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Themen, Referenten, Materialien - Netzwerk Recherche

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Auslandsfreie sollten am besten die Sprache von dem Land beherrschen, worüber sie berichten. Es klingt banal,<br />

aber die Frage stellt sich oft – und bleibt offen – mit der immer größeren Mobilität der Personen: Lieber frisch<br />

angekommene Auslandsfreie, die weiter um den Globus reisen, oder richtig angesiedelte Auslandsfreie, die Teil<br />

der Gesellschaft vor Ort geworden sind?<br />

Für Einsteiger: Was muss ich können, was muss ich tun, was sollte ich lassen?<br />

Ich würde zuerst darauf achten, wie das Zielland in den Medien bereits wahrgenommen wird und welches Image<br />

es hat. Dann, was ich dazu beitragen kann und welche Redaktionen daran Interesse hätten. Es ist natürlich<br />

von Vorteil, die Medienlandschaften der Redaktionen- und Berichterstattungsländer gut zu kennen sowie die<br />

Strukturen, die es schon zwischen den zwei Ländern gibt, zu überblicken. Aber vor Allem zählen Kreativität und<br />

Initiative.<br />

--<br />

SIMONE SCHLINDWEIN, freie Auslandskorrespondentin der taz, Region der Großen Seen, Afrika<br />

Sind Auslandsfreie Träumer, die ihre prekären Finanzen romantisieren?<br />

Im Gegenteil, wir Auslandsfreie sind Realisten, die mit offenen Augen die Welt entdecken und dabei feststellen,<br />

dass man auch mit wenig Geld sehr gut leben kann. Und mal ehrlich gesagt: Soooo schlecht verdienen wir gar<br />

nicht. Man muss es nur richtig anstellen.<br />

Welche Medien bezahlen ihre Auslandsfreien eigentlich angemessen?<br />

Die ARD zahlt einen Bonus für Beiträge „mit erhöhtem Aufwand“. Wenn ich aber darum auch noch kämpfen<br />

muss, dann finde ich es respektlos – vor allem dann, wenn aus meinem Beitrag hervorgeht, dass ich aus einem<br />

abgelegenen Dorf im Dschungel berichte und eine solche Reise kein Spaziergang ist. Gute Geschichten kriegt<br />

man nur, wenn man bereit ist, in aufwendige <strong>Recherche</strong> und Reisekosten zu investieren.<br />

Tageszeitung und Hörfunk – funktioniert das alte Modell der Mehrfachverwertung noch?<br />

Ohne dieses Modell wäre ich bereits verhungert. Ich muss jede Geschichte mindestens 3 – 4 Mal verkaufen,<br />

bevor sich der Aufwand lohnt. Zudem bietet dies eine wundervolle Kombination von <strong>Recherche</strong> und Reportage.<br />

Welchen neuen Formaten gehört die Zukunft?<br />

Im Auslandsjournalismus setze ich als Freie auf das alt bewährte Format der Reportage – für Print und<br />

Radio. Videojournalisten haben es in Afrika noch immer nicht einfach: Strom gibt es nur selten, die<br />

Internetverbindungen sind sehr schlecht, die Transfersrate ist niedrig – das muss man Redakteuren in<br />

Deutschland stets noch einmal klar machen, dass ein Upload fast so lange dauert wie die Feldpost.<br />

Sollten Auslandsfreie jetzt arabisch lernen?<br />

Nein, sie sollten alle usbekisch, suaheli oder haussa lernen, denn es sind immer die Nebenschauplätze und<br />

abgelegenen Nischen, die uns Freie eine Möglichkeit bieten, uns zu entfalten. Selbst Al Jazeera muss derzeit<br />

erkennen, dass man nicht 24/7 über die Revolutionen in der arabischen Welt berichten kann.<br />

Für Einsteiger: Was muss ich können, was muss ich tun, was sollte ich lassen?<br />

Trau dich, sei fleißig und zuverlässig, mutig, aber nicht zu selbstsicher. Es ist schwierig, eine Balance zu finden<br />

zwischen Allround- und Expertenwissen – aber das ist sehr ratsam. Eine ganze Region abzudecken, hat mir immer<br />

über Trockenzeiten hinweg geholfen. Denn irgendwo ist immer etwas los.<br />

R1<br />

Freitag, 1. Juli, 16:15<br />

Jenseits von Afghanistan? – Desinformation und Marionetten-Journalismus<br />

Wie gut ist die deutsche Öffentlichkeit über Afghanistan und den dort tobenden Krieg informiert? Das Panel diskutiert<br />

unter anderem die Schwierigkeiten journalistischer <strong>Recherche</strong>n in den verschiedenen Regionen Afghanistans;<br />

den zweifelhaften Einfluss von Bundeswehr-PR auf die Berichterstattung sowie die Weigerung deutscher<br />

Leitmedien, in Afghanistan feste Korrespondenten zu etablieren.<br />

Mit: Abdul-Ahmad Rashid, Martin Gerner, Susanne Koelbl, Ulrich Tilgner<br />

Leitfragen:<br />

Wie gut ist die deutsche Öffentlichkeit über Afghanistan informiert?<br />

Wie weit müssen Journalisten in Afghanistan gehen, um verlässliche Informationen zu bekommen?<br />

Weder der öffentlich-rechtliche Rundfunk, noch die Süddeutsche Zeitung, weder der Spiegel noch die Frankfurter<br />

Allgemeine haben Korrespondenten in Kabul. Und das obwohl in Afghanistan der größte Kriegseinsatz der<br />

Bundeswehr seit ihrem Bestehen läuft. Für Briten und Amerikaner wäre ein solcher Zustand undenkbar. Was ist<br />

los mit der deutschen Journaille?<br />

Wissenschaftliche Studien kritisieren, dass westliche Polit- und Militäreliten die deutsche<br />

Afghanistanberichterstattung dominieren. Afghanen selbst kommen erstaunlich selten zu Wort. Wie entsteht ein<br />

solches Zerrbild?<br />

Die Taliban sind mittelalterlich, fundamentalistisch, drangsalieren ihre Frauen, finanzieren sich über Drogen, sind<br />

irrational, hinterhältig und feige … Stimmt unser Feindbild? Wie schwer ist es für deutsche Journalisten, Taliban zu<br />

treffen und mit ihnen unterwegs zu sein?<br />

Die Bundeswehr investiert viel in Öffentlichkeitsarbeit. Hat sie damit Erfolg?<br />

Wie bindet die Bundeswehr Journalisten in ihre Kommunikationsstrategien ein?<br />

Könnte die Afghanistanberichterstattung kompetenter werden? Falls ja, wie?<br />

--<br />

SUSANNE KOELBL, Der Spiegel<br />

Wie gut ist die deutsche Öffentlichkeit über Afghanistan informiert?<br />

Afghanistan ist ein kompliziertes, komplexes, großes und wegen der schwierigen Sicherheitslage in vielen Teilen<br />

inzwischen unzugängliches Land. Es ist derzeit nur möglich, über Ausschnitte zu berichten. Dies wird jedoch<br />

mitunter sehr präzise gemacht.<br />

Wie weit müssen Journalisten in Afghanistan gehen, um verlässliche Informationen zu bekommen?<br />

Sie müssen viel Zeit mitbringen und viele Leute fragen, aus allen Schichten, wie in anderen Ländern oder<br />

in Deutschland auch. Weil es aber wenig Schriftliches gibt, zuverlässige Dokument genauso fehlen wie<br />

eine funktionierende Gerichtsbarkeit ist die einzige Möglichkeit, sich seine eigene Wahrheit zusammen zu<br />

recherchieren. Der Journalist entscheidet am Ende, was er für Wahrheit hält. Es gibt aber ein paar einfache<br />

Regeln, wie die Dichte dieser Wahrheit zu messen ist: je mehr unterschiedliche Quellen das Gleiche berichten,<br />

desto näher dran dürfte man sein.<br />

Weder der öffentlich-rechtliche Rundfunk, noch die Süddeutsche Zeitung, weder der Spiegel noch die Frankfurter<br />

Allgemeine haben Korrespondenten in Kabul. Und das obwohl in Afghanistan der größte Kriegseinsatz der<br />

Bundeswehr seit ihrem Bestehen läuft. Für Briten und Amerikaner wäre ein solcher Zustand undenkbar. Was ist<br />

los mit der deutschen Journaille?<br />

Mein Büro ist mein Rucksack. Ich habe es immer für einen Vorteil gehalten, zu kommen und zu gehen, die<br />

Veränderungen aufzunehmen, mit meinem Blick und meinen Fragen aus Deutschland, für dessen Leser ich in<br />

erster Linie schreibe, in der Region zu reisen und mir damit ein ständig dynamisches Bild zu erhalten. Es gibt aber<br />

auch gute Argumente für ein anderes Modell.<br />

Wissenschaftliche Studien kritisieren, dass westliche Polit- und Militäreliten die deutsche<br />

Afghanistanberichterstattung dominieren. Afghanen selbst kommen erstaunlich selten zu Wort. Wie entsteht ein<br />

solches Zerrbild?<br />

Die Kritik ist oft zutreffend, man kann jedoch auch zurückfragen: Für was interessieren sich die deutschen<br />

Leser und Fernsehzuschauer mehr, für die Bundeswehr und ihre dort stationierten Soldaten, die schlechte<br />

Sicherheitslage und die den Einsatz führenden Amerikaner oder für die steigenden Agrarpreise, die mangelnde<br />

Ausbildungsmöglichkeiten und lokale Konflikte um Wasser und Ackerland? Das ist es nämlich, was den Afghanen<br />

im Allgemeinen bewegt.<br />

Die Taliban sind mittelalterlich, fundamentalistisch, drangsalieren ihre Frauen, finanzieren sich über Drogen, sind<br />

irrational, hinterhältig und feige … Stimmt unser Feindbild? Wie schwer ist es für deutsche Journalisten, Taliban zu<br />

treffen und mit ihnen unterwegs zu sein?<br />

Man kann die Taliban treffen, wenn man sich über Vertrauenspersonen Kontakte aufbaut. Es ist nicht<br />

ungefährlich und selbst eine gute Geschichte ist sicher keine Entführung wert. Es gibt sehr unterschiedliche<br />

Taliban, brutale und sehr humorvolle, manchmal schließt das Eine das Andere nicht aus. Sie leben in ihrem<br />

eigenen, geschlossenen Weltbild wie wir aus ihrer Sicht auch. Am Ende glaube ich, geht es bei diesem Konflikt<br />

in Afghanistan aber um viele Dinge, die wir nicht immer erkennen können: oft ist es Geld, das in diesen Jahren<br />

vor allem vom Westen massenhaft ins Land hineingepumpt wird, dabei entsteht ein brutaler Verteilungskampf.<br />

Aber auch um das Aufbrechen alter Stammesstrukturen und Dominanzen von Kriegsfürsten spielt eine Rolle.<br />

Man sollte nicht vergessen, die Taliban starteten einmal als Ordnungs- und Friedensmacht in einem brutalen<br />

Bürgerkrieg. Dieser Krieg ist ein undurchsichtiger Regionalkonflikt, der von den Nachbarn in Pakistan wesentlich<br />

mit gesteuert wird. Wer also sind die afghanischen Taliban? Eine Gruppe mit vielen unterschiedlichen Interessen<br />

und das wird auch einen Friedensschluss schwierig machen.<br />

Die Bundeswehr investiert viel in Öffentlichkeitsarbeit. Hat sie damit Erfolg?<br />

Mir ist dieses sogenannte Investment in die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr noch gar nicht so aufgefallen.<br />

Wie bindet die Bundeswehr Journalisten in ihre Kommunikationsstrategien ein?<br />

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