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Themen, Referenten, Materialien - Netzwerk Recherche

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Honorare sollten nach <strong>Recherche</strong>aufwand statt nach Textlänge bemessen werden: Tagessätze statt Zeilengeld.<br />

Autoren müssen an allen Erlösen, die Verlage mit ihren Texten erzielen, beteiligt werden – also weg mit den Buyout-Verträgen.<br />

Und es gibt Honorare, die schlicht unsittlich sind.<br />

Medienkonzerne melden enorme Gewinne – Warum kommt der Aufschwung nicht bei den Journalisten an?<br />

Viele Verlage glauben offenbar noch, sie könnten langfristig mit Honorardumping jenen Journalismus bekommen,<br />

für den Leser bereit sind Geld auszugeben. Hätten sie Recht, müsste es allen, die Cent-Beträge pro Zeile<br />

zahlen, blendend gehen – ist aber nicht so. Hinter der Geringschätzung journalistischer Arbeit steckt ja auch eine<br />

gewisse Leserverachtung, und die rächt sich irgendwann. Wenn Verlage innerlich auseinanderbrechen in Ökonomen<br />

und Journalisten, dann schlägt das übrigens auch auf die festangestellten Redakteure durch: aus selbstbewussten<br />

Journalisten werden Besitzstandswahrer.<br />

Gibt es unter den freien Journalisten zu wenig Zusammenhalt, um eine faire Bezahlung zu erwirken?<br />

Freischreiber e.V. ist ein Beispiel dafür, wie freie Journalisten sich untereinander vernetzen, einander unterstützen<br />

und ihre Interessen vertreten. Man darf sich das nur nicht mehr so statisch wie in früheren Zeiten vorstellen. Es<br />

geht auch darum, Prozesse in Gang zu setzen und Grenzen zu markieren.<br />

Gibt es einfach zu viele Verlage und/oder zu viele Journalisten?<br />

Gute Verlage und gute Journalisten gibt es nie genug. Ich frage mich eher, ob wir in Zukunft noch genügend qualifizierte<br />

Journalisten haben werden, wenn diese von ihrer Arbeit nicht mehr leben können und in andere Berufe<br />

abwandern. Was, wenn irgendwann in den PR-Agenturen klügere Köpfe arbeiten als in den Verlagen?<br />

K1<br />

Freitag, 1. Juli, 17:30<br />

Relevanz oder Firlefanz? – Was bestimmt die Schlagzeilen?<br />

Mit: Eva-Maria Schnurr, Fritz Wolf, Kai Gniffke, Wolfgang Büchner<br />

Leitfragen:<br />

Nach welchen Kriterien werden die Nachrichten ausgesucht?<br />

Wie hoch ist der Informationsanteil im gesamten Programm?<br />

Hat sich die Relevanz bestimmter Nachrichtenthemen in den vergangenen Jahren verändert?<br />

Welche <strong>Themen</strong> haben an Relevanz gewonnen?<br />

Inwieweit spielt Quotendruck bei der Nachrichtenauswahl eine Rolle?<br />

--<br />

Informationen zur Studie von Fritz Wolf:<br />

Eben erst hat RTL-Chef Gerhard Zeiler in einem Handelsblatt-Interview behauptet, RTL sende täglich fünf Stunden<br />

Nachrichten. Da hat er sich wahrscheinlich ein wenig vertan und allgemeiner „Information“ gemeint - laut Programmstatistik<br />

bestehen 23,1 Prozent des Programms von RTL aus Information. Aber ist auch Information drin,<br />

wo Information draufsteht?<br />

In einer Studie für das „<strong>Netzwerk</strong> <strong>Recherche</strong>“ hat der Medienjournalist Fritz Wolf untersucht, wie viel Information<br />

und welche Art von Information in deutschen Fernsehprogrammen weitergegeben wird. Er hat dabei die Ergebnisse<br />

der Medienforschung ausgewertet und mit eigenen Programmbeobachtungen kombiniert.<br />

Dabei hat sich gezeigt, dass die Programmforschung in Deutschland zwar umfangreich ist, aber zugleich geprägt<br />

von der Konkurrenz öffentlich-rechtlicher und privater Sendergruppen. Eine unabhängige ergänzende Programmbeobachtung<br />

wäre dringend nötig, die vor allem auch erfasst, wie es um die Informationsleistungen der<br />

öffentlich-rechtlichen Sender steht, wenn man sie an ihrem gesellschaftlichen Auftrag und nicht bloß an der kommerziellen<br />

Konkurrenz misst.<br />

Wie sich zeigt, arbeiten die Sender mit unterschiedlichen Nachrichtenphilosophien und einem sehr unterschiedlichen<br />

Begriff von Information. Das hat praktische Folgen. Vor allem bei den Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe<br />

sinken die Informationsanteile inzwischen drastisch. Die meisten privaten Sender erreichen in Sachen politischer<br />

Information nicht den Standard, den sie eigentlich erreichen müssten.<br />

Mit den neuen Formaten des Reality-TV sind Formate erfolgreich, die die Grenzen zwischen Information und Unterhaltung<br />

aufweichen. Um überhaupt sinnvolle Aussagen über Informationsprogramme machen zu können, so<br />

lautet eines der Ergebnisse der Studie, sollte daran festgehalten werden, was klassisch Information genannt wird:<br />

Information ist im Kern die Vermittlung politischer und gesellschaftlicher Sachverhalte, die die Zuschauer in die<br />

Lage versetzen sollen, sich eine politische Meinung zu bilden und auf dieser Grundlage als Staatsbürger zu agieren.<br />

Auch die Informationsprogramme der öffentlich-rechtlichen Sender verändern sich. So hat etwa 2010 die Berichterstattung<br />

über Katastrophen zugenommen, die über Wirtschafts- und Finanzthemen dagegen wieder abgenommen.<br />

Auch in öffentlich-rechtlichen Sendern gehört die Primetime zu den informationsarmen Programmstrecken<br />

und auch hier nehmen Infotainment und Boulevard zunehmen. Das ist eigentlich ein unhaltbarer Zustand und<br />

widerspricht dem öffentlich-rechtlichen Auftrag. ARD, ZDF und die Dritten sind in diesem Punkt besonders verantwortlich<br />

dafür, ihre Zuschauer zur Hauptsendezeit nicht allein der Zerstreuung zu überlassen.<br />

Die Studie schlägt vor, dass ARD und ZDF ihren Informationsbegriff zu erweitern, nicht in Richtung Unterhaltung<br />

wie die privaten Sender, sondern in Richtung vielfältiger dokumentarischer Programme. Formen wie Dokumentation,<br />

Porträt oder Dokumentarfilm können dem Akualitätshype, von dem die Sender getrieben sind, etwas entgegensetzen<br />

und müssen stärker berücksichtigt und stärker gewichtet werden.<br />

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit haben inzwischen Sender wie RTL die umstrittenen Scripted Reality<br />

Formate als Unterhaltung gekennzeichnet und nicht mehr als Information. Das mag man als kleinen Fortschritt<br />

werten. Das Problem, das zunehmende Teile des Fernsehprogramms sich die Realität nach ihren Programm- und<br />

Vermarktungsbedürfnissen zurichten, ist damit nicht erledigt. Transparenz und Selbstreflexion in den Informationsprogrammen<br />

werden jenseits aller Zahlen und Quoten immer wichtiger. Wie Information produziert wird, wo<br />

sie herkommt, welche Interessen dahinter stehen und unter welchen Bedingungen sie vermittelt wird, das ist für<br />

die Glaubwürdigkeit des Fernsehens von größter Bedeutung – der fast unkontrollierbare mediale Hype um EHEC<br />

ist dafür das jüngste und sicher nicht das letzte Beispiel.<br />

--<br />

DR. KAI GNIFFKE, Erster Chefredakteur ARD-aktuell<br />

Nach welchen Kriterien werden die Nachrichten ausgesucht?<br />

Zuerst geht es bei uns nach Relevanz. Dann kommt ganz lange gar nichts. Erst dann überprüfen wir, ob ein Thema<br />

durch besondere Bilder oder einen außerordentlich hohen Gesprächswert einen Platz in der Tagesschau wert ist –<br />

und wenn, dann eher im hinteren Teil der Sendung.<br />

Wie hoch ist der Informationsanteil im gesamten Programm?<br />

Ein Programm, dass sich 20 Nachrichtensendungen pro Tag leistet, dazu wöchentlich zwei politische Magazine,<br />

ein Wirtschaftsmagazin, zwei Dokumentationsplätze, eine Hauptstadt-Sendung und ein Auslandsmagazin gilt<br />

meines Erachtens zu Recht als Informationssender Nummer 1.<br />

Hat sich die Relevanz bestimmter Nachrichtenthemen in den vergangenen Jahren verändert? Welche <strong>Themen</strong><br />

haben an Relevanz gewonnen?<br />

Für ARD-aktuell hat sich die Relevanz von Nachrichtenthemen nicht grundsätzlich verschoben. Sicher verschieben<br />

sich von Zeit zu Zeit die Akzente. Das gilt etwa für die <strong>Themen</strong> Energieversorgung oder Ernährung. Aber der Kern<br />

unserer Nachrichten bleibt die harte Politik.<br />

Inwieweit spielt Quotendruck bei der Nachrichtenauswahl eine Rolle?<br />

Wir registrieren die Quoten zwar (meist mit großer Genugtuung), sie spielen aber für unsere Nachrichtenauswahl<br />

überhaupt keine Rolle.<br />

--<br />

FRITZ WOLF, Freier Medienjournalist<br />

Nach welchen Kriterien werden die Nachrichten ausgesucht?<br />

Sehr allgemeine Frage. Hängt vom Medium ab, von der Verbreitung, vom Publikum. Im Fernsehen, denke ich,<br />

spielen schon noch die herkömmlichen Nachrichtenwerte die führende Rolle. Allerdings kommt im Fernsehen als<br />

Kriterium die Visualität dazu: wenn es von etwas keine Bilder hat, hat es wenig Chancen, in die TV-Nachrichten<br />

zu kommen. Dazu kommt als wichtiger Faktor: die Geschichtenförmigkeit. Ob sich Ereignisse als Geschichte<br />

erzählen lassen. Im derzeitigen Fall der Nachrichtenüberproduktion stellt sich allerdings weniger die Frage, ob<br />

Nachrichten ausgesucht werden, sondern vermutlich: welche Nachricht aus welchem Bereich diesmal weggelassen<br />

werden muss.<br />

Wie hoch ist der Informationsanteil im gesamten Programm?<br />

Das hängt davon ab, wie man misst und wer misst. Ein hoher Informationsanteil gilt jedenfalls als Ausweis<br />

gesellschaftlichen Nutzens. Was die Nachrichten im privaten Fernsehen angeht, zeigen alle Untersuchungen,<br />

dass die klassischen Politikthemen hier eine geringere Rolle spielen, manchmal gar keine, leserbezogener und<br />

alltagstauglicher Nutzwert und Boulevard-<strong>Themen</strong> eine größere. Was das gesamte Programm angeht, wird hier<br />

getrickst: pure Unterhaltungsformate werden gerne als Informationsprogramme ausgewiesen, häufig bei den<br />

Privaten, gelegentlich auch bei den Öffentlich-Rechtlichen. Demnächst werden aber wenigstens die „scripted<br />

reality“-Formate nicht mehr als Information verbucht.<br />

Hat sich die Relevanz bestimmter Nachrichtenthemen in den vergangenen Jahren verändert?<br />

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