontrolle<br />

der Medien noch aus oder braucht es neue Formen der Medienkontrolle? Berufsethos, Kontrollorgane<br />

und Selbsteinschätzung auf dem Prüfstand.<br />

--<br />

PROF. DR. RUDOLF GERHARDT<br />

Relevanz der Gerichtsberichterstattung: Wieso ist Gerichtsberichterstattung wichtig? Was macht gerade den Fall<br />

Kachelmann für die Öffentlichkeit relevant? Was macht ihn interessant? Promi-Malus oder -Bonus? Ein Beispiel für<br />

Vergewaltigungsprozesse in Deutschland (vgl. Argumentation Schwarzer)? Verfahrensfehler? Litigation PR?<br />

Jede Demokratie lebt – auch – von der Macht-Kontrolle. Ohne eine solche Kontrolle steht die Tür zur Willkür offen.<br />

Die Justiz ist die Dritte Staatsgewalt, und sie ist es, die der Bürger eigentlich persönlich zu spüren bekommt,<br />

wenn er vor Gericht steht – hautnah, so könnte man sagen. Also braucht die Justiz ihre Kontrolle auch außerhalb<br />

des Instanzenzugs – die Kontrolle durch die Medien.<br />

Der Fall Kachelmann ist ein schillernder Cocktail, den Medien ihren „Kunden“ auftischen: Erstens: Sex sells<br />

Zweitens: Der „Hauptdarsteller“ ist ein bekannter Mann von großem öffentlichen Interesse Drittens: Es ist eine<br />

Frau, die in die Rolle des (angeblichen) Opfers geraten war. Und die Frage: Wer ist es, der da lügt, beschäftige die<br />

Gespräche an den Stammtischen.<br />

Die Rolle des Journalisten: Testis oder Superstes? Wie objektiv können wir sein? Kann ein Journalist objektiv sein,<br />

wenn er sich mit einer Sache gemein macht, selbst wenn es eine gute Sache ist? Bsp.: Schwarzer – zwischen<br />

Feminismus und Journalismus; Einberufung in den Zeugenstand Muss das ein Widerspruch sein?<br />

Kein Mensch ist ganz objektiv, auch keine Journalist. „Objektiv ist jemand, der sich seiner Subjektivität bewußt<br />

ist“. D.h.: Wir alle müssen uns permanent um Objektivität bemühen.<br />

Und wir Journalisten dürfen zwar parteiisch empfinden, aber nicht parteiisch schreiben, solange das Urteil nicht<br />

gesprochen ist. Vor-Verurteilung oder Vorfreispruch ist unsere Sache nicht. Wir sind keine Richter.<br />

Schon gar nicht in einem Fall wie Kachelmann, wo Aussage gegen Aussage steht. Bis zum Urteil müssen auch wir<br />

uns an die Unschuldvermutung halten – und unsere kritische Distanz wahren.<br />

Aber wir beurteilen das Urteil des Gerichts.<br />

Vorverurteilung durch die Medien: Wenn mutmaßliche Täter zu medialen Opfern werden ... Wie wirkt sich die Berichterstattung<br />

auf die Öffentlichkeit aus? Was verändert sie in der Wahrnehmung der Leser? Was verändert sie in<br />

der Wahrnehmung der Richter/Gerichte? Wo hört subjektive Objektivität auf, wo fängt Verurteilung an?<br />

Wenn jemand zum „medialen Opfer“ wird, sind wir die Täter. Und das dürfen – und wollen – wir natürlich nicht<br />

sein. Die Richter urteilen, wir be-urteilen. Das sind zwei verschiedene paar Schuhe.<br />

Eine empirische Umfrage, die ich zusammen mit Herrn Kepplinger gemacht habe, hat gezeigt, daß die Medien<br />

Einfluß auf die Strafjustiz haben: Auf die Atmosphäre im Gerichtssaal, auf die Höhe der Strafe, auf die Frage der<br />

Bewährung. Wichtig: Nicht auf die Schuldfrage!<br />

Diese Umfrage hat auch in der Justiz starke Beachtung erfahren.<br />

Litigation PR: Wenn Medien zu Instrumenten werden ... Welchen Einfluss hat die Litigation PR auf die Berichterstattung?<br />

Lassen wir uns instrumentalisieren? Steht uns eine unaufhaltsame Boulevardisierung bevor?<br />

Wir nutzen die Sonderstellung der Medien nicht aus: Wir erfüllen auch bei Gerichtsberichterstattung nur unsere<br />

berufliche Aufgabe. Wir sind Beobachter, und – natürlich – kritische Beobachter. Und nicht Protokollanten der<br />

Justiz und der Verhandlung vor Gericht.<br />

Eine neue „Medien-Kontrolle“ brauchen wir nicht. Das Presse-Recht, das Medien-Recht ist weitgehend Richter-<br />

Recht. Und die richterliche/justitielle Macht „teilen“ sich der BGH, das BVerfG, der EGMR und der EuGH.<br />

Sie stehen in einer neuen Art von richterlichem Konkurrenzkampf. Aber das Spannungsverhältnis zwischen Meinungsfreiheit<br />

und Persönlichkeitsschutz ist ausgewogen.<br />

Der Deutsche Presserat hat nur eine sanfte Macht. Aber sein Bußgeldkatalog: Hinweis, Mißbilligung. Rüge<br />

öffentliche Rüge ist hinreichend.<br />

Wir brauchen keine neuen Mediengesetze zum Persönlichkeitsschutz und sie könnten verfassungswidrig sein.<br />

Herr Kauder mag darüber nachdenken. Aber bei diesem Nachdenken sollte es bleiben.<br />

Allerdings hat der weitgehende Ausschluß der Öffentlichkeit in der Causa Kachelmann wichtige Fragen aufgeworfen.<br />

Über die sollten wir alle nachdenken.<br />

K1<br />

Freitag, 1. Juli, 13:45<br />

Personen statt Inhalte – Immer mehr politikfreie Politikberichterstattung<br />

Sind immer nur die Leser und Zuschauer Schuld, denen man keine harten politischen Stoffe zumuten kann,<br />

sondern alles am besten an Personen entlang erzählt? Für den Politikjournalismus bedeutet dies: Immer mehr<br />

Porträts von Politikern, immer weniger Analysen über politische <strong>Themen</strong>. Monatelang zum Beispiel hat sich die<br />

halbe Medienwelt auf Karl Theodor zu Guttenberg gestürzt, erst auf seinen glanzvollen Aufstieg, auf die bella<br />

figura, die er in Berlin machte, auf seine Frau und ihre TV-Jagd auf Pädophile, schließlich auf den Abstieg und<br />

Untergang des einstigen Stars, der seine Doktorarbeit zusammen geklaut hat. Erst ganz am Schluss, als Guttenberg<br />

zur persona non grata wurde, hat man auch mal genauer auf seine bescheidenen Leistungen im Verteidigungsministerium<br />

geschaut. Dieser Trend zur Personalisierung widerfährt aber nicht nur Stars wie zu Guttenberg.<br />

Selbst Annette Schavan, Philipp Rösler oder Horst Seehofer sind dankbare Gegenstände der Berliner Porträtmaler,<br />

und es ist meist das gleiche Model: Fast nie geht es um deren Politik, dafür um so leidenschaftlicher um<br />

diverse Machtspielchen: wie gut sie mit Merkel können, ob ihr Stern im Steigen oder Sinken begriffen ist, wie<br />

glaubwürdig und authentisch sie sind und wie sie beim Wähler ankommen. Es ist eine Form von Journalismus,<br />

die Politikberichterstattung eigentlich nur simuliert, tatsächlich aber ziemlich politikfrei ist. Ob Annette Schavan<br />

eine sinnvolle Forschungspolitik macht oder Philipp Rösler eine stimmige Wirtschaftspolitik erfährt der Leser fast<br />

nie. Zudem enthält bereits die journalistische Form die wichtigste Botschaft: Politiker, die porträtiert werden, sind<br />

wichtige Figuren. Das aber muss gerade in der Finanzkrise bezweifelt werden. Statt eines Porträts über Wolfgang<br />

Schäuble in der Eurokrise wäre es vermutlich viel politischer, über die Lobbyisten der Großbanken zu berichten,<br />

die es geschafft haben, dass auch drei Jahre nach der Lehmann-Pleite jede Lösung des to-big-to-fail verhindert<br />

wurde. Warum aber findet diese Form von echter, aufklärerischer Politikberichterstattung fast nicht statt? Und wie<br />

müsste ein idealer Politikjournalismus überhaupt aussehen?<br />

Mit: Arno Luik, Bettina Schausten, Christian Bommarius, Markus Grill<br />

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