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Themen, Referenten, Materialien - Netzwerk Recherche

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JUTTA DITFURTH<br />

Aus welchen Gründen mehren sich Ihrer Meinung nach seit einigen Jahren Talkshows auf allen Kanälen bzw. –<br />

dort besonders stark diskutiert – bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ?<br />

Sie sind vergleichsweise billig zu produzieren. Sie ersetzen wirkliche und offene – damit politisch brisante(re) –<br />

Diskussionen. Sie bedienen autoritäres Denken, man nennt es „Orientierung“.<br />

Stichwort öffentlich-rechtlicher Programmauftrag: Inwiefern gefährdet die Talkshow-Flut diesen Auftrag durch die<br />

Verdrängung anderer Sendeformate auf Dauer?<br />

Sie stiehlt Zeit. Aber noch mehr Lebens- und Programmzeit stehlen „volkstümliche“ Sendungen und seichte<br />

Unterhaltung, beide haben den Nebeneffekt, klügere und aufklärerische Sendungen für den auf o.g. Weise<br />

indoktrinierten Zuschauer „zu anstrengend“ erscheinen zu lassen, woraufhin Fernsehhierarchen noch<br />

seichtere Sendungen mit Quoten rechtfertigen. So gesehen kann man nicht bestreiten, dass Fernsehen einen<br />

„erzieherischen“ Effekt hat. Nur eben eine hundsmiserable „Erziehung“.<br />

Wie beurteilen Sie die Gefahr, dass die wenigen politisch und kulturell informierenden Magazin-Sendungen im<br />

Umfeld der vielen Talkshows und Unterhaltungsformate von den Zuschauern immer stärker als Fremdkörper<br />

empfunden werden könnte?<br />

Es ist jetzt schon so.<br />

Welche Auswirkungen haben Talkshows auf den Umgang mit <strong>Themen</strong> in anderen Formaten der Programme?<br />

Inwieweit findet beispielsweise eine ‚Verschwendung‘ von Argumenten und Köpfen statt?<br />

Die TeilnehmerInnen werden vorher von den Talkshowredaktionen ausführlich nach ihrer Meinung befragt,<br />

so dass nicht nur das Drehbuch vorhersagbar ist sondern viele Talkshows vermutlich ohne Gäste stattfinden<br />

könnten. Die meisten Talkshows spielen in so engen Korsetten (zu viele Gäste, zu kurze <strong>Themen</strong>segmente,<br />

zerhakte Zusammenhänge, Einspielfilmchen, mangelndes Interesse am Inhalt, z.T. Angst vor Gästen statt<br />

Wissbegier, das Publikum anklatschende, also manipulierende Redakteure usw.), das leider nichts passieren<br />

kann und sich eine freie Diskussion überhaupt nicht entfalten kann. Vor einem unbekannten Ausgang einer<br />

Diskussion haben die meisten Redaktionen Angst<br />

Was soll, was kann eine zeitgemäße informationsbasierte Talkshow leisten?<br />

Man könnte das offensichtlich manche Redaktionen beänstigende Risiko eingehen, dass erwachsene Menschen<br />

mit unterschiedlichen politischen Positionen sich wirklich auseinandersetzen, ohne nach jedem Halbsatz<br />

unterbrochen und schon durchs konkrete Format strukturell gegängelt zu werden. Gesellschaftliche Minderheiten<br />

könnten tatsächlich zu Wort kommen. Kluger Streit über gesellschaftliche wichtige Fragen auf empirisch<br />

gesättigter Basis ... aber ich will jetzt nicht zu träumen anfangen.<br />

Müssen Talkshows neue Akzente setzen oder vorrangig das thematisieren, worüber alle reden?<br />

Egal. Es kommt auf das wie an (siehe oben).<br />

Wie kann, wie soll, Ihrer Meinung nach die Zukunft der Talkshows aussehen?<br />

Im Kern hab ich‘s schon beantwortet. Wenn wichtige gesellschaftpolitische Fragen Raum darin haben, nach<br />

denen sich so viele Menschen sehen (manche ohne es zu wissen), können die äußeren Umstände schlicht sein.<br />

Ich brauch kein aufgetakeltes Designerstudio mit allem möglichen Chichi wenn mich der Inhalt fesselt.<br />

Welches Talkshow-Erlebnis bzw. -Ereignis ist Ihnen als Zuschauer, Gast oder Macher besonders positiv oder<br />

negativ in Erinnerung?<br />

Besonders positiv: Günther Gaus befragt Rudi Dutschke (Sendereihe »Zu Protokoll – Rudi Dutschke«, SWF/<br />

ARD, 3.12.1967) und interessiert sich allen Ernstes dafür, was der junge APO-Aktivist denkt und warum er es tut.<br />

Aber auch manch eine alte Club 2-Runde (ORF) gefiel mir. Aber in einer entsolidarisierten und in soziale Milieus<br />

zerfallenen Gesellschaft in der selbst der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung die Klassengegensätze zu schroff<br />

werden, interessieren sich diejenigen, die Fernsehen machen (und damit Meinung) vor allem für die Affirmation<br />

der bestehenden Verhältnisse und nicht für die selbstbestimmte Darstellung gesellschaftlicher Minderheiten.<br />

Haben schon einmal zwei LeiharbeiterInnen die Sklavenhändlerkonzerne in einer Talksow angreifen und<br />

argumentativ zerlegen dürfen? Unvorstellbar! Die meisten Minderheiten werden zur Illustration missbraucht:<br />

Hartz-IV-EmpfängerInnen, junge, erfolgreiche Türkinnen (Sarrazin-Debatte), die Frauenbewegung scheint nur aus<br />

ihrer angepasstesten ehemaligen Repräsentantin zu bestehen, außerparlamentarische linke Opposition in all<br />

ihren vielfältigen Strömungen findet überhaupt nicht mehr statt, sie wird allenfalls stigmatisiert. Eine Gesellschaft<br />

zerfällt und merkt es nicht, dem Fernsehen sei Dank. Man brauchte nur eine Zeit lang im ZDF-Fernsehratsmitglied<br />

gewesen zu sein (wie ich vor Jahrzehnten), dann begreift eine, wie luftraubend der Zugriff politischer Parteien<br />

auf die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ist und wie direkt die hinter ihnen stehenden Kapitalinteressen<br />

eingreifen. Wann haben Sie zuletzt z.B. eine Sendung über die menschenvernichtende und naturzerstörenden<br />

Auswirkungen deutscher Konzerne gesehen? Oder darüber wie die sogenannten deutschen Eliten von der<br />

Verarmung anderer, auch europäischer Staaten, profitieren? Wichtig ist hingegen, welches Kleid Kate trug.<br />

--<br />

MATTHIAS PFEFFER<br />

Aus welchen Gründen mehren sich Ihrer Meinung nach seit einigen Jahren Talkshows auf allen Kanälen bzw. –<br />

dort besonders stark diskutiert – bei den öffentlich-rechtlichen Sendern?<br />

Das Gespräch ist die ideale Form, die wachsende Informationsflut einzuordnen, zu sortieren und zu beurteilen<br />

was wichtig ist. Hinzu kommt der Trend der Personalisierung in der Politik, der ebenfalls eine Reaktion auf die<br />

zunehmende Komplexität der Welt ist. <strong>Themen</strong> lassen sich daher gut über Personen transportieren und im<br />

Gespräch erörtern. Diese Art der <strong>Themen</strong>vermittlung spricht vor allem ein älteres Publikum an, daher senden vor<br />

allem die öffentlich-rechtlichen Anstalten dieses Genre.<br />

Stichwort öffentlich-rechtlicher Programmauftrag: Inwiefern gefährdet die Talkshow-Flut diesen Auftrag durch die<br />

Verdrängung anderer Sendeformate auf Dauer?<br />

Der öffentlich-rechtliche Programmauftrag definiert den Rundfunk als Sache der Allgemeinheit und als Medium<br />

und Faktor der politischen Meinungsbildung: Diesen Zweck können Talkshows sehr gut erfüllen. Nicht „die<br />

Talkshowflut“ gefährdet diesen Auftrag, sondern das Einerlei der Senderformate, die sich sehr ähnlich sind und<br />

bei dem die Redaktionen dieselben <strong>Themen</strong> mit den immer wiederkehrenden Gästen besetzen.<br />

Wie beurteilen Sie die Gefahr, dass die wenigen politisch und kulturell informierenden Magazin-Sendungen im<br />

Umfeld der vielen Talkshows und Unterhaltungsformate von den Zuschauern immer stärker als Fremdkörper<br />

empfunden werden könnten?<br />

Der Zuschauer wird sich meines Erachtens eher wieder danach zurücksehnen auch mal wieder in Magazin und<br />

Dokumentation informiert zu werden.<br />

Welche Auswirkungen haben Talkshows auf den Umgang mit <strong>Themen</strong> in anderen Formaten der Programme?<br />

Inwieweit findet beispielsweise eine ‚Verschwendung‘ von Argumenten und Köpfen statt?<br />

Talkshows ergänzen die Behandlung von <strong>Themen</strong> in anderen Formaten, sie ersetzen sie nicht. Argumente können<br />

kaum verschwendet werden. Köpfe, wenn sie ständig und zu allen <strong>Themen</strong> auftauchen, schon eher.<br />

Was soll, was kann eine zeitgemäße informationsbasierte Talkshow leisten?<br />

Sie muss den Wettstreit der Argumente erlebbar machen, nicht den Streit von Personen.<br />

Müssen Talkshows neue Akzente setzen oder vorrangig das thematisieren, worüber alle reden?<br />

Es muss ein Bedürfnis für den Zuschauer geben, selbst über die <strong>Themen</strong> reden zu wollen, bevor sie dann eine<br />

Talkshow aufgreift.<br />

Wie kann, wie soll, Ihrer Meinung nach die Zukunft der Talkshows aussehen?<br />

Talkshows müssen auch künftig unterhalten, sollten aber stärker den Argumentationsaustausch in den<br />

Vordergrund stellen<br />

Welches Talkshow-Erlebnis bzw. -Ereignis ist Ihnen als Zuschauer, Gast oder Macher besonders positiv oder<br />

negativ Erinnerung?<br />

Negativ: Die „spontanen“ Talkshowskandale, von der onanierenden Nina Hagen bis zu der aus dem Kernergarten<br />

vertriebenen Eva Herrmann.<br />

Raum K3<br />

K3<br />

Freitag, 1. Juli, 10:30<br />

Reporter-Forum I – Wie man gute Texte noch besser macht<br />

Ein Text als Rohdiamant. Bei den großen Magazinen durchläuft er bis zur Veröffentlichung mehrere Stufen, es wird<br />

geschliffen und gefeilt – und manchmal gibt es deswegen sogar Ärger zwischen Autor und Redaktion.<br />

Was aber tun, wenn man mit weniger Ressourcen auskommen muss? Ariel Hauptmeier, Redakteur bei Geo, gibt in<br />

seinem Workshop Tipps, wie man gute Texte noch besser macht.<br />

Mit: Ariel Hauptmeier<br />

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