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Themen, Referenten, Materialien - Netzwerk Recherche

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Was und wie viel Austausch mit der Bundeswehr möglich ist, hängt sehr vom jeweiligen Pressoffizier im<br />

Einsatz ab. Viele fürchten, dass sich die Berichterstattung, die sie ja nicht steuern können, negativ auf ihre<br />

Karrierechancen auswirken könnte.<br />

Könnte die Afghanistanberichterstattung kompetenter werden? Falls ja, wie?<br />

Es ist in Afghanistan nicht anders als in der Wirtschaft oder bei der Aufdeckung eines Skandals in der deutschen<br />

Bürokratie: Man benötigt viel Zeit, Ressourcen, Hartnäckigkeit und den Wunsch, ein komplexes System besser zu<br />

verstehen. Das reicht eigentlich schon.<br />

--<br />

MARTIN GERNER, Freier Journalist<br />

Wie gut ist die deutsche Öffentlichkeit über Afghanistan informiert?<br />

Wenig, sofern es tatsächlich um das Land geht. Dem Mainstream der Berichterstattung über Bundeswehr und<br />

offizielle Besuchsprogramme der Politik steht wenig Hintergrund und Tiefenberichterstattung gegenüber. Ein<br />

Grund dürfte die kurze Aufenthaltsdauer vieler Journalisten sein und die geringe Vernetzung außerhalb der von<br />

Deutschland aus organisierten Strukturen.<br />

Wie weit müssen Journalisten in Afghanistan gehen, um verlässliche Informationen zu bekommen?<br />

Afghanische Journalisten haben es zurzeit noch schwerer als internationale, es gibt kein Gesetz, das das Recht<br />

auf Informationszugang und den Schutz von Dokumenten im Sinne des investigativen Journalismus sichert.<br />

Ausländische Journalisten werden hier zum Teil einseitig durch afghanische Regierung und internationale Akteure<br />

bevorzugt. Verlässliche Informationen sind zeitaufwendig zu recherchieren. Neben der internationalen Seite<br />

kommt der Kontakt mit afghanischen Quellen oft zu kurz. Diese können genauso zielführend wie einseitig sein.<br />

Die Vielzahl der Quellen macht das Gesamtbild. Ausgangspunkt ist das kritische Hinterfragen offizieller Quellen,<br />

auch hier gibt es Nachholbedarf.<br />

Weder der öffentlich-rechtliche Rundfunk, noch die Süddeutsche Zeitung, weder der Spiegel noch die Frankfurter<br />

Allgemeine haben Korrespondenten in Kabul. Und das obwohl in Afghanistan der größte Kriegseinsatz der<br />

Bundeswehr seit ihrem Bestehen läuft. Für Briten und Amerikaner wäre ein solcher Zustand undenkbar. Was ist<br />

los mit der deutschen Journaille?<br />

Gemessen an den angelsächsischen Medien sind deutsche Medien nicht permanent präsent. Das hat Folgen<br />

für <strong>Themen</strong>wahl und Tiefe der Berichterstattung. Deutsche Medien nutzen oftmals ihre afghanischen freien<br />

Mitarbeiter, die aber nicht alles ersetzen können. Oft werden Kosten und Sicherheit als Argumente ins Feld<br />

geführt. Insgesamt scheinen mir hier deutsche Medien zögerlicher zu sein als andere Länder. Es wäre zu<br />

diskutieren, warum das so ist.<br />

Wissenschaftliche Studien kritisieren, dass westliche Polit- und Militäreliten die deutsche<br />

Afghanistanberichterstattung dominieren. Afghanen selbst kommen erstaunlich selten zu Wort. Wie entsteht ein<br />

solches Zerrbild?<br />

Siehe Frage 2<br />

Die Taliban sind mittelalterlich, fundamentalistisch, drangsalieren ihre Frauen, finanzieren sich über Drogen, sind<br />

irrational, hinterhältig und feige … Stimmt unser Feindbild? Wie schwer ist es für deutsche Journalisten, Taliban zu<br />

treffen und mit ihnen unterwegs zu sein?<br />

Was ist ein Taliban? Hier wäre zu definieren und zu differenzieren. Lokale Kämpfer, mit denen Interviews geführt<br />

werden, erscheinen oft unter dem Titel. Sie sind nicht gleichzusetzen mit Treffen höherrangiger Taliban. Treffen<br />

werden in der Regel über Mittelsmänner arrangiert. Langjährige Kontakt-<strong>Netzwerk</strong>e sind hilfreich hierbei.<br />

Die Bundeswehr investiert viel in Öffentlichkeitsarbeit. Hat sie damit Erfolg?<br />

In den letzten Jahren wurde ein – aus Sicht des Militärs – professioneller PR-Apparat geschaffen, der meiner<br />

Ansicht nach wenig hinterfragt wird. Einige Bedingungen für Berichterstattung erscheinen gelockerter als<br />

vormals; andererseits herrschen immer noch deutlich mehr Berührungsängste im Umgang mit Medienvertretern<br />

als man von anderen internationalen Streitkräften hört. Viele deutsche Kollegen und ich fühlen sich schlecht<br />

und völlig unzureichend informiert. Ein bestimmter Kreis von Korrespondenten, die regelmäßig (positiv) über die<br />

Bundeswehr berichtet, hat naturgemäß intensiveren Zugang.<br />

Wie bindet die Bundeswehr Journalisten in ihre Kommunikationsstrategien ein?<br />

Es läuft über die klassische Bundeswehr-Pressebetreuung. Das bedeutet: Flug – nur – mit Bundeswehr ab<br />

Deutschland, organisiertes Programm, wenig bis keine afghanische Interviewpartner bzw. Kontakte zur<br />

Zivilgesellschaft; exemplarisches Beispiel: Kerner/zu Guttenberg-Show in Mazar seinerzeit.<br />

Könnte die Afghanistanberichterstattung kompetenter werden? Falls ja, wie?<br />

Es sind mehr Ganzzeit-Korrespondenten nötig, sowie bessere Landes-/Sprachkenntnisse, mehr Fokus auf<br />

Menschen und <strong>Themen</strong> außerhalb des NATO-Militärs, stärkere Einbeziehung der zivilen Helfer als bisher. Generell<br />

muss – auch bei den Journalisten (beim Militär sowieso) ein Vertrauensprozess gegenüber den Afghanen u. der<br />

afghanischen Wirklichkeit angestoßen werden; unverändert dominieren Unkenntnis und Vorurteile. Korruption ist<br />

andererseits kein rein afghanisches Thema, wie sich zunehmend zeigt. Auch Deutsche mischen hier mit, wenn<br />

man es salopp ausdrücken will. Die sonst so kritischen Medien sind auch hier im Hintertreffen.<br />

ABDUL-AHMED RASHID, ZDF<br />

Wie gut ist die deutsche Öffentlichkeit über Afghanistan informiert?<br />

Die deutsche Öffentlichkeit ist im Allgemeinen nur über den Kriegszustand im Zusammenhang mit der<br />

Bundeswehr informiert. Berichterstattung darüber hinaus findet nur in einigen Printmedien statt, in den anderen<br />

Medien nur in sporadischer Form. Dort fokussiert sich die Berichterstattung meistens auf die <strong>Themen</strong> Bildung und<br />

Frauen.<br />

Weder der öffentlich-rechtliche Rundfunk, noch die Süddeutsche Zeitung, weder der Spiegel noch die Frankfurter<br />

Allgemeine haben Korrespondenten in Kabul. Und das obwohl in Afghanistan der größte Kriegseinsatz der<br />

Bundeswehr seit ihrem Bestehen läuft. Für Briten und Amerikaner wäre ein solcher Zustand undenkbar. Was ist<br />

los mit der deutschen Journaille?<br />

Hier möchte ich eine Lanze für die Kollegen brechen. Zwar haben die genannten Medien keine Korrespondenten<br />

vor Ort, dennoch sind die Berichterstatter aus diesem Gebiet in Person von beispielsweise Kai Küstner, Thomas<br />

Avenarius, Frederike Böge, Stephan Löwenstein, Matthias Gebauer und nicht zuletzt Christoph Reuter sehr gut<br />

informiert und berichten dementsprechend.<br />

Wissenschaftliche Studien kritisieren, dass westliche Polit- und Militäreliten die deutsche<br />

Afghanistanberichterstattung dominieren. Afghanen selbst kommen erstaunlich selten zu Wort. Wie entsteht ein<br />

solches Zerrbild?<br />

Es ist bedauerlich, dass in Diskussionsrunden kaum Afghanen oder in Deutschland lebende afghanische<br />

Journalisten zu Wort kommen. Sie könnten noch tiefere Einblicke in die aktuelle Situation des Landes geben.<br />

Die Taliban sind mittelalterlich, fundamentalistisch, drangsalieren ihre Frauen, finanzieren sich über Drogen, sind<br />

irrational, hinterhältig und feige … Stimmt unser Feindbild? Wie schwer ist es für deutsche Journalisten, Taliban zu<br />

treffen und mit ihnen unterwegs zu sein?<br />

Die Medienpolitik der Taliban ist sehr zurückhaltend in Bezug auf Interviews. Insofern ist es für einen deutschen<br />

Journalisten sehr schwierig, Vertreter der Taliban zu treffen.<br />

Könnte die Afghanistanberichterstattung kompetenter werden? Falls ja, wie?<br />

Die Afghanistan-Berichterstattung könnte durch Journalisten kompetenter werden, die aufgrund ihres Studiums<br />

und/oder ihres persönlichen Hintergrundes bereits gute Einblicke in die Geschichte, Sprache und Kultur des<br />

Landes haben. Dies setzt aber auch das Interesse der Programmverantwortlichen an vielfältigen <strong>Themen</strong> zu<br />

Afghanistan voraus.<br />

--<br />

ULRICH TILGNER, Korrespondent<br />

Wie gut ist die deutsche Öffentlichkeit über Afghanistan informiert?<br />

Extrem schlecht. Es begann mit der Glorifizierung der Petersberger Konferenz 2001. Bis heute leiden die<br />

Afghanen unter dem Fehlschlag dieses sogenannten „Petersberger Prozesses“. Und es endet bei der<br />

Falschberichterstattung über den Einsatz der Bundeswehr.<br />

Wie weit müssen Journalisten in Afghanistan gehen, um verlässliche Informationen zu bekommen?<br />

Sie brauchen nur auf die Straße zu gehen und sich mit unterschiedlichen Menschen zu unterhalten. Wenn man<br />

berichten will, sollte man schon verschiedene Landesteile besuchen.<br />

Weder der öffentlich-rechtliche Rundfunk, noch die Süddeutsche Zeitung, weder der Spiegel noch die Frankfurter<br />

Allgemeine haben Korrespondenten in Kabul. Und das obwohl in Afghanistan der größte Kriegseinsatz der<br />

Bundeswehr seit ihrem Bestehen läuft. Für Briten und Amerikaner wäre ein solcher Zustand undenkbar. Was ist<br />

los mit der deutschen Journaille?<br />

Sie lässt sich lieber von der Bundeswehr in den Einsatz fliegen, als diesen selbst zu organisieren.<br />

Wissenschaftliche Studien kritisieren, dass westliche Polit- und Militäreliten die deutsche<br />

Afghanistanberichterstattung dominieren. Afghanen selbst kommen erstaunlich selten zu Wort. Wie entsteht ein<br />

solches Zerrbild?<br />

Es ist kein Zerrbild, sondern genau das Bild, das von Politikern und Militärs angestrebt wird, um die Aufdeckung<br />

der Kette ihrer Fehler und Fehlleistungen zu verhindern. Journalisten spielen nicht nur in Afghanistan mit, wenn<br />

derartige Darstellungen opportun sind. Ziel der Aufrechtererhaltung des Zerrbildes ist es, nach einem möglichen<br />

Rückzug ausländischer Soldaten die Afghanen für das sich entwickelnde Desaster verantwortlich zu machen.<br />

Die Taliban sind mittelalterlich, fundamentalistisch, drangsalieren ihre Frauen, finanzieren sich über Drogen, sind<br />

irrational, hinterhältig und feige … Stimmt unser Feindbild? Wie schwer ist es für deutsche Journalisten, Taliban zu<br />

treffen und mit ihnen unterwegs zu sein?<br />

Das Bild stimmt keinesfalls. Sicher ist es schwer, Taliban zu treffen, aber Gespräche mit Afghanen, die nicht in<br />

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